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Haben Sie
sich auch am Dienstag, dem 27. April die Bild-Zeitung gekauft?
Natürlich oder? Wir wurden ja auch nicht enttäuscht. Fast alles drin in
dem Aufmacher, was zu einen Bildzeitungsartikel gehört: bunte Bilder, haufenweise
Klischees und unterschwellige Beleidigungen und Vortäuschung falscher Tatsachen.
Wunderbar! Nur eines fehlte: der Neuigkeitswert, aber macht ja nichts.
Vielleicht wußten ja wirklich einige heterosexuelle MitbürgerInnen außerhalb
Zeitungs-, Fernseh- und Homoszene noch nicht, daß Ulrike Folkerts lesbisch
ist. Den Kölner Express oder den Stern durften diese Menschen dann aber auch
nicht vorher gelesen haben, hatte doch die Kölner Boulevardzeitung die Ankündigung
des schwul-lesbischen Grand Prix mit "Ulrike Folkerts outet sich" überschrieben.
Der Stern hingegen in seinem Porträt "Die Schwierige" dezent mit einem
Nebensatz auf Folkerts Homosexualität hingewiesen. Die Bildzeitung kam also
eigentlich zwei Wochen zu spät, machte ihren Rückstand aber in Null komma
nix wett, indem sie eine Vorabmeldung rauschickte, die sich am nächsten morgen
auch noch in dem hinterletzten Provinzblatt wieder fand.
So erfindet man Neuigkeiten: Ob Kieler Nachrichten oder Offenburger Tageblatt, überall
fand sich die Überschrift: "Ja, ich liebe Frauen". Die Bild selbst
hatte natürlich noch weit mehr zu bieten. Wir haben erfahren, wo die Schauspielerin
wohnt und welche Haustiere sie hat, ein Foto vom Berliner Christopher Street Day
mit Begleiterinnen war als Schmankerl dabei. Außerdem natürlich das, wovon
Bild denkt, das es Volkes Meinung über Lesben ist.
Unter den Kommentaren von Prominenten und Nicht-Prominenten zu Folkerts Coming Out
findet sich auch der eines Kraftfahrers, der jetzt endlich wußte, warum er
sie noch nie gemocht hat: weil sie lesbisch ist. Aha!
Unter der Überschrift auf Seite 9 "Ich sollte ein Junge werden", wurde
uns gezeigt erklärt, wie eine Lesbe "gemacht" wird: Das Kind wird
Ulrike genannt, damit man es Uli rufen kann und "Uli" muß natürlich
aus der Rolle fallen. Dumm an der ganzen Geschichte war nur, daß Bild nie mit
Ulrike Folkerts gesprochen hatte, wie die seriöse Berliner Zeitung am nächsten
Tag petzte.
Trotzdem schlug am Mittwoch auch die große Stunde des Hauptstadtblättchens
B.Z. Mit der Boulevardblättern eigenen Doppelmoral warf sie der Bildzeitung
vor, Ulrike Folkerts Idylle zerstört zu haben, um dann alle Details zu wiederholen.
Haus in Köpenick, 1 Hund, zwei Katzen, Namen des Ladens, den ihre Lebensgefährtin
betreibt. Auch das Foto vom CSD druckt sie wieder ab, noch dazu mit dem Zusatz, welche
der beiden Begleiterinnen die Lebensgefährtin ist (rechts!).
Dank Bild fand sich das angebliche Coming out der Tatort Kommissarin nun auch wöchentlich
erscheinenden Zeitschriften wieder, u.a. im Spiegel und in der Freizeit Revue. Und
selbstverständlich auch in der Bunten, die in unseren Kreisen bis jetzt nicht
gerade als lesben- und schwulenfreundlich aufgefallen war. Aber der Artikel war positiv,
die Fotos geil. Auch ein Bild vom CSD war wieder dabei und sorgte für Verwirrung.
Es war nur eine weitere Frau zu sehen, die als Lebensgefährtin bezeichnet wurde,
nämlich die links. Sollte die Illustrierte doch nicht so gut informiert gewesen
sein, wie sie in dem Artikel vorgab oder hatte sich die B.Z. verhauen?
Vielleicht kommt Bild ja demnächst mit einer neuen Neuigkeit auf den Markt:
"Die Lebensgefährtin erzählt" oder so. Bild, bitte melden!
Madrugada
lespress 06/1999 |
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