|
||
Orgas der anderen Art gefragt |
||
---|---|---|
Eigentlich wollte
ich heute über Orgasmen der anderen Art reden. Dann fiel mir auf, daß
ich gar kein Sexualleben habe, daher möchte ich Sie nicht mit hilflosen Spekulationen
langweilen. Als Thema dieser Kolumne muß nun die Orga als strukturierendes
Prinzip für Großveranstaltungen herhalten. Und welche Großveranstaltung
ist gerade in der Mache und schon so gut wie ins Verderben geführt, weil einige
Lesben immer noch nicht Nachhilfe in Demokratie genommen haben? Richtig. Das Lesbenfrühlingstreffen
2001. Nachdem die Homepage www.lesbenfruehling.de nun steht und das Orgateam schon
fleißig Ausgrenzungsstrategien übt, möchte ich einmal an all jene
Damen appellieren, denen keine Labrys in der Großhirnrinde steckt. Daß
das LFT eine Langzeitparty mit aphrodisierendem Effekt sein könnte, habe ich
zu hoffen aufgegeben. Auch intellektuelle Erleuchtungen von einem Fest zu erwarten
auf dem mit Büchern herumgeworfen wird, habe ich mir abgeschminkt. Aber ich
wehre mich dagegen, zu glauben, daß sich auf der größten tribadischen
Festivität des Jahres Lesben versammeln, um mit ihrer hartnäckigen Verneinung
demokratischer Strukturen beinahe schon sozialdarwinistische Praktiken zu kultivieren.
Waren es anfangs noch die S/M-Lesben, die eins auf die Rübe bekamen weil sie
gewalttätig sind (schon mal was von gegenseitigem Einverständnis gehört?),
wurden später alleinerziehende Lesben rausgeekelt, die mit ihren männlichen
Abkömmlingen das Fest besuchen wollten. Und Bi-Frauen sind tabu, weil sie die
Lesbenschaft daran erinnern, daß es männliche Vertreter des Homo Sapiens
gibt, die man unter Umständen sogar attraktiv finden könnte. Ferner wird
dieses Jahr wieder darauf hingewiesen, daß Mann-zu-Frau-Transsexuelle willkommen
sind, aber bitte nur mit abgeschlossener Operation. Ich frage mich ganz besorgt,
ob das von Türsteherinnen aus der Bodybuilderinnengilde vor Ort überprüft
wird. Als Rechtfertigung der selbstgefälligen Orga darf dann das Argument gewaltfreier
Räume herhalten, nur hat sich bis heute niemand die Mühe gemacht, mir zu
erklären, wieso ein Raum ohne männliche Genitalien als gewaltfrei deklariert
werden darf. Was schlechthin als Orgamoral gilt, ist zutiefst gewalttätig. Menschen
auszugrenzen, die ebenso der Diskriminierung ausgeliefert sind wie Lesben, ist nicht
nur dumm, sondern auch infam. Allerdings stellt das LFT-Personal jedes Jahr wieder
unter Beweis, daß es zu Besserem nicht fähig ist. Bleibt zu hoffen, dass
die Orga künftig von Lesben unterwandert wird, die nicht nur Sinn und Verstand,
sondern auch Freude am Leben und Feiern haben. Dazu müßte man aber das
Idealbild der unbefleckten Überlesbe aufgeben. Heute oute ich mich feierlich
als Unterlesbe. Ich mag Männer, ich kenne Bi's, ich verhaue auch mal gern meine
Freundin. Wenn ich einen Sohn hätte, würde ich ihn nicht zwingen ein Tütü
zu tragen, und wenn ich zum LFT gehe, dann nur um mit einem "Ich muß leider
draußen bleiben"-Schild auf der Stirn zu protestieren. LFT - Was nun? Obsidia |
||
-> Reaktion in lespress 04/2001 | ||