Gendermainstreaming, Teil 3  
  Gender Mainstreaming + öffentliche Gelder
= Gender Budgeting
 
  Das Konzept gender mainstreaming wurde bereits im Januar- und im Märzheft der lespress vorgestellt.
"Gender", das meint im Gegensatz zu "sex" die sozial erlernte Geschlechtsrolle.
Gender mainstreaming strebt an, in allen gesellschaftlichen Bereichen und Institutionen bei Entscheidungen nach den Auswirkungen auf Frauen und Männer zu fragen und auf deren Gleichstellung hinzuarbeiten.
Gender budgeting (GB) ist ein Konzept mit ähnlichen Zielen, das direkt an den öffentlichen Geldtöpfen ansetzt.
 
  Es gibt keine geschlechtsneutrale Haushaltspolitik! Dies ist das grundsätzliche Credo der GB Aktivistinnen. Alle finanzpolitischen Entscheidungen im Rahmen von Budgets (= Haushaltsplänen) auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene müssen auch unter dem Genderblickwinkel betrachtet werden. Theoretisch geht der Anspruch auf finanzielle Mittel also weit über kümmerliche Geldflüsse in spezielle Frauenförderbereiche hinaus. Dies stellt zunächst eine statistische Herausforderung dar. Ein wichtiges Ergebnis wird meist schon darin liegen, festzustellen, daß Haushaltsdaten bisher ungenügend nach Geschlechtern aufbereitet werden. Außerdem ist eine öffentlich gemachte Genderanalyse eine Chance, mehr Frauen an der Debatte um trockene Haushaltsaufstellungen zu beteiligen.
Kein einheitliches Konzept
Seit der Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking hat die theoretische Debatte um GB enorm zugenommen. Wie die praktische Umsetzung aber genau aussehen soll, ist weitaus unklarer. Folgende zentralen fünf Punkte werden oft als Hilfe zur praktischen Anwen-dung genannt:
Erstens soll analysiert werden, ob mehr Frauen oder Männer einen Nutzen aus den vorgesehenen Ausgaben ziehen. Wer profitiert von Beschäftigungseffekten oder z.B. der Sportförderung? Wen betref-fen Kürzungen? Zweitens soll auch die Einnahmenseite betrachtet werden. Wieviel direkte (z.B. Einkommenssteuer) und indirekte Steuern (z.B. Mehrwertsteuer) zahlen Frauen und Männer im Ver-hältnis zu ihrem Einkommen? Vermutet wird, daß bei Frauen indi-rekte Steuern eine größere Rolle spielen. Wenn dann noch unbezahlte Hausarbeit als Quasi-Steuerzahlung bewertet wird, wie ebenfalls vorgeschlagen, könnte frau daraus niedrigere Steuern oder auch größere Ansprüche ableiten. Dieser Ansatz ist aber nicht ungefährlich. Ansprüche und Bedürfnisse gesellschaftlicher Gruppen sind immer politische Verteilungsfragen und sollten nicht nur nach finanziellen Beiträgen bemessen werden. Drittens sollen im Rah-men von GB beide Geschlechter ihre Wünsche an öffentliche Geld-flüsse gleichberechtigt formulieren. Gedacht ist dies als partizipato-rischer Politikansatz, der auch auf andere gesellschaftliche Gruppen ausgeweitet werden kann. Sichtbar gemacht werden unterschiedli-che Bedürfnisse z.B. anhand von Mobilitätsstudien. Der typisch "männliche" Weg von Zuhause zur Arbeit und zurück unterscheidet sich von den vielfältigen Wegen zwischen Arbeit, Kindergarten, Schule, Einkaufen etc., die typischerweise Frauen zugeschrieben werden. Viertens soll im Rahmen von GB mitbedacht werden, ob eine Haushaltsentscheidung Geschlechterungleichheiten befördert oder verringert. Einerseits werden Frauen und Männer also in ihrer jeweiligen Lebensrealität abgeholt und Bedürfnisse erfragt, die bis-her zu kurz kamen. Andererseits wird eine Veränderung von Ge-schlechterrollen angestrebt. Daran wird deutlich, daß GB keine klaren Handlungsanweisungen gibt und politische Entscheidungen nicht ersetzt oder automatisch besser macht. Genauso wenig wie es Frauenförderung (und gegebenenfalls auch Männerförderung) als hinfällig erklärt.
Träumen erlaubt
Eine Verbindung zur feministischen Ökonomie stellt schließlich der fünfte Punkt her. Dieser fordert, Zusammenhänge zwischen Budge-tentscheidungen und der Höhe sowie der geschlechtsspezifischen Verteilung reproduktiver Arbeit zu bedenken. Eine grundsätzliche Kritik feministischer Ökonomie besagt, daß die aktuellen Modelle der Wirtschaftswissenschaft zu einseitigen und falschen Schlüssen kommen, weil der reproduktive Teil der Wirtschaft ausgeblendet wird. Dieser wird weltweit überwiegend von Frauen erbracht. Dazu zählen Hausarbeit, Pflege, Kindererziehung, Altenbetreuung und alle gering oder gar nicht bezahlten Tätigkeiten, die der Erhaltung und Wiederherstellung der (bezahlten) Arbeitskraft dienen. Budgetkürzungen im sozialen Bereich können z.B. mehr unbezahlte Arbeit zu Hause bedeuten. Auch der schon genannte Vorschlag, diese Arbeit als Steuerzahlung zu werten, könnte diesen Teil der Wirtschaft zumindest sichtbar machen. Auf nationaler Ebene gibt es diesbezüglich schon lange die Forderung, reproduktive Arbeit zum Bruttosozialprodukt hinzuzurechnen. Wie hoch die Erwartun-gen an eine Umverteilung von Geld und Arbeit zwischen den Ge-schlechtern sein können, zeigt ein Zitat aus einer aktuellen Bro-schüre zum Thema GB: "Wenn Ökonomie, Arbeit, Geld und Ressourcen und Entscheidungsvorgänge in den Händen beider Ge-schlechter gerecht verteilt genutzt werden, wird das traditionell dualistisch angelegte Konstrukt der Heterosexualität und der Zwei-geschlechtlichkeit seine hierarchie- und machtbildende Kraft verlie-ren. Die wichtigste Funktion der Zwei-Teilung der Geschlechter ist die ökonomische Unterdrückung des einen durch das andere."(1) Solche Aussichten brächten wohl auch die queere Community zum Träumen.

