kolumne

 

  Madam, Sir!  
  Um gleich mit dem Portal in die Eingangshalle zu fallen: ich bin ernstlich besorgt. Ich hatte mir ja fest vorgenommen, nicht über die diesjährigen Eskapaden von Mr. Stringer und Inspektor Craddock auf ihrem jährlichen Urlaub zu berichten, aber der Vorsitzende der Vereinigung Leather on the Rocks erreichte mich gestern telephonisch und berichtete mir die merkwürdigsten Begebenheiten die sich während des Sommerfrischeaufenthaltes der Beiden auf den Hebriden zugetragen haben sollen.

Nicht daß ich nicht mittlerweile durchaus hart im Nehmen bin, was die beiden Herren anbelangt, aber stellen Sie sich bitte einmal folgendes Vor: Ich sitze am häuslichen elektrischen Kaminfeuer und lese gerade die neue Ausgabe von Home an Garden, als eben jener Vorsitzende mich flehentlich telephonisch vollgestikulierte, ob ich nicht der Nummerkombination von Inspektor Craddocks Diensthandschellen gewärtig wäre. Selbstverständlich erwachte ich augenblicklich aus meinem Exklusivbericht über die Inneneinrichtung von Clarence House, einem der Wohnsitze von Queen Mum und versuchte mich zu entsinnen.

Die Kombination entsprach dem Geburtstag von King George, dem Vater ihrer Majestät der Königin. Mit der Macht dieses Wissens ausgestattet verlangte ich doch weiteres zu erfahren und erfuhr zu meinem Erstaunen, daß die beiden Racker sich gefesselt an einem Felsen befänden, kurz vor einer Preisverleihung oder dem Ertrinken stünden, wenn, ja wenn sie nicht endlich aus dieser Spielshow befreit werden würden. Oh God Gracious! Wie alle guten britischen Inselbewohner kann Mr Stinger nicht schwimmen und Inspektor Craddock ist abgesehen von regelmäßigen täglichen Aufenthalten im Badezimmer wasserscheu. Dieses Wissen ausnutzend hatte unsere liebe Freundin Miss Winterbottom eine Brief an Grampian TV geschrieben und die Beiden als Kandidaten für die Show "Win or Die" empfohlen.

Die Sache ist schnell erklärt. Die nichtsahnenden Opfer werden unter Vorspiegelung falscher Tatsachen unter Kamerabeobachtung in eine für sie fatale Situation gelockt, die sie entweder meisternd und finanziell deutlich besser gestellt wieder verlassen oder sie meistern sie eben nicht und erleben wie die sogenannte Yellowpress am folgenden Tag über sie herfällt und mit Titulierungen der übelsten Sorte belegt und damit faktisch totschreibt, ein beliebter Sport im Vereinigten Königreich . Die Aufgabe, die Mr Stringer zulösen hatte war eigentlich nach dem Geschmack der Zwei. Sie sollten Sich einfach fesseln lassen und am Fußende der Klippen dieser besagten Inseln auf die Flut warten und würden, sobald das Wasser ihnen am Sprichwörtlichen Hals stünde unter jubeln des live zugeschalteten Publikums befreit werden und einen Preis monetärer Art gewinnen.

Dies ist bis auf das Wasser nichts ungewöhnliches, die Zwei tun ja den ganzen Tag nichts anderes als sich zu knebeln und zu bändigen, aber um die Spannung zu potenzieren benutze Inspektor Craddock seine Handschellen um sich und seinem geschätzten Partner an jenem Felsen zu fesseln. Die Kombination der Handschellen war ihm wohl ob der erotischen Komponente der Aktion entfallen und nun standen Kandidaten und Kamerateam nebst Moderateuse etwas hilflos in der Botanik und sahen wie das Wasser anstieg, die Zwei wohl auch gewinnen würden aber leider auch den leiblichen Tod erfahren würden. Reality TV pur sage ich Ihnen. Und plötzlich fiel mir ein was wahre Publikumsbeteiligung ist. Die Flut auf Harris steigt sehr langsam an, aber dafür um so höher. Der Fehler war vor einer halben Stunde bemerkt worden, es blieben also noch 5 1/2 Stunden bis Höchststand. Mittlerweile redete die Produktionsassistentin am Telephon hektisch auf mich ein ihr die Kombination zu verraten, da es sich um eine Livesendung handele und Kandidaten in Livesendungen nicht ersäuft werden dürften. Ich jedoch schaltete den Fernseher ein und schaute mir genüßlich das Drama an, blätterte in Home und Garden und machte mir eine schöne Tasse Tee.

