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Ein Jahr nach der Bundestagswahl: Das Ende des sozialdemokratischen Jahrhunderts?
Die Verlierer der Wahlen im Saarland, in Sachsen, Thüringen und Brandenburg
rufen dem Kanzler fast einmütig zu: "Weiter so!" oder finden sich
wenige Tage später gleich im Kabinett wieder - und schon ist die Linke eingebunden.
Soziale Wohltaten beschränken sich auf etwas mehr Kindergeld und ein winziges
bißchen weniger Zuzahlung bei Arzneimitteln. Dann kam das Schröder-Blair-Papier
sowie das Eichelsche Sparpaket und es war Schluss mit lustig. Alle reden vom Geld
- und die meisten werden weniger haben, allemal die Arbeitslosen und sozial Schwachen,
und die Alleinerziehenden.
Dabei hatten viele (Lesben) die alte Regierung auch abgewählt, damit in diesem
Land endlich wieder eine fortschrittliche Gesellschaftspolitik gemacht wird. Und
dabei ging es nicht nur um ein anderes Lebensgefühl (Das hielt nach der Wahl
nur ein paar Wochen), sondern um wirkliche gesellschaftliche Fortschritte. Egal,
ob frau Frau heiraten möchte oder hofft, im Schröderland das Patriarchat
überwinden zu können, die lesbische und schwule Ehe oder auch nur die eingetragene
Partnerschaft wären ein Zeichen für eine gesellschaftliche Öffnung
und würde Deutschland endlich mittel- und nordeuropäischen Standard erreichen
lassen. Auch auf den Entwurf oder nur die Diskussion über "ein effektives
Gleichstellungsgesetz" (Koalitionsvereinbarung) wartet frau bisher vergeblich.
Es soll verbindliche Regelungen zur Frauenförderung, flexible Arbeitszeiten
und bessere Bedingungen für Teilzeitarbeit ermöglichen - und ergänzt
werden durch einen nationalen Aktionsplan "Gewalt gegen Frauen". All diese
Projekte müssen ein Jahr nach der Bundestagswahl noch nicht angeschoben sein,
aber hat frau eine politische oder gesellschaftliche Diskussion zu dem Thema vernommen,
gar eine, die durch die Regierung oder die Koalitionsparteien angestoßen worden
wäre? Den Lesben und Schwulen wurde zusätzliche ein "Gesetz gegen
Diskriminierung und zur Förderung der Gleichbehandlung" in Aussicht gestellt.
Nach einem Jahr drängt nun die Zeit: Die Projekte in die zweite Hälfte
der Legislaturperiode zu verschieben, wo für gesellschaftspolitische Reformprojekte
bei großen Volksparteien angesichts des nahenden Wahlkampfs i.a. kaum noch
Aussichten vorhanden sind, würde ihren Tod bedeuten. Denn natürlich ist
mit - ausgesprochen populistischem - Widerstand zu rechnen, wie die Kampagne der
CDU/CSU gegen die doppelte Staatsbürgerschaft gezeigt hat. Eine Million Unterschriften
gegen Lesben und Schwule zu sammeln, dürfte in diesem Land kein Problem sein.
Gerade dann aber bräuchte es einen Kanzler, der dem Volk mit der Autorität
seines Amtes erklärt, warum die eingetragene Partnerschaft, eine Anti-Diskriminierungsgesetz
oder die Förderung und Absicherung von Frauenhäusern wichtig und richtig
sind - keine sehr realistische Idee.
Wenn der Kanzler schon mal Maggie Schröder genannt wird, bezieht sich dies leider
nur auf neoliberale Tendenzen in der rot-grünen Regierungspolitik und nicht
auf seine frauenpolitische Durchsetzungskraft. Als Maggie Schröder würde
Gerhard Schröder übrigens im Volk längst als inkompetent gelten. Eine
Frau, die die Versatzstücke Schröderscher Diktion verwenden würde,
hätte wohl kaum eine Chance, als kompetent und gestaltungskräftig durchzugehen.
Wie hieß es doch in der Regierungserklärung: "Wir haben gesagt: Wir
wollen nicht alles anders, aber vieles besser machen. Daran werden wir uns halten."
Das bisherige Fazit müßte - in Schröderschen Worten - eher lauten:
"Meine Damen und Herren, es ist kein Zweifel: Wir haben vieles nicht erreicht.
Ich sage es deutlich: Daran wird sich wenig ändern, auch wenn gelegentlich anderes
verbreitet wird." Nun ist es natürlich so, daß vor 16 Jahren auch
über die Sprache von Herrn Kohl ähnlich gelästert wurde- und er im
Amt sehr alt geworden ist. Aber auch Kohl war ja bekanntlich ein (Staats-)Mann.
Wer 1 DM weniger pro Tablettenschachtel für eine soziale Wohltat hält,
sich aber weder an Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer noch an das Ehegattensplitting
herantraut (Koalitionsvereinbarung: "Familie ist, wo Kinder sind") sollte
sich nicht länger auf die Wurzeln der Sozialdemokratie berufen. Und wenn die
Grünen glauben, sie müßten die - im Sinne des Schröder-Blair-Papiers
- moderneren Sozialdemokraten geben, und Gesellschaftspolitik - ihre bisherige Stärke
- klein schreiben, dann gehen sie mit der SPD unter.
A. Drücker |
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