Internationalität des Konzeptes
In Deutschland ist GB noch nicht sehr weit verbreitet, obwohl die europäischen Finanzminister sich verpflichtet haben, GB bis 2015 einzuführen. Seit Mai 2001 gibt es in Berlin die "Initiative für eine geschlechtergerechte Haushaltsführung" und GB ist im rot-roten Koalitionsvertrag enthalten. Als erstes Ergebnis wurden in einigen Bereichen gendersensible Analysen beschlossen. Weltweit jedoch hat in den letzten Jahren eine rasche Verbreitung von GB stattgefunden, das auch durch unifem (2) unterstützt wird. 2002 gab es in ca. 40 Ländern Bestrebungen, GB einzuführen. Ein Blick in die womenís budgets der 80er- und 90er-Jahre im Pionierland Australien zeigt allerdings, daß diese überwiegend in einer Aufzählung besonderer Frauenfördermaßnahmen bestehen. In vielen Ländern des Südens ist GB jedoch ein Instrument, das große Hoffnungen weckt. Es wird als ein zentrales Mittel zur Armutsbekämpfung verstanden und hat z.B. in Südafrika sichtbare Erfolge gebracht. Die Stärkung der Frauen gerade auf dem Land steht nach neueren Erkenntnissen in direktem Zusammenhang mit der Abnahme von Armut. Wenn Frauen eine starke Position haben, heißt dies oft, daß die Ernährung und Bildung der Kinder gesichert sind, eine zusätzliche Einkom-mensquelle vorhanden ist oder die alleinige Ernährerin der Familie durchhalten kann.
Fazit
Eine konsequente Durchführung von GB würde zunächst mehr Licht ins Genderdunkel öffentlicher Haushaltspläne bringen. Selbstverständliche männliche Besitzstände schon an der Geld-quelle konsequent zu hinterfragen, könnte durchaus eine kleine Revolution an den Geldtöpfen bedeuten. Vermutlich würde mehr Geld in Frauen- und damit auch in Lesbenhänden landen. Falls es außerdem gelänge, Tätigkeiten, die bisher überwiegend von gering oder gar nicht bezahlten Frauen ausgeübt werden, aufzuwerten, würde dies sicher ökonomische Prioritäten und Geschlechterrollen verschieben. Wie gesagt, Träumen ist erlaubt. Tatsächlich stehen den theoretischen Konzepten zum Thema GB noch zu wenige umfassende praktische Ergebnisse beiseite. In Deutschland wird in den öffentlichen Haushalten im Moment außerdem überwiegend das Sparen verwaltet. GB könnte einen Beitrag leisten, bisherige Errungenschaften der Frauenförderung zu erhalten, Gelder umzuverteilen und zu bewirken, daß Kürzungen nicht überwiegend auf dem Rük-ken von Frauen verordnet werden. Dennoch, GB bleibt nur ein Hilfsmittel zur Analyse. Politische Entscheidungen sind ausschlaggebend.
(1)Gender Budget, hrsg. von der Petra-Kelly-Stiftung,
Kommunalpolitische Schriftenreihe Nr.8, Sept.2002, S. 22,
info@petra-kelly-stiftung.de
(2) unifem (United Nations Development Fund for Women)

http://www.glow-boell.de/home/content/d/about_us/FI_deutsch/Dokumentationen/Genderbudget (Konferenzdoku )
http://www.undp.org/poverty/events/bud_program.htm(Workshop) http://www.unifem.undp.org/gender_budgets/
http://www.thecommonwealth.org/gender
http://www.gender-budgets.org
http://www.gender.de/budgets (Berliner Initiative)

Zur Autorin:
Gudrun Fertig, Jahrgang 1969,
Dipl.-Volkswirtin mit Hang zur feministischen Ökonomie,
arbeitet als Buchhalterin und als freie Journalistin.
 
  Teil 1 lesenGender mainstreaming, Teil 1  
  Teil 1 lesenGender mainstreaming, Teil 2  
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