Kurz nachdem das Wasser kochte erreichte die Flut die Füße der Kandidaten, die schon nicht mehr so erotisch schauten wie zum Beginn der Sendung, während die Moderateuse wieder Herrin der Situation war und Ihre Gummistiefel angelegt hatte und langsam aber sicher zur Actionreporterin mutierend über die globalen auswirkungen des Anstiegs der Weltmeere referierte. Im unteren Teil des Bildschirm tauchte seit geraumer Zeit ein Band auf, daß alle weiteren Sendungen,auf Grampian bis aufweiteres entfielen und die Liveübertragung von Harris fortgesetzt werden würde. Das Wasser war gerade an den Hüften der Beiden angekommen , als ich das Kapitel über "Big ideas for small bathrooms" in Home and Garden zu lesen begann. Die Moderateuse quietschte vor Vergnügen als sie die Wassertemperaturen der Hebriden mit denen der Philippinen verglich, Mr. Stringers rote Lippen hatten eine leicht bläuliche Färbung angenommen, als plötzlich jemand an meine Haustüre klopfte.

Dreimal dürfen sie raten: Jawohl Eine Abordnung von Grampian TV in Begleitung der Polizei. Durch das stundenlange Telephonat hatten sie mittels Fangschaltung meine Adresse erfahren. Die Polizei hatten sie mitgebracht, damit ich nicht denken solle auch ich solle als Kandidatin mißbraucht werden. Es wurde mir nahegelegt , sofort die Kombination herauszurücken und anschließend ein Schriftstück unverzüglich auszufüllen und gegenzuzeichnen. Ein Telephonat jagte daraufhin das andere und Millionen Briten konnten im Fernsehen verfolgen, wie die Taucher der Küstenwache darangingen die Handschellen unter Wasser zu suchen, während Die beiden Kandidaten mittels Schläuchen mit Luft versorgt wurden. Die Moderateuse hatte aufgrund der Gischt und der Wellen ihr gesamtes Makeup eingebüßt und hatte mittlerweile sehr viel Ähnlichkeit mit eine angeschwemmten Wasserleiche, mit der einen Ausnahme das Wasserleichen sich nicht ständig versprechen und quietschen.

Während ich diese Zeilen an sie richte, und das Erlebte noch einmal rekapituliere fährt soeben der Lieferwagen vor. Auf Kosten von GrampianTV wird mein gesamter Garten umgestaltet. Im großen und ganzen wird er der Gartenanlage von Königinmutter entsprechen und in ca drei Wochen fertiggestellt sein. Ich weile solange in Clarence House inklusive Teestunde bei Ihrer Majestät der Königinmutter. Da Majestät chronisch unter Geldmangel leiden sagte sie freudig zu als die Fernsehanstalt darum bat mich zu beherbergen. Gut ich empfinde die Livekameras im Schloß als leicht störend aber was soll´s. Dafür kann ich demnächst alles aber auch wirklich alles über das bevorzugte Interieur der Königinmutter berichten und wer weiß, vielleicht auch mehr.... bis zum nächsten Mal........

PS: Grampian TV hat übrigens die Sendung übrigens zwei Monate später abgesetzt. Die Einschaltquoten waren so gigantisch gestiegen während der 5 Stunden Liveübertragung, so etwas wäre nie zu wiederholen gewesen. Eine Nachfolgesendung ist in Planung. Die Moderatorin arbeitet übrigens jetzt als Bademeisterin.