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  "Weibliche Homosexualität? - darüber spricht man nicht"
Interview mit Jasmin Tabatabai

Zwei Jahre nach der Geburt ihres Kindes ist Jasmin Tabatabai wieder zurück auf der Leinwand. In dem Spielfilm "Fremde Haut" spielt sie die Rolle der Fariba, die wegen ihrer Homosexualität aus dem Iran fliehen muss und im Schwäbischen landet. Jasmin Tabatabai selber war 12 Jahre alt, als sie zusammen mit ihrer deutschen Mutter und ihren drei Geschwistern von Teheran nach Bayern kam. Im Interview spricht sie über Doppelkultur, Homosexualität im Iran und über die Dreharbeiten zu "Fremde Haut".




Wurdest du für die Rolle gecastet, weil deine Wurzeln im Iran liegen?

Es geht nicht explizit um den Iran in diesem Film. Es geht um eine Frau, die aus einem Land kommt, wo es halt nicht so tolerant zugeht wie bei uns. Das könnte auch der Irak sein, andere arabische Länder und sogar Süditalien oder Südspanien. Es geht einfach um diese Frau, die anders ist und was anderes lebt, als das, was in der Gesellschaft anerkannt ist. Und was faszinierend ist, nicht resigniert, sondern sich gegen ihr Schicksal auflehnt.

In wie weit hast du - gerade mit deinem Wissen um die iranische Kultur - auf das Drehbuch Einfluss genommen?

Ab dem Punkt, wo ich dabei war, habe ich viel Input gegeben. Und mir war es extrem wichtig, dass es von der Mentalität einigermaßen stimmt. Zum Beispiel gibt es in der Drehbuchfassung eine Szene, in der Fariba von einem Grenzbeamten interviewt wird, der fragt, warum sie denn nach Deutschland ausreisen wolle. Und sie so rumdruckst und dann sagt: aus politischen Gründen. Dann fragt er aber nach und dann sagt sie: Ja ok, ich war halt mit Çíner Frau zusammen. Und da habe ich gesagt, das ist UNMÖGLICH, dass eine Iranerin, egal wie modern sie ist, über ihre Sexualität redet und dann noch mit einem fremden Mann und dann auch noch darüber, dass sie homosexuell ist - da ist gar nicht dran zu denken. Der Iran ist ja ein Land, in dem im allgemeinen nicht so über Sexualität gesprochen wird wie hier und im speziellen geht es hier ja auch noch mal um weibliche Sexualität. Und in dieser Kultur haben Frauen sowieso schon mal keine Sexualität zu haben. Die haben nur Männer. Von Anfang an werden Jungs und Mädchen auch komplett anders erzogen. Jungs kommen auf die Welt und dann singt man Lieder darüber "Oh mein Goldpimmelchen, oh wie toll" und dann später gibt man damit an wie viele Freundinnen er schon hatte - also immer irgendwie positiv. Und bei Frauen ist es genau das Gegenteil. Da wird immer gesagt, bedeck dich, schäm dich, schütze deine Jungfräulichkeit, die ja letztlich das einzige ist, was sie haben, um verheiratet werden zu können.

Wie werden Lesben im Iran wahrgenommen?

Ich habe im Vorfeld im Internet recherchiert, um zu erfahren wie die Lesben im Iran so leben, aber ich habe nichts gefunden. Die einzige lesbische Iranerin, mit der ich gesprochen habe, kam über die Regisseurin und die lebt auch schon seit 28 Jahren in Deutschland. Und auch hier erst offen, im Iran war sie verheiratet. Und wenn ich an meine Kindheit denke, habe ich eigentlich immer nur Witze über Schwule gehört. Aber weibliche Homosexualität Ö? Wie gesagt, das ist etwas, worüber nicht gesprochen wird.

Steht auf Homosexualität die Todesstrafe?

Laut Gesetz ja, aber vollzogen wird sie bis jetzt praktisch nur an Männern, weil die weibliche gibtís ja nicht Ö
Aber ich war seit 1987 nicht mehr im Iran. Es ist das Land meiner Kindheit und ich kann auch nur als Außenstehende berichten.

Der Film handelt vom Verlust von Identität und davon als Fremde in einem neuen Land anzukommen. Wie war es damals für dich, als 12-Jährige von Teheran nach Deutschland zu kommen? Hast du dich da auch in "fremder Haut" gefühlt?

Ja, am Anfang sicherlich, weil ich mich unwohl gefühlt habe, einfach fremd. Das hatte aber sicherlich bei mir damit zu tun, dass ich 12 war, vorpubertär und dann ist es sowieso ganz schrecklich, wenn man seinen Freundeskreis zurücklässt. Ich hatte große Anpassungsschwierigkeiten. Klimatisch sowieso. Ich hatte auch einen anderen Entwicklungsstand. Im Iran war ich noch Kind und dann kam ich hier in eine sechste Klasse. Da haben halt alle schon geraucht und rumgeknutscht, was ganz normal ist - aber für mich war das der völlige Schock. Und obwohl ich deutsch sprach, zweisprachig aufgewachsen war, eine deutsche Schule besucht hatte und jedes Jahr in den Ferien in Deutschland war, war es enorm schwer für mich, hier Fuß zu fassen. Deutschland ist ja auch nicht unbedingt das Land, wo man mit offenen Armen Fremde empfängt. Wenn das Eis mal gebrochen ist, dann ist gut. Ich wollte eigentlich die ersten vier, fünf Jahre nur zurück.

Du trägst beide Kulturen, die iranische und die deutsche, in dir. Was würdest du sagen, ist eher der iranische und was der deutsche Anteil in dir?

Ich denke, iranisch ist sicherlich alles in mir, was ums Temperament geht - cholerisch und emotional aus mir rauszugehen. Das ist sicherlich etwas, was Iranern zugeschrieben wird. Dann habe ich natürlich auch deutsche Seiten, auf die ich sehr viel Wert lege. Eine bestimme Zuverlässigkeit, eine bestimmte Ernsthaftigkeit. Und ich mag auch die deutsche Sprache sehr gerne.

Obwohl Fariba/Siamak in dem Film nicht so temperamentvoll und überschäumend sonder eher zurückhaltend rüberkommt Ö

Das hat den Grund, dass sie sich nicht verraten darf und deswegen auch wenig spricht. Und dann gibt es natürlich auch die große melancholische Seite bei den Iranern.

Was hat dich daran gereizt, die Rolle von Fariba/Siamak zu spielen?

Das ist eine klassische Hosenrolle. Das ist die totale Herausforderung, dass man eine absolute Fremdfigur spielen muss. Aber für mich war einfach die Figur sehr spannend, diese Zerrissenheit, der Überlebensdrang, dass sie nicht aufgibt. Fariba ist ja wahnsinnig zäh, und so etwas ist immer spannend für mich. Gerade bei Frauenrollen, die ja traditionell eher mit Opfergeschichten besetzt sind und meistens dann auch resignieren. Und gerade für mein Alter sind gute Frauenrollen eher dünn gesät.

Wie hast du dich auf deine männliche Rolle vorbereitet? Gerade auch, weil sie ziemlich detailgenau auf den Verkleidungsritus eingeht: Brust abbinden, Hemd zuknöpfen damit man den Adamsapfel nicht sieht, Bart stylen, Gang, Habitus - alles Dinge, die man in einem Drag-King-Workshop erlernen kann.

Ich könnte jetzt ja Legendenbildung machen. Es wäre wahrscheinlich schlauer ich könnte jetzt sagen "Ich habe als Drag King gelebt und so weiter". Aber es ist ganz einfach. Ich habe einen Bruder, der ist ein Jahr älter, und im Prinzip habe ich einfach den kopiert und ein bisschen meinen Vater. Obwohl die Regisseurin mich manchmal korrigieren musste, wenn ich zu weiblich war. Dann kamen wir darauf, dass Männer einen fester ansehen, wenn sie sprechen, weniger mit dem Blick ausweichen als wir Frauen es tun. Und es funktioniert. Sobald du fester guckst, wirkst du männlicher.
Aber die Rolle war eine uneitle Rolle, denn mir die Haare abzuschneiden, war schon ein großes Opfer für mich. Ich bin ein richtiges Hippiekind.

Die Regisseurin Angelina Maccarone hat sechs Jahre für den Film recherchiert. Wie lange hast du daran gearbeitet?

Also ich bin zwei Jahre dabei gewesen. Habe immer wieder rumgemeckert an dem Buch, wir haben uns viel zu Proben getroffen, viele Probeaufnahmen gemacht, viel improvisiert. Es ist immer gut, wenn Schauspieler so früh zu einem Film kommen. Man beschäftigt sich zwei Jahre lang mit dieser Person und einem wird die Rolle immer mehr auf den Leib geschrieben.

Was waren für dich die schwierigsten Momente und die schönsten Momente im Film?

Was ich allgemein immer wahnsinnig schwierig finde, weil es anstrengend ist, sind sind Heulszenen, wenn jemand begraben wird oder wenn du einen Toten findest. Das finde ich wahnsinnig unangenehm, weil man sich ja da reinbegeben muss und das macht ja kein Mensch gerne. Und das kostet sehr viel Energie. Und ich hatte fast jeden Tag eine superdramatische Szene zu drehen. Was ich sehr schön finde, sind die Szenen zwischen Anneke und mir. Und es war sehr fraglich, ob wir das hinbekommen würden, zumal wir uns bei den Proben eigentlich überhaupt nicht verstanden haben. Aber das ist jetzt wieder das Tolle, denn ich habe selten in meinem Leben mit so einer begabten Kollegin gespielt. Und man muss nicht unbedingt beste Freunde sein, um trotzdem gut zusammen spielen zu können. Sie ist einfach eine ganz tolle Schauspielerin. Man muss ihr nur in die Augen gucken und reagieren, denn es ist alles wahrhaftig, was sie macht. Das ist für mich besonders spannend an dem Film, wie sich das mit uns entwickelt.

Dagmar Trüpschuch




Fremde Haut
Von Angelina Maccarone
Mit Jasmin Tabatabai und Anneke Kim Sarnau
BRD, 2005
Deutsch/Farsi mit Untertiteln
Filmstart 20.10.05

Queerfestivals:
Esslingen: Mo. 3.10. 05 um 19 Uhr und Fr. 7.10.05 um 17 Uhr
Hannover: Sa. 29.10.05 um 19 Uhr mit Angelina Maccerone




Mehr zum Film:
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Filmbesprechung
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Interview mit Regisseurin Angelina Maccarone
 

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