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Beziehungsarbeit ist Schwerstarbeit. Darüber sind sich Daniela (36) und Hannah
(43) einig. Ein aufmerksames und liebevolles Miteinander, dass den Beteiligten die
zur Selbstentfaltung notwendigen Freiräume lässt, scheint nur selten möglich
zu sein. Daniela und Hannah haben jedenfalls keine Lust mehr, ihre persönliche
Freiheit durch eine Beziehung aufzugeben. Monika Richrath hat die beiden im Gespräch
belauscht.
Daniela: Eine Affaire soll Spass machen. Deshalb hatte ich im letzten Jahr den festen
Vorsatz, vorerst keine Beziehung mehr einzugehen. Dummerweise habe ich mich in meine
Affaire verliebt und wollte es dann doch noch einmal versuchen, obwohl sich schon
die Affaire sehr schwierig gestaltete. Schließlich lag darin auch eine Herausforderung.
(Ich liebe Herausforderungen!) So richtig begannen die Schwierigkeiten aber erst,
nachdem wir ein Paar wurden. Eigentlich schätze ich Affairen schon noch, ich
fürchte bloss, es wird ganz schnell wieder anstrengend. Mit dem Spass-Element
können die wenigsten Frauen umgehen. Da können sie noch so sehr rufen ìJa,
ich will auch eine Affaire!î, letztendlich werden doch Ansprüche gestellt, nur
anders verpackt, aber doch wie in einer Beziehung.
Hannah: Dann ist der Unterschied zur Beziehung aber weg.
Daniela: Ich empfinde das als Intimterror, dieses ganz schnell wissen zu wollen,
wie und was die andere ist ...
Hannah: ...wie sie dahin gekommen ist.
Daniela ... ìMit welcher Therapeutin...î
Hannah ...îUnd wen hast Du schon alles geliebt...?ì
Daniela:...Nee, das will niemand wirklich wissen, bloss nicht, jede will die Erste
sein! Und vor allen Dingen dann auch die letzte.
Hannah: Dagegen wäre ja überhaupt nichts einzuwenden, aber warum muss die
Garantie sofort gegeben werden? Warum überhaupt eine Garantie? Es kann sein,
dass aus einer Affaire eine Beziehung wird, aber es kann eben auch nicht sein. Das
hat zu etwas mit Spass und Aufmerksamkeit füreinander im Alltag aneinander zu
tun und einfach einer Portion Glück.
Daniela: Das wäre auch mein Modell. Ab und zu mal weggehen, vielleicht und ...
na ja SEX. Ich will mit einer Affaire nicht unbedingt Scrabble spielen.
Hannah: Warum hast Du dich trotzdem auf eine neue Beziehung eingelassen?
Daniela: Ich liebte sie heiß und innig und habe geglaubt, wenn ich mir Mühe
gebe und mal aus meinen rigiden Strukturen ausbreche, (das ist ja die Herausforderung),
dann muss es doch klappen. Sie war so ganz anders als ich, das fand ich spannend.
Hannah: Langweilig war es also nicht!
Daniela: Überhaupt nicht. Es war vielmehr so, dass wir völlig unterschiedliche
Bedürfnisse und Vorstellungen hatten. Meistens habe ich allerdings nicht verstanden,
was sie wollte. Denn wenn sie das eine bekommen hatte, was sie wollte, wollte sie
wieder etwas anderes.
Hannah: Ach, gib mir alles von Dir ...
Daniela: Hätte sie kriegen können, aber das war nicht genug. Viele Facetten
kenne ich auch aus anderen Beziehungen mit Frauen, die Vorstellung, dass es selbstverständlich
ist, alles über die andere zu wissen. Aber ich muss für mich denken und
handeln, die Verantwortung für mich übernehmen und nicht für jemand
anderen. Das scheint ein Problem zu sein. Und sobald ich es ablehne für meine
Liebste zu denken und Verantwortung für ihr Wohlbefinden zu übernehmen,
bin ich egoistisch, ohne Mitgefühl und KALT! Das ist durchaus ernst gemeint.
Bei allem Engagement für die andere kann ich das einfach nicht verstehen: Ich
will doch eine Kontrolle über mein Leben und über mein Wohlbefinden. Warum
sollte ich das aus der Hand geben? So ab 20/25 Jahren sollte sich in diesem Kulturkreis
eine Verantwortung für die eigene Person entwickeln. Bei Männern zugegebenermaßen
etwas später ...
Hannah: Bei manchen Frauen nie ...
Daniela: Bei Männern ist das ja ohnehin alles anders.
Hannah: Es ist schwierig, wenn ein Kontakt darüber definiert wird, dass ich
zulasse, dass die andere für mich verantworlich ist. Wenn ich das nicht zulasse,
lasse ich dann keine Nähe zu? Es ist vielleicht ja arrogant, aber: Ich denke
oft, dass dies eine Form von Symbiose ist. Ich suche keine Mama. Gelegentlich frage
ich mich zwar, ob ich vielleicht einen Punkt in diesem Lebenskonzept übersehe?
Aber für mich liegt in diesem Beziehungskonzept eine Art, sich selbst zu verstecken:
wenn das und das erfüllt wird, dann magst du mich, dann hängst du an mir,
wobei ich aber an die wirkliche Person nie heran komme. Die wirkliche Person erlebe
ich nicht. Die Bestätigung funktioniert darüber, dass ich immer für
die andere verfügbar bin, wenn sie jemanden braucht.
Daniela: Abstrakt finde ich das auch in Ordnung, ich bin auch da für meine Freundinnen,
wenn es ihnen schlecht geht.
Hannah: ÑDu hast gesagt, du bist immer für mich da und jetzt bist du nicht für
mich da.ì
Daniela: ÑJetzt läuft Dein Anrufbeantworter.ì
Hannah: ÑWo bist du?ì
Daniela: ÑBei welcher?ì
Hannah: Und dann müssen wir das ganze Wochenende darüber diskutieren, dass
ich zwei Stunden nicht erreichbar war.
Daniela Ja, ja, der kontinuierliche Klärungsbedarf. Darüber entsteht ja
Nähe. Reibung erzeugt auch Wärme.
Hannah: Aber im Prinzip ist das doch keine Reibung, dies bedingungslose Fordern von
Verfügbarkeit. Nimm als Beispiel mal: ìIch will heute abend alleine seinî: ìHast
du was?î ìNein, ich will einfach nur alleine seinî. Dies einfache Bedürfnis
meinerseits scheint gleich die ganze Beziehung in Frage zu stellen, da kommt mir
solches Misstrauen entgegen. Da werde ich dann vorsichtig. Wenn wir diesen Punkt
jetzt klären, kommt nächste Woche der Punkt und dann der und dann kommt
die Frage, warum will ich nicht mit ihr zusammen ziehen? Ich sage liebend gerne,
aber nicht so.
Daniela: Es scheint keinen Punkt zu geben, wo Schicht ist. Selbst wenn die Frage
geklärt ist geht das Spiel von vorne los, zu einem anderen Thema. Eifersucht
wird immer wieder gern genommen!
Hannah: Eine kleine Anekdote am Rande: Ich gehe immer davon aus, dass sie es mir
schon sagen wird, wenn es etwas gibt, was mich angeht. Aber plötzlich lag da
eine andere in ihrem Bett.
Daniela: Das ist deutlich!
Hannah: Das hätte sie mir sagen können, dass sie interessanten Besuch hat.
Dann wäre ich da nicht unbedingt aufgetaucht. So denke ich, sie wollte, dass
ich misstrauisch werde oder sie sogar kontrolliere. Etwas zu dem ich in einer Liebesbeziehung
so gar keine Lust habe.
Daniela: Noch mal zum Thema zurück: Du kennst doch bestimmt auch diese kleinen
Fragen, die in regelmässigen Intervallen gestellt werden: ÑLiebst du mich noch?ì
ÑSag mir, warum Du mit mir zusammen bist!ì ÑWas magst du an mir?ì ÑWas möchtest
Du an mir lernen?ì Und nochmal: Ñliebst Du mich?ì ÑWie sehr?ì Ich verstehe, wenn
man sich gerade ganz böse gefetzt hat - möglicherweise sind die Tassen
geflogen - dann zu fragen, weil Zweifel bestehen. Aber warum muss diese Frage jedesmal
geklärt werden?
Hannah: Ich glaube, das ist der Punkt, wo eine Beziehung ganz häufig für
alle Unsicherheiten herhalten muss, z.B. im Job: wenn mich die Kollegin heute schon
wieder nicht angeguckt hat, dann muss meine Liebste heute abend besonders nett zu
mir sein. Die Beziehung muss alles in Ordnung bringen, dann ist alles in Ordnung,
dann funktioniert auch mein Leben.
Wir Frauen haben jahrelang dafür gekämpft, dass Beziehungen offen und ehrlich
sind, dass wir demonstrativ auch unsere Gefühle zeigen und dass Lesben jetzt
auch heiraten dürfen. Und das soll jetzt darin enden, dass die Beziehung das
Wichtigste im Leben ist? Als Solistin bin ich nur noch eine halbe Portion.
Daniela: Ich habe mindestens 10 Jahre aktiv hetero gelebt und lebe jetzt seit 10
Jahren lesbisch - und ich muss sagen: mit den Kerlen war das nicht so anstrengend.
Mag sein, dass ich das besser im Griff hatte. Beziehung war ein Teil von meinem und
auch seinem Leben, aber nicht der größte. Wir hatten unsere eigenen Kreise,
unsere Arbeit, unser Studium, sind zusammen in Urlaub gefahren, haben zusammen Doppelkopf
gespielt. Punkt. In lesbischen Zusammenhängen musst du mit deiner Liebsten tanzen,
das ist meist das erste Drama (und oft auch das letzte), auch Zusammenwohnen steht
hoch im Kurs. Auch der Freundinnenkreis ist irgendwann der gleiche. Das finde ich
schrecklich.
Hannah: Du wirst jetzt nur noch als Einheit definiert: ÑDie beiden...ì
Daniela: Ich kenne welche, da werden schon die Namen zu einem zusammengezogen.
Hannah: Und sprich mal einen Teil eines solchen Paares an! Dann wird dir gleich unterstellt,
du wolltest mit ihr ins Bett gehen.
Daniela: Das scheint eine tierische Bedrohung zu sein. Paare sind fast so etwas wie
eine geschütze Art.
Hannah: Mich schreckt das ab, eine Beziehung einzugehen. Ich will so etwas nicht.
Das interessiert mich nicht, so will ich nicht eingeengt werden, die Spielchen kenne
ich zur Genüge.Auch wenn dem Ganzen zunächst ein gewisser Unterhaltungswert
beizumessen ist ...
Daniela: Wenn du nur Unterhaltungswert für andere bist ...
Hannah: Ich fand es überhaupt schwierig, hier in Hamburg Fuss zu fassen, Frauen
kennenzulernen, die nicht im Doppelpack daherkommen.
Daniela.. Die Beziehungsvorstellungen vieler Lesben scheinen sich nicht von schlimmen
Heterobeziehungen zu unterscheiden. Da krieg ich das Gruseln.
Hannah: Reduziert auf den Bausparvertrag und den Zweisitzer.
Daniela: Mit dem aber nur eine fahren darf! Es ist natürlich nachvollziehbar,
dass wir uns nicht freimachen können von Idealen romantischer Liebe (wo sollen
wir denn alles andere herkriegen?). Aber die Wirkung bleibt trotzdem erschreckend.
Wir füreinander, und niemand sonst gehört dazu. Am Rande dann die Freundinnen
von früher. Je mehr die Beziehung einer Ehe gleicht, desto unwichtiger werden
die Freundinnen, die werden erst dann wieder wichtig, wenn es kriselt.
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