CoverAusschnitt "Tod auf der Kohleninsel"

Rezension: Tod auf der Kohleninsel

„Ein Krimi wie der Pott: breite Schultern, weiches Herz.“

(Klappentext „Tod auf der Kohleninsel“)

Was ist das nur für ein Ding um diese Regionalkrimis?

Kaum noch gibt es eine krimifreie Zone in Deutschland. Seit Siggi Baumeister in der Eifel ermittelt, können wir Eifelkrimi-Wanderwege laufen, Krimifestivals besuchen und Urlaub im Krimiland buchen. Woher auf einmal diese Heimatverbundenheit im deutschen Krimi?

Wir haben Schwedenkrimis als Grausamkeitsversprechen, Frauenkrimis als kulturpolitische Behauptung verstanden und Politthriller als Verschwörungsgruselgeflüster. Aber Heimat? Scheint im Zuge der Globalisierung und im Krimi eine neue, positive Bedeutung zu gewinnen. Und überhaupt greifen wir lieber zu regionalen Produkten, bewegen uns gerne in von uns ausgetreten Pfaden und auf einmal ist es Konsens: Regional ist erste Wahl!

Zum Buch:

Ruhrort – das ist Leben am Fluss. Industrieromantik mit Häfen, Brücken, Schiffen. Hier leben Hafenarbeiter, Originale, Träumer, verkrachte und zwielichtige Existenzen. Über Flüsse gelangt nicht nur Wasser ins Meer, sondern das Wasser transportiert alles, was hineingegeben wird: Fremdes, Neues, Aufregendes, Gefährliches. Waffen, Drogen, Brutalität. Hier gibt sich die Ruhr dem Rhein hin; hier ist die heile Welt schmutzig, hier brauchst Du richtig gute Kumpels.

Theo Bosmann, Ex-Polizist, Bootsbesitzer, Binnenschiffer, Ex-Mann einer Staatsanwältin ist so einer. Hardboiled mit weichen Knien und einem großen aber schwachen Herz. Ein Lone Wolf. Und deswegen auch nicht so richtig zusammen mit seiner „Gefährtin“ Betty. Betty Harmes ist Anwältin, Kellnerin und Restaurantkritikerin. Beide sind befreundet mit Guste. Guste Krawitz ist die gute Seele, die einen Kiosk betreibt, für jeden ein offenes Ohr hat und auf einmal tot auf der Kohleninsel aufgefunden wird. Ermordet. „Das sind wir Guste schuldig!“ Gesagt, getan ermitteln Theo und Betty auf eigene Faust und mehr und mehr in großer Gefahr.

Wir treffen auf Mellie, ca. zwanzig, kein Job, ohne Illusionen, ganz unten. Auf Dörte, eine überschminkte, herzensgute Lady mit einer gewissen Zwielichtigkeit und sehr viel Geld. Auf Opa Willi, der aus Versehen ein Video von Gustes Todestag gemacht hat. Und, und, und. Wir treffen auf alle, die alle kennen, die dort wohnen.

Das ist anrührend und spannend.

Ja, der Mord wird aufgeklärt, aber das Menschliche übertrumpft bei Weitem und angenehm die eigentliche Mordermittlung. Mellie, Opa Willi, Ella, Rick und wie sie alle heißen und all diese scheinbaren Nebenhandlungen fassen uns mehr an als der Mord und seine Aufklärung. Das Ende ist wie der Pott: verblüffend und schmerzvoll.

Das Autorenduo Rüskamp/Toschka schlängelt sich elegant um Kitsch und Tümelei herum; der Krimi liest sich in einem Rutsch und hängt auch zu keiner Zeit durch. Chapeau!

Ein schönes Stück Heimatliteratur – auf nach Ruhrort!

Regine Anhamm

(i4)_(0075-8)_Rueskamp_Toschka_Tod_auf_der_Kohleninsel_VS_01.inddArnd Rüskamp, Dagmar Maria Toschka:

Tod auf der Kohleninsel
Ruhr Krimi

emons-verlag
ISBN 978-3-7408-0075-8

Über Regine Anhamm

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