Nicht so virulent wie bei „TTV“ und viel düsterer bahnt sich die Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen im viktorianischen England an. Die eine lebt in einer finsteren Londoner Seitengasse, die andere auf dem nicht minder finsteren Anwesen ihres Onkels. Ist die Londonerin Sue zu einer gewieften „fingersmith“ (Taschendiebin) geworden, katalogisiert das Landmädchen Maud mit und für ihren autoritären Onkel seine Buchbestände. Normal wären sich diese beiden Frauen niemals begegnet, hätte nicht der undurchsichtige „Gentleman“ Rivers die Fäden in die Hand genommen. Scharf auf das Erbe von Maud, schleust er Sue als Dienstmädchen in ihr Haus. Sue soll Maud davon überzeugen, Rivers zu ehelichen, mit dem Plan, sie nach der Heirat erst in den Wahnsinn zu treiben und dann in eine Irrenanstalt einzuliefern. Es geht natürlich um das Erbe, von dem Sue einen beträchtlichen Anteil erhalten soll. Trotz des teuflischen Plans verlieben sich die Frauen ineinander und verbringen eine Nacht zusammen – wie schon in „TTV“ spielt sich auch hier das Liebesleben viktorianisch prüde unter der Bettdecke ab.
Für Sue wird es immer schwerer, ihren Plan durchzuziehen – allein die Ehre, eine gewiefte Diebin sein zu wollen, hält sie von einem Geständnis zurück. Man sieht ihr ihren inneren Kampf an, lauscht ihrem inneren Dialog um das Für und Wider, möchte sie rütteln und schütteln und sie davon abhalten ihre Liebe zu verraten. Doch höhere Mächte scheinen im Spiel zu sein und so hält eines Tages eine Pferdekutsche mit den beiden Frauen und den mittlerweile von Maud geehelichten Rivers wirklich vor einer Irrenanstalt an.
Dies ist der Wendepunkt des Films, denn die Handlung wird nun noch einmal von vorne aufgerollt, jedoch aus Mauds Perspektive. Viele Ungereimtheiten der ersten Stunde klären sich nach und nach auf – bis sich das Komplott aus Lügen und Intrigen in seinem ganzen Ausmaß auf dem Bildschirm entfaltet.
Sally Hawkins und Elaine Cassidy intrigieren und lieben sich als Sue und Maud, wachsen einem aber als lesbisches Liebespaar nicht so ans Herz wie einst „Nan und Kitty“ und auch „Nan und Florence“ in dem Fernsehfilm „TTV“. In diesem spielte Sally Hawkins die liebeslustige Dienerin Zena, die eine Nacht mit Nan verbringt, sie später ihrer Goldmünzen beraubt und mittellos sitzen lässt – sie war damals schon eine raffinierte „fingersmith“.
Alles in allem bietet „Fingersmith“ jedoch gute, konventionelle Unterhaltung mit einer dreistündigen Zeitreise in das viktorianische England, eine spannende Geschichte mit vielen Wendungen und Intrigen und nicht zuletzt eine komplizierte aber dennoch schöne Love-Story zwischen zwei Frauen.
Dagmar Trüpschuch