"L´Amour Fou - das Phänomen der Cora Frost"  
 
Natalie Hartmanns Erstlingswerk wurde im Rahmen des ROSA SALONS im Neuen Arena Kino München vorgestellt

"Als Natalie und ich uns wegen des geplanten Films zu ersten Gesprächen in einer Eisdiele trafen, sagte ich ihr, daß dieser Ort nicht nur für Interviews gut sei, sondern auch ein Raum, der zum Küssen wie geschaffen sei. Natalie hat sich für das Interview entschieden..." (Cora Frost nach der Erstaufführung vor dem Premierenpublikum)

Längst schon ist Cora Frost der fragwürdigen Kleinkunstkategorie "Geheimtip" entwachsen und steuert mehr und mehr einer Mythenbildung entgegen - einem Mythos, den Fans nur allzugerne enträtseln, kennenlernen, verstehen wollen, ohne indes zu begreifen, daß das Wesen der Mythen aus Geheimnissen, nicht Erklärbarem, aus Emotionen entstehen.

Wer ist Cora Frost? Was macht ihre Faszination aus? Wie lebt sie, was denkt sie, welche Botschaft möchte sie ihrem Publikum mitteilen? Oder ein wenig profaner: "Ist sie nun Lesbe... oder ist sie´s nicht?" All diesen Fragen ist die junge Autorin und Filmemacherin Natalie Hartmann in ihrem ersten Dokumentarfilm nachgegangen. Dabei ist ein Portrait entstanden, das in seiner Intensität seinesgleichen sucht: ganz nah, ganz persönlich, ganz FROST. Mit "L´Amour Fou" ist ihr gelungen, was nur wenige Dokumentarfilmer in dieser Konsequenz umsetzen: in wohltuender Weise hält sich die Filmerin im Hintergrund, führt die ZuschauerInnen mit leichter Hand durch die Welten der Cora Frost, reiht kommentarlos Showausschnitte an Erzählungen von Menschen aus dem Familien- und Freundeskreis der Künstlerin, zeigt Cora mit ihrem langjährigen Bühnenkollegen Gert Thumser und einer buntgewürfelten Kinderschar als Mammi beim Blumenkohlessen, reiht Bild an Bild und ergänzende wie widersinnige Einblicke in die Seele der androgynen Diva. Während man sich zunächst noch der trügerischen Gewißheit hingibt, nun endlich dam Wesen der Frost auf der Spur zu sein, beschleicht einen im weiteren Verlauf immer mehr das Gefühl: hier wird genarrt, wir befinden uns in einem Labyrint voller Spiegel, die Grenzen zwischen Wahrheit und Fiktion werden fließend und schließlich: sie tauschen die Plätze. Es mutet fremd und erfunden an, wenn die Mutter aus Coras Kindheit erzählt. Und wir erleben Wirklichkeit, wenn Frost vom nächtlichen Leben der kleinen Krankenschwester Paula Maus singt, die im Schwesternwohnheim in ihrem Bett verbrennt. In immer neuen Szenen werden die zahlreichen Facetten der Künstlerin enthüllt: vom einfachen bayerischen "Gstanzl", auf der Bühne eines brasilianischen Opernhauses vorgetragen, bis in die Anfänge ihrer Karriere, als sie im Münchner Animierlokal "Cabaret Broadway" als erotische Darstellerin auf der Bühne stand. Und letztlich eine Cora, die mit kindlichem Vergnügen denjenigen, die sie zu ergründen suchen, eine lange Nase dreht... Natalie Hartmanns Verdienst ist es, daß wir - weit entfernt von der ernüchternden Enträtselung dieser Künstlerseele - dennoch einen tiefen Blick werfen dürfen in diese vielfältige Persönlichkeit der Frost.

Franziska Zackaj hatte Gelegenheit, nach der Premiere mit Natalie Hartmann und Cora Fost zu sprechen.

? Natalie - zuerst einmal möchte ich Dir gratulieren: es ist Dir gelungen, mit diesem Film ähnliche Gefühle beim Publikum zu erzeugen, wie man sie nach einer Show von Cora auch empfindet

Natalie: Das ist ja ein riesiges Kompliment - danke!

? Wie fühlst Du Dich nach dieser Premiere?

Natalie: Jetzt ist erstmal eine große Anspannung weg. Die Filmerei hat ja
einige Jahre gedauert, und in dieser Zeit ist eine freundschaftliche Nähe zwischen Cora und mir entstanden, die es mir ermöglicht hat, den
Film so authentisch zu gestalten, daß auch die Zuschauer das
Gefühl haben, der Persönlichkeit Coras sehr nahe zu kommen.

? Was war für Dich die Motivation, einen Film über eine Künstlerin zu
machen, die vor wenigen Jahren ja noch nicht so sehr in der breiten Öffentlichkeit bekannt war?

Natalie: Als ich das erste Mal Coras Programm "So Blau" sah, dachte ich
gleich: "Whow - das ist sie... über die möchte ich einen Film drehen".
Ich hatte damals kein Geld, keine besonderen Erfahrungen mit Filmemachen - aber ich setzte mich sofort hin und schrieb zusammen mit
einem sehr guten Freund gleich ein Exposé, das ich Cora vorlegte.
Ich hatte diese Vision, mit ihr ein Künstlerportrait zu schaffen, in das
ich sozusagen mein Herzblut geben konnte: so nah und echt wie nur
möglich. Das konnte ich aber nur, weil Cora mich mit ihrer Geduld
während der Filmerei unterstützt hat und eben auch die freundschaftliche Nähe zugelassen hat, die für so ein Portrait notwendig
ist.

Cora Frost: Auch für mich war diese Zeit wertvoll - durch die Arbeit mit Natalie hat für mich auch so eine Art Familienzusammenführung stattgefunden, wofür ich sehr dankbar bin!

? Natalie, dieser Film ist von so hoher Qualität, daß man gar nicht glauben mag, daß er dein "Erstling" sein soll...

Natalie: Ich habe da auch eine Menge an Energie und eigenen Mitteln rein-
gesteckt... wenn mir das Geld ausging, habe ich gearbeitet, bis ich
wieder weitermachen konnte, oder ich habe meinen wunderschönen
Schreibtisch verkauft. Und was ich als besonders wichtig empfinde: ich
habe im Verlauf der Dreharbeiten wunderbare Menschen kennenge-
lernt, die mich auf verschiedenste Weise unterstützt haben. Zum einen finanziell wie Jupp Kessel, der mich kaum kannte und mir dennoch
2.500 Mark in die Hand gedrückt hat, die er angeblich von einem
Sponsor für die Kameraarbeiten aufgetrieben hatte... erst viel später
habe ich erfahren, daß er selbst dieses Geld wieder abarbeiten mußte.
Cora, die Anfangs nicht wußte, daß ich "blutige Anfängerin"
war und die, als ich ihr das später beichtete, trotzdem mit Geduld
und Vertrauen dabeiblieb. Oder Stefan Papirnyik, der aus über
25 Stunden Filmmaterial diesen 45-minütigen Endfilm zusammen-
geschnitten hat. Besonders wichtig in der Endphase war Daniela
Osiander: sie hat den Film abgenommen und mich unwahrschein-
lich unterstützt bei allen Vorarbeiten für die Premierenvorführung -
ohne sie hätte ich den ganzen Streß und die Aufregung wohl kaum
so gut durchgestanden!

? Was wünschst Du Dir für die Zukunft?

Natalie: Daß Begegnungen mit Menschen im Rahmen dieser Arbeit zu
bleibenden Freundschaften heranwachsen. Ich will weiter Menschen
kennenlernen, die mich so tief berühren. Und ich will weiter
Dokumentarfilme machen, in die ich mein ganzes Herzblut
stecken kann - zu Themen, die ich nicht suche, sondern die mich finden.

Leider wird dieser Film frühestens ab 2000 als Kaufkassette erhältlich sein: InteressentInnen können sich jedoch gerne telefonisch in eine Bestellliste eintragen lassen: Natalie Hartmann / Virus Film, Tel.: 0172 - 617 25 98.


Franziska Zackaj