KATHARINA FRANCK

 
   
  Für immer wird ihr Name mit der erfolgreichen deutschen Band "Rainbirds" und dem Megahit "Blueprint" verbunden bleiben. Doch von diesem Pop-Image entfernte sich Katharina Franck weit. Seit Jahren beweist sie, dass ihr musikalischer Horizont viel größer ist. Mit den CDs "Hunger" und "Bei unserer Lebensweise ist es sehr angenehm, lange im voraus zu einer Party eingeladen zu werden" (beide bei Sans Soleil) liegen bereits zwei hörspielartige Klang- und Textcollagen vor, die sie zusammen mit der Theater- und Filmmusik-Komponistin Ulrike Haage, auch eine Ex-Rainbird, veröffentlichte.

Katharina Francks neuestes Werk mit dem Titel "Zeitlupenkino" ist wieder keine Pop-Platte im Stil der Rainbirds: laut ihrer eigenen Definition sind es "gesprochene Popsongs".

Die Sängerin und Gitarristin Katharina Franck schreibt Gedichte, die sich nicht reimen; atmosphärische Kurzgeschichten und ungewöhnliche Wortspiele: "Es sind ja teilweise richtige Kurzgeschichten. Ich bezeichne auch die, die eher wie Gedichte wirken, als Kurzgeschichten. Wenn ich mich konzentrieren kann, schreibe ich so einen Text an einem Tag. Nur den "New York City Marathon", da hatte ich Notizen, Tagesabläufe mehr oder weniger; und den habe ich dann zu diesem zwar nicht kurzem, aber doch eben komprimierten Text zusammengeschrieben, durch Streichungen eigentlich."
Ihre experimentelle Lyrik, die sich mit Alltagserfahrungen, Reisen, Sehnsucht und der Suche beschäftigt, könnten tiefe autobiographische Innenansichten sein, aber: "Das handelt nicht immer nur von mir. Ich denke mir auch Personen aus, die nicht ich sind. Also ich schlüpfe dann auch nicht in andere Rollen, sondern lasse die auch so sein, wie sie sind. Das ist auch ein Spaß am Schreiben, sich Leute auszudenken - oder sich einen Charakter auszudenken - und die mit Leben zu füllen. Oder mit einem Charakter erstmal auszustatten."
Die bildgewaltigen Texte beeindrucken schon auf Papier (siehe Lyrikseite lespress Mai 2002), "aber es macht Spaß, Musik dazu zu machen. Wir haben wirklich diese Texte vertont, als Songs, als Popsongs eben."
Zusammen mit den Musikern Yoyo Röhm, Bassist und Gitarrist, und Thomas Stern, Bassist und Toningenieur, schuf Katharina Franck musikalisch abwechslungsreiche Sequenzen, oft mit treibenden Grooves, die weit über einsame Computertüfteleien hinausgehen: "Ich habe fast alle Gitarren und viel Klavier gespielt, ich habe viel von den Atmosphären gesammelt - aber das ganze ist eine Teamarbeit. "Den Fluss hinunter" würde ich als reines Yoyo Röhm-Stück bezeichnen, obwohl man sich in irgendeiner Form ja immer einmischt. Der Soundtrack zu "15 Minuten" ist ein Thomas Stern-Stück, aber auch das bleibt nicht pur. Es werden immer wieder neue Ideen angebracht. Und dann nimmt einer das und zerhackt es wieder in tausend Stücke, oder er spielt noch etwas dazu. So funktioniert das."

Über einen längeren Zeitraum hinweg entstand so das Album "Zeitlupenkino". Nicht gerade wie in Zeitlupe (manchmal eher wie im Sauseschritt) ziehen die von Katharina Franck kreierten Bilder und Gedankenströme vorbei und erzeugen bei der Hörerin, die sich darauf einlässt, ein Kino im Kopf. Texte und Töne verbinden sich zu einer Symbiose.
Einer einfachen Deutung widersetzen sich einige der Wortspielereien, die manchmal nur um des Klanges willen aneinandergereiht scheinen: "Diese Texte jetzt einzeln zu sezieren, ist sowieso keine gute Idee." In "Hudson Bay" erzählt Katharina Franck von einer Geburt und einem Baby, das sie in die Seine wirft, von Schiffen, Flüssen und von Katzenjungen: "Was will ich damit aussagen? Oh Mamma mia. Diese ganze künstlerische Arbeit, so wie ich sie zumindest mache, sei es das Schreiben von Texten oder das Schreiben von Songs, das setze ich nicht mit einer Geburt gleich, aber ich betrachte diese ganzen Dinge als etwas, was sich aus mir heraus entwickelt. Das ist auch wirklich ein Talent, was ich sehr schätze. Es haben die tollsten Musiker zum Teil nicht, dass sie wirklich nur dasitzen wie so eine Kartoffel, und plötzlich fällt ihnen was ein und dann setzen sie das um. Das ist etwas, was mich sehr durchdringt, und für mich ist es wichtig, diese Sachen herauskommen zu lassen."

Die Selfmade-Musikerin Katharina Franck wuchs in Portugal, Brasilien und Deutschland auf. Seit vielen Jahren lebt sie in Berlin: "In Berlin fühle ich mich wirklich zuhause. Woanders möchte ich nicht leben, jedenfalls nicht jetzt. Ich bin ja sowieso immer viel unterwegs." Sie jagt atemlos, doch immer sehr akzentuiert in ihrem rhythmischen Vortrag, um den ganzen Globus: von Guadeloupe nach Dinkelsbühl, im "New York City Marathon" in zehn Minuten durch die ganze Stadt und dann "den Fluss hinunter und hinaus aufs offene Meer". Viele ihrer Kurzgeschichten drehen sich um dieses Unterwegs-Sein, um die Suche nach einer Heimat: "Aber wo bin ich zuhause? Wo verknurpseln sich meine Fasern und Gewürzstrünke? Wo bin ich und knurre weise Worte, die ich selber glauben mag?" (Aus: Brief nach Merzouga - oder die Reise ans Ende meiner Welt)

Lesbische Liebesgeschichten sind fester Bestandteil in Katharina Francks Welt. Was die Öffentlichkeit in Form von Plattenkäufern und Medien dazu denken könnte, interessiert sie nicht sonderlich.

Das Album "Zeitlupenkino" ist ein Muss für alle Katharina Franck-Fans und ein genreübergreifendes Album für alle Liebhaber popmoderner Sprachspielereien. Und: eine kleine Enttäuschung für alle, die wieder mal die modulationsfähige ausdrucksstarke Gesangsstimme der Rainbirds-Frontfrau hören wollen, denn Gesang kommt reichlich kurz.

Katharina Francks letztes Gesangsprojekt war die 2001er Zusammenarbeit mit dem brasilianischen Duo Rosanna & Zélia, die für sich eine eigene Art Worldjazz, kombiniert mit den Rhythmen ihrer Heimat, erfunden haben, zu dem sie sehr lyrische Texte schreiben. Im Proberaum entwickelten Rosanna & Zélia und Katharina Franck gemeinsam die Neubearbeitungen auf der Basis ihres jeweiligen Repertoires. Den Rainbirds-Klassiker "Blueprint" veredelten sie z.B. mit einem Marakatú-Rhythmus. Auf der Bühne boten die drei Musikerinnen, unterstützt von Angela Frontera am Schlagzeug, eine überaus gelungene Weltmusik-Mischung und eine mitreißende Show mit tief emotionalen Momenten. Mit den in Deutschland lebenden Brasilianerinnen hält Katharina Franck weiterhin regen Kontakt.

Irene Hummel
 
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