Am 13. Januar feiert die Pionierin und Lesben-Forscherin in Berlin ihren Geburtstag. Seit dreißig Jahren kämpft Ilse Kokula für die Emanzipation von Lesben und engagiert sich dafür, das Wissen über lesbische Lebensweisen zu erweitern. Ilse Kokula hat Courage bewiesen und in vielfältiger Weise dafür gekämpft, dass Lesben sich heute nicht mehr schamvoll verstecken und heimlich treffen müssen, sondern dass Informationen rund um lesbisches Leben zu finden sind und Lesben einander an vielen Orten begegnen und damit ein freieres Lebensgefühl entfalten können.
Ihr Engagement für Lesben ist einzigartig, weil sie über drei Jahrzehnte hinweg verschiedene Ebenen miteinander verbindet: Als Forscherin hat Ilse Kokula bereits in den 70er- und frühen 80er Jahren wegweisende Werke zur Gegenwart und Geschichte lesbischer Frauen publiziert, auf deren Grundlagen jüngere Forscherinnen in Geschichte, Soziologie, Psychologie und Literaturwissenschaft haben aufbauen konnten. Als Kämpferin hat sie in der Frauen- und Lesbenbewegung mitgearbeitet (u.a. durch Beiträge für die Lesbenzeitschriften „UkZ“ und „Lesbenfront“, heute: „die“), lesbisch-schwule Zusammenarbeit gepflegt (lesbisch-schwule Gewerkschaftsgruppe der ÖTV/Verdi mitaufgebaut, Katalog zur Ausstellung „Eldorado – Berlin 1850-1950“ mitverfasst). Als Vernetzerin hat Ilse Kokula schon vor dem Fall der Mauer (und erst recht danach) Lesben aus Ost und West, aus den Niederlanden und der Schweiz miteinander verbunden und in der „Arbeitsgemeinschaft kommunale Lesben- und Schwulenpolitik“ des Bezirksamtes Berlin-Charlottenburg als Expertin mitgewirkt.
Die berufliche Laufbahn von Ilse Kokula zeugt von ihrer Kraft, Ausdauer und Klugheit: Als Mädchen war nur eine Hilfsarbeit für sie vorgesehen, weshalb sie bereits die Berufslehre als Köchin erkämpfen musste. Nach einigen Berufsjahren bildete sie sich an der Höheren Fachschule in Sozialarbeit aus, die sie 1967 in Bayern abschloss. Wiederum folgte die Arbeit in der Praxis sowie das Nachholen der mittleren Reife. Von 1971-74 studierte Ilse Kokula in Berlin Pädagogik und verfasste ihre Diplomarbeit über die Lesbengruppe im LAZ, in der sie selbst Mitglied war. Mitte der 70er Jahre wurden Lesben gesellschaftlich totgeschwiegen, als Pionierin publizierte Kokula deshalb ihr Buch „Der Kampf gegen Unterdrückung“ noch unter Pseudonym (Ina Kuckuc) beim Frauenoffensive-Verlag. Ilse Kokula arbeitete wiederum einige Jahre in der Praxis. Danach promovierte sie 1982 an der Universität Bremen in Soziologie, es erschienen zwei Büchernin dieser Zeit: „Weibliche Homosexualität um 1900“ und „Formen lesbischer Sukultur“.
1985 wurde Ilse Kokula von der Universität Utrecht als erste Gastprofessorin für „soziale Geschichte und Sozialisation lesbischer Frauen“ auf den Belle-van-Zuylen- Wechsellehrstuhl berufen und erhielt den Professorinnen-Titel. In den 80er Jahren publizierte Ilse Kokula neben vier Büchern auch zahlreiche Beiträge in Büchern und Zeitschriften. Daneben hielt sie Vorträge in Deutschland, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz. Allein im Frauenzentrum Baden/CH präsentierte sie acht verschiedene Vorträge zu Lesben in Geschichte und Gegenwart. Aufgrund ihrer Vorarbeiten beauftragte sie der SAPPHO-Verein mit der Erforschung der ersten Lesbengruppe der Schweiz, dem „Damenclub Amicitia“. Mit ihren Ergebnissen in „Die Welt gehört uns doch!“ hat Ilse Kokula Ende der 80er Jahre den Grundstein für die Schweizer Lesbengeschichte gelegt und davon in einer Veranstaltung zur Ausstellung „Unverschämt“ im Stadthaus Zürich im Jahr 2003 erzählt. 1989 wurde Ilse Kokula die erste Gleichstellungsbeauftragte im „Referat für gleichgeschlechtliche Lebensweisen“ des Berliner Senats. Sie hat dort wichtige Tagungen initiiert und mit Publikationen begleitet, beispielsweise „Geschichte und Perspektiven von Lesben und Schwulen in den neuen Bundesländern“, „Der homosexuellen NS-Opfer gedenken“ oder „Aspekte lesbischer und schwuler Emanzipation in Kommunalverwaltungen“. Als profilierte Lesbenforscherin und -kämpferin die Funktion einer Gleichstellungsbeauftragten für Lesben und Schwule in der Verwaltung wahrzunehmen, das ergibt ein Spannungsfeld in- und ausserhalb der Institutionen und unter den Beteiligten. Nach sieben Jahren hat Ilse Kokula diese Belastung mit einem Wirkungsfeld im Jugendschutz getauscht und sich auch aus anderen Lesbenzusammenhängen zurückgezogen. Inzwischen erscheint Ilse Kokula wieder in der Lesben-Öffentlichkeit und ich hoffe, dass sie ihren solidarisch-kritischen Geist und ihre herzliche Offenheit hier wieder vermehrt einbringt. Auch wenn sie es sich selbst und andern mit ihrer Direktheit und ihrem Kampfgeist nicht immer leicht gemacht hat, so hat sie gerade damit sehr vielen Lesben und Projekten wesentliche Impulse gegeben und sich ausdauernd für die gesellschaftliche Emanzipation von Lesben eingesetzt. Dafür sei ihr mit Veilchen gedankt, der Liebesblume zwischen Lesben der Goldenen Zwanziger Jahre.
Madeleine Marti
Photo: Barbara Dietl
Ein Kommentar
Pingback: Lespress, Ausgabe 01 2004