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  In Talkshows gastieren lesbische Mütter, Erotik-Magazine präsentieren lustvolle Frauenliebe, und in den Soaps dreht sich das lesbische Beziehungskarussell. Was die einen als ein Zeichen von Toleranz deuten, ist für andere bloßer Voyeurismus. Die diesjährige FEMINALE in Köln nahm den "Lesben-Boom im Fernsehen" näher unter die Lupe.
Wie werden Andrea und Billie, Saskia und Harumi in den TV-Serien dargestellt? Wieso zeigt ein Filmfestival so viele Fernsehmagazine? Und warum ist bi einfach praktischer?
lespress sprach mit der Medienwissenschaftlerin
Dr. Michaela Krützen und Karin Jurschick, einer der Feminale-Organisatorinnen.
Interviews: Isabelle Godde
 

Gibt es tatsächlich einen Lesbenboom im Fernsehen?    
    Subjektiv würde ich auf jeden Fall von einem Boom-Erlebnis sprechen. Wobei wir eigentlich nur eine Entwicklung von null auf hundert erleben: Erst waren gar keine Lesben da, und jetzt sind es eine ganze Reihe. Statistisch betrachtet ist das natürlich noch lange kein Boom.  
       
Wo tauchen Lesben derzeit im deutschen Fernsehen auf?      
    Überraschenderweise in allen narrativen Formen des Fernsehens. Also vom Einteiler und Mehrteiler bis hin zu den Fortsetzungsserien und Soap Operas. Wir hatten die lesbische "Konkurrentin", die homosexuelle Tochter im "Havelkaiser", Tanja und Sonja in der "Lindenstraße" und lesbische Paare in "Hinter Gittern" und in Dr. Markus Merthins Sprechstunde. Besonders gute Chancen haben lesbische Figuren in den Soaps. Da gab´s ja Saskia und Harumi in "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten", Andrea, Babette, Billie und Annalena im "Marienhof" und jetzt gerade startet auch ein Lesbenplot in "Verbotene Liebe".
Im Prinzip tauchen also in allen fiktionalen Formen plötzlich Lesben auf, bis auf die Vorabendserien bei den öffentlich-rechtlichen Sendern. Die sind noch ein bißchen hausbacken.
 
       
Wie sehen die Fernseh-Lesben der 90er Jahre aus?      
    Es ist auffällig, wie betont feminin die meisten Lesben dargestellt werden. Spitzenwäsche, Lippenstift, lange Haare, das gibt´s ganz häufig. Aber im Vergleich zu früher gibt es auf jeden Fall eine Tendenz zur Vielfalt. Die Spannbreite reicht von Andrea, der Super-Tussi bis hin zu Walter, der klassischen butch im aufgekrempelten Flanellhemd. Ein paar Spielarten sind noch nicht drin, z.B. die Lederlesbe oder die lesbische Mutter, aber eigentlich finde ich die Bandbreite ganz zufriedenstellend.  
       
Die Feminale-Organisatorinnen schreiben in ihrem Ankündigungstext, das Fernsehen würde das potentiell Subversive "schlucken". Teilst Du diese Kritik?    
    Natürlich ist das Fernsehen eine Gleichmacher-Maschine. Das bedeutet, daß Lesben im Fernsehen nicht zu sehr von anderen Figuren abweichen dürfen. Früher haben wir das ewige Klischee der butch-Lesbe kritisiert, heute müssen wir die Gleichmacherei beklagen. Aber wenn ich die Wahl habe, sehe ich immer noch lieber angepaßte Lesben, die "ganz normal" leben als die, von denen immer wieder erzählt wird, wie kompliziert und schwierig alles ist.  
       
Was unterscheidet deutsche von den us-amerikanischen Soaps?    
    Grundsätzlich kann man sagen, daß das deutsche Fernsehen weitaus weniger prüde ist als das amerikanische Fernsehen. In Deutschland sehen wir schon im Vorabendprogramm, wie sich Frauen auf den Mund küssen und miteinander im Bett liegen. In den USA war der Ellen-Kuß ein so großer Skandal, daß er erst um 22 Uhr gesendet werden durfte - mit einer Einblendung "Diese Sendung ist nicht jugendfrei". In amerikanischen Soaps ist eigentlich kein Platz für Lesben, außer für so abstrakte, platonische Lesben, die sich nie öffentlich küssen.  
       
Dein Vortrag auf der Feminale stand unter dem Motto "Bi ist einfach
praktischer" - Warum eigentlich?
   
    Bi ist für die Fernsehproduzenten einfach praktischer. Wenn ich eine Lesbe in einer Soap habe, dann brauche ich ja eine zweite, um zu zeigen, daß sie lesbisch ist. Erst zeige ich dann ein paar innere Probleme, zum Beispiel daß die Lesbe Schwierigkeiten mit ihrem Coming out hat oder mit ihrem Kinderwunsch. Irgendwann fangen dann die Probleme von außen an und das Standardproblem in der Soap Opera ist ja die Dreiecksbeziehung. Dann habe ich also schon drei Lesben, das ist so ein Schneeballeffekt, und der Produzent bekommt langsam kalte Füße. Die bisexuelle Figur ist da natürlich hochpraktisch, die kann ich nicht nur mit einer anderen Frau zusammenbringen, sondern einfach wieder mit einem anderen Mann. Und schon ist die Gefahr der lesbischen Invasion gebannt...  
       
Was für lesbische Geschichten wünschst Du dir im Fernsehen?      
    Es gibt ja unterschiedliche Erzählstufen im lesbischen Film. Ganz traditionell sind die Erkenntnisfilme wie "Desert Hearts" oder "Die Konkurrentin". Die Hauptperson ahnt, daß es noch was anderes gibt außer heterosexueller Liebe. Wenn sie es kapiert hat, ist der Film zu Ende. Die lesbische Komödie "Kommt Mausi raus" bringt dann die nächste Erzählstufe, die Figur hat längst erkannt,
daß sie lesbisch ist und findet das auch gar nicht das Problem. Der Film
begleitet sie dann bei ihrem Coming Out. Als nächste Stufe gibt es Filme so wie "Bound". Da ist Lesbischsein eigentlich gar nicht das große Thema. Es wird einfach gezeigt, wie Lesben in irgendeinem Kriminalfilm als Figuren agieren und überleben. Also - mal ganz unabhängig von der Ästhetik - ich wünsche mir noch viel mehr Lesben-Filme so wie "Bound".
 
       
       
   

> Karin Jurschik

 
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