Was tun wennís brennt?
Eine Geschichte über Frauen, Feuer und Film
 
  Die Filmemacherin Stefanie Jordan hat schon viele Auszeichnungen für ihre Filme erhalten, doch erst der Juliane-Bartel-Preis, der ihr Ende September verliehen wurde, war mit einem kleinen Geldsegen verbunden. Der niedersächsische FrauenMedienPreis wurde der Wahlberlinerin für ihre Dokumentation über sechs Feuerwehrfrauen in San Fransisco "Some real heat" verliehen. Der Preis, der nach der 1998 verstorbenen Journalistin Juliane Bartel benannt wurde, ist mit jeweils 4000 Euro dotiert und wird engagierten FilmemacherInnen verliehen, die ein differenziertes und gleichberechtigtes Frauenbild in den Medien kommunizieren und dazu beitragen, dass stereotype Geschlechterklischees aufgebrochen werden.

"Ich zerschlage lieber Klischees, als dass ich neue aufbaue", erzählt Stefanie Jordan, wenn sie über ihre Arbeit spricht. Mit ihrer Dokumentation "Some real heat" tritt sie den Beweis an, denn der Stoff, aus dem die Feuerwehrträume sind, hätte genügend hergegeben, um einen reißerischen Film über superstarke Frauen zu drehen, die sich in einer Männerwelt behaupten und täglich den Kampf um Leben und Tod aufnehmen. Stefanie Jordan jedoch zeigt keine sensationsheischenden Aufnahmen von lodernden Flammen, aufgeregtem Blaulicht und abenteuerlustigen Frauen. Sie geht tiefer und lässt Frauen zu Wort kommen, die sich in keine Schublade stecken lassen, die so unterschiedlich sind, wie Frauen einfach sind: schwarz, weiß, heterosexuell oder lesbisch. "Du bist bei der Feuerwehr? Aber ñ du bist doch hübsch", erzählt Feuerwehrfrau Connie über die gängigen Vorurteile.
Stefanie Jordan hat diese Frauen sowohl in ihrem Arbeitsumfeld als auch privat gefilmt und interviewt. Eindrucksvoll schwärmt Connie von ihrem "really good axe-moment", Allison figuriert ihren ersten Feuereinsatz mimisch und mit Stimmakrobatik untermalt und Heather bekennt, dass sie ein "chain-saw-lover"ist.

Die Kettensäge würde auch Stefanie Jordan als ihr "Lieblingswerkzeug" bezeichnen. Bekanntschaft mit der Powermaschine hat sie in ihrer Zeit in Kalifornien gemacht.
Bei einer Reise in die Staaten Mitte der 80er Jahre blieb sie in San Francisco hängen und es sollte vier Jahre dauern, bis sie sich auf den Weg zurück nach Berlin machte, die Stadt, in der sie ihr Studium über Altamerikanistik an den Nagel gehängt hatte, um in die weite Welt zu ziehen.
Jobmäßig hielt sie sich mit Baumbeschneidungen über Wasser und machte später ñ als zweite Frau in diesem Berufszweig überhaupt ñ die Ausbildung zur "tree-trimmerin". Die Voraussetzungen zur Bewerbung waren mehr als außergewöhnlich: Künstlerin sollte sie sein ñ denn wer einen Baum nicht hören kann, kann ihn auch nicht beschneiden ñ und mit einem Arm einen Klimmzug sollte sie machen können. Die damals 22-Jährige stellte eine Arbeitsmappe mit ihren Zeichnungen zusammen, übte und übte den einhändigen Klimmzug ñ und arbeitete fortan hoch in den Baumkronen mit ihrer Kettensäge.

In San Fransisco entdeckte Stefanie Jordan auch die Leidenschaft fürs Filmen. Anfangs mit experimentellen Einzelbildern auf Super 8, dann mit ersten Trickfilmsequenzen, unbedarft, so als würde sie das Rad neu erfinden, erzählt sie. Fachliches Wissen eignete sie sich als Gasthörerin am San Francisco Art Institute und an der S.F. State University an.
Wieder zurück in Berlin studierte Stefanie Jordan Trickfilm an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam/Babelsberg. Und gleich ihre Abschlussarbeit, der animierte Film "Late at night", den sie mit zwei Kommilitoninnen drehte, hatte internationalen Erfolg und wurde auf der Berlinale 1997 mit dem silbernen Bären ausgezeichnet.

Wie die Feuerwehrfrauen, die in ihrer Kindheit berufsferne Wünsche wie Rennfahrerin, Stewardess oder Fußballspielerin hatten, hegte Stefanie Jordan, die 1965 in Mannheim geboren wurde, den Wunsch Architektin oder Archäologin zu werden. Doch auf ähnlich verschlungenen Wegen, wie die Damen zum Feuer, kam Stefanie Jordan zum Film. Zeichnen und Malen waren immer schon ihre Hobbies und so lag es nahe, ihre grafischen Arbeiten mit Einzelbildtechniken zu kombinieren und in den Trickfilmbereich einzusteigen. Der Trickfilm "Late at night" ist eine Symbiose aus Malerei, Licht- und Schattenbewegung, Musik und Formen. Allein an den 2500 Bilder haben die drei Frauen zwei Jahre gemalt und nochmals 2-3 Wochen gebraucht, jedes einzelne mit der Trickfilmkamera aufzunehmen ñ für eine Filmlänge von vier Minuten und 20 Sekunden.

In der Zwischenzeit hatte Stefanie Jordans Freundin Allison in San Fransisco nach jahrelangem Job-Hopping bei der Feuerwehr ihre berufliche Heimat gefunden. "Allison rief mich oft an und erzählte von ihren ersten Einsätzen und Erfahrungen", erzählt Stefanie Jordan. Schnell erkannte sie das Potenzial, das in diesen Geschichten lag, fühlte sich als Trickfilmerin aber nicht dazu berufen, den Stoff zu verfilmen. Aber eine Frau, die es reizt in ihren Arbeiten Stereotypen zu brechen und Frauen in Vorbilderfunktionen zu zeigen, konnte das Thema über Frauen in der Berufsfeuerwehr nicht kalt lassen.
Von der Idee zur Realisation war es jedoch ein weiter Weg. Niemanden auf der Geldgeberseite interessierte das Thema. Stefanie Jordan wollte ihre Pläne schon aufgeben, als die Künstlerinnenförderung ihr einen Startbetrag von 6000 Euro zusicherte. "Sicherlich nicht genug, um einen Film zu drehen", erzählt sie. "Aber für mich war es die Initialzündung einfach weiterzumachen."
Letztendlich erhielt sie noch Unterstützung vom dänischen und niederländischen Fernsehen und schoss aus privaten Mitteln mehr als 50 % hinzu. "Das gab mir aber alle künstlerische Freiheit, über meinen Film selber zu bestimmen", sagt die Produzentin, Regisseurin und Kamerafrau ihres eigenen Films. "Leider hat der Film, trotz vieler