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Mandy und Karin leben seit fünf Jahren zusammen
in der kleinen niedersächsischen Stadt Rinteln. Daß sie als lesbisches
Paar leben, ist wohl kaum jemandem verborgen geblieben. Daß die eine Hälfte
zeitweise längere Zeit bettlägerig ist und auch sonst mit ihren Kräften
haushalten muß, ist ebenso bekannt.
Die beiden haben gelernt, mit den Leuten umzugehen.
"Es gibt eine große Unsicherheit bei einigen Menschen, und nicht immer
ist es richtig, ihnen alles vor den Kopf zu knallen. Manchmal ist es einfacher, sie
in Ruhe zu lassen", meint Karin, die dort aufgewachsen ist. "Außerdem
hat jeder und jede seine bzw. ihre Intimsphäre, die man oder frau nicht unbedingt
ständig nach außen stülpen muß."
Es gibt auch Grenzsituationen: Als Mandy rapide 10 Kilo verlor, gab es sehrviel Resonanz
von den Mitmenschen. Manche waren zwar sehr betreten; andere jedoch nahmen wirklich
Anteil und konnten mit Tips für Aufbaunahrung & Kräftigungsmitteln
Hilfe bieten.
Als Mandy in die zweite Pflegestufe kommt, zögert Karin nicht lange, die Pflege
zu übernehmen: "Warum sollte ich irgendwo Geld verdienen, von dem ich dann
eine Pflegekraft bezahlen müßte?" Sie absolvierte einen Kurs über
"Häusliche Krankenpflege" und meint, daß sie sich auch weiterhin
ein Wissen aneigenen kann, was vielleicht später einmal gebraucht werden wird.
"Natürlich können wir finanziell nicht über die Stränge
schlagen" ergänzt Mandy, "aber es geht uns im Grunde besser als manchen
anderen, die in unzufriedenen Beziehungen leben. Wir haben eigentlich alles: Unseren
Hund, unseren Kater und uns. Es ist doch so: Die meisten Leute rackern sich furchtbar
ab, um Geld zu verdienen und haben sich vor lauter Stress zuhause nichts mehr zu
sagen."
"Manche mögen uns darum beneiden", fügt Karin hinzu. "Weil
wir unsere Zeit freier einteilen und morgens so lange schlafen können, wie wir
wollen. Diese Argumente zeugen jedoch eher von Unwissenheit. Letztendlich gibt es
keinen Feierabend im üblichen Sinne. Immer wieder treten kleinere & größere
Infektionen auf, die den Alltag auf den Kopf stellen. Und oft schnelle und besonnene
Entscheidungen erfordern."
Natürlich ist nicht alles eitel Sonnenschein. Mandys Viruslast ist so hoch,
daß ihr Arzt vor kurzem warnte, sie sei dem "Ende der Autobahn" schon
sehr nahe. Das Gesprächsthema Leben & Tod ist wichtig. Aber wichtiger bleibt,
das Leben immer wieder neu zu gestalten. Und Krankheit ist nunmal nicht vermeidbar.
Und: Die beiden lassen sich nicht an die Wand drücken. Besonders Karin, die
ihre Freundin ja nun tagtäglich erlebt und beobachtet, hat ihre eigene Ansicht:
"Wir können uns doch nicht permanent nach medizinischen Werten richten.
Ich sehe einfach, wenn es Mandy schlecht geht - und das hat nicht immer etwas mit
Viruslast und T-Helferzellen zu tun. Außerdem kennt Mandy ihren Körper
so gut, daß sie selbst einschätzen kann, ob Ruhe oder Bewegung angesagt
ist."
Mandy hat die konventionelle Aids-Behandlung abgebrochen und inzwischen mit einer
Schmerztherapie begonnen. "Medikamente wie Retrovir haben mich völlig dumpf
und orientierungslos gemacht. Außerdem konnte ich mich kaum noch bewegen. Jetzt,
da ich die harten Medikamente abgesetzt habe und stattdessen Morphium nehme, kann
ich mich ein bißchen besser bewegen und so im kleineren Rahmen aktiv werden.
Ein gewisser Anteil Schmerz ist immer mit dabei. Der Virus sitzt im Nervensystem
und verursacht motorische Störungen. Daher möchte ich momentan keine Versuche
mehr machen. Denn es war schwer genug, zu meiner jetzigen Lebensqualität zurück
zu finden. Ich bin jetzt seit circa 10 Jahren infiziert. Seitdem ich meinen eigenen
Umgang mit der Medizin entwickelt habe, fühle ich mich in der Lage meine eigenen
Therorien zu entwickeln und sie so in die Praxis umzusetzen, daß ein lebenwertes
Leben die Hauptsache ist und bleibt."
Größeres Problem für beide ist der Umgang mit anderen Ärzten,
zum Beispiel dem Zahnarzt. Eine einfachen Zahnbehandlung findet - davon können
auch andere HIV-PatientInnen ein Lied singen - in der Regel außerhalb des normalen
Tagesbetriebes statt. Die Möglichkeit, wie ein klassischer Notfall einigermaßen
sofort zu den üblichen Sprechstundenzeiten behandelt zu werden, haben HIV-PatientInnen
in der Regel nicht. Sie müssen stattdessen bis zum Ende des Tages warten, um
als letzte behandelt zu werden. Gerade ÄrztInnen ohne entsprechende Weiterbildung
argumentieren oft mit der hohen Infektionsgefahr innerhalb ihrer Praxis. Dabei wird
vergessen, daß jeder Mensch seinen Schmerz nur bis zu einer bestimmten Grenze
aushalten kann.
Zudem ist gerade eine Behandlung unter Betäubung schwierig, weil PatientInnen
wie Mandy nicht beliebig hohe Morphindosen vertragen. Das übliche Prozedere
"Sagen Sie bescheid, wenn es noch weh tut, dann spritzen wir noch etwas nach"
funktioniert so einfach nicht. Und so kann es durchaus schon mal zu dramatischen
Szenen im Behandlungsraum kommen.
Allerdings haben PatientInnen wie Mandy gerade in einer Stadt wie Rinteln auch nicht
die Wahl zwischen vielen und dann auch noch kompetenten ÄrztInnen. Außerdem
ist noch nicht geklärt, inwieweit die Transportkosten zu den von der Aids-Hilfe
empfohlenen ÄrtzInnen übernommen werden. Zum Glück ergab sich die
Möglichkeit, mit einer neuen Zahnärztin in näherer Umgebung klar und
deutlich zu sprechen, um dadurch eine bessere Weiterbehandlung zu ermöglichen.
In eine größere Stadt wollen beide allerdings nicht ziehen, denn Karin
hat seit ihrer Kunst-Ausbildung das Großstadtleben satt und fühlt sich
hier wohl. Und auch Mandy möchte nicht umziehen: "In Großstädten
erinnert mich viel zu viel an die Drogenszene. Das Kapitel habe ich abgeschlossen.
Da möchte ich einfach nicht mehr sein. Hier, in der Kleinstadt, kann man sich
besser aufs eigene Leben konzentrieren."
"Es ist nunmal nicht immer alles harmonisch. Wir sind beide Kämpfernaturen
und begegnen allen Herausforderungen so, wie alle anderen. Mal besser- mal schlechter."
Die beiden freuen sich über Kontakt zu anderen Frauen: karinanas@addcom.de,
Lapuss@addcom.de
Inzwischen gibt es auch eine eigene Website: http://www.planet-interkom.de/karinmaria.niederland/frauen.htm
(Photos + Text: Ulrike Anhamm)
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