"Hedwig and the angry inch" - Die Kritik  
 

"Hedwig and the angry inch" stand auf dem Spielplan der Halle Kalk des Schauspiels Köln und tout gay Cologne gab sich in einer rotplüschig dekorierten Fabrikhalle einen Touch von Bussi-Bussi. Fast wäre das Stück darüber zur Nebensächlichkeit geraten und das wiederum hätte allen Beteiligten gutgetan.
Die Zutaten des zugegebenermaßen amerikanischen Stückes in seiner Europapremiere in Köln: Kleines Ossikind mit hysterischer Mama liegt im Ostberliner Bombenkrater und träumt vom Westen. Wird vom GI- Bär geheiratet, muß sich dafür ein paar angry inches abmachen lassen. Aus Hansel wird Hedwig. Kommt in den Westen, Scheidung. Trostlose Tuntenshows und Travestie werden zum Lebensunterhalt . Die einzige Liebe wird strotzberühmt und denkt aber nicht mehr an die schöne Zeit zu zweit. Das Drama nimmt seinem Lauf. Darin werden verwurstet: Rosa von Praunheim, Nina Hagen, 1 Hakenkreuz, Republikflucht, 1 blonde Langhaarperücke, ein wenig Judendiskriminierung, Witze über Serben, die Rocky Horror Picture Show sowie jede Menge Saucenbinder von der Sorte Achwassindwirinkölndochfüreinfidelesvölkchen.
Als Koch bzw. Regisseur hat Torsten Fischer diesen Kessel Buntes zu verantworten und man fragt sich, was eigentlich noch alles passieren muß, ehe über die Subventionspolitik für Stadttheater ernsthaft nachgedacht wird. Fischer nimmt jedes technische wie auch dramaturgische Mittel, seien es Dias, Bühnennebel, glamoureuse Showtreppenauftritte, plüschige Saaldeko, Lichteffekte usw. zur Hilfe, dies alles jedoch kann nicht über den dünnen Plot hinwegtäuschen und gerät zu einer technischen Leistungsschau, die hilflos Substanzlosigkeit zu kaschieren versucht.
Einziger wirklicher Lichtblick des Abends bilden die guten bis hervorragenden schauspielerischen Leistungen. Gert Köster als Hedwig zieht sämtliche Register, spielt mal kraftvoll, mal sensibel, gibt die Hedwig respektlos bis versaut und lotet die Facetten dieser Figur bis auf den Grund aus. Seinem Widerpart Anja Laist hätte die Regie mehr Raum geben
müssen, so geht die gute schauspielerische Leistung leider in der Technikorgie und im Halbdunkel unter. Gleiches gilt für die Band "The angry inch", die die einzelnen Songs souverän abliefert und damit zu einer Stütze im Meer der Effekte wird.
Peinlich der Schluß: Von der Bühne wird ob des Happy Ends aufgefordert, die Protagonisten jubelnd zu bewinken. Bis auf wenige Ausnahmen kommt das Publikum der Aufforderung selbstverständlich nach. Denn, nicht wahr, man kennt sich ja.
Das kommt halt davon, wenn man im Theater zu samplen anfängt und es eben kein cross-over, sondern ein nicht mehr durchschaubarer Eintopf wird. Und auch ein schwuler Eintopf wird eben nur durcheinander gekocht.
Frenetischer Applaus. So ist das eben.


Michael Klevenhaus


Das musical online:
http://www.hedwig-cologne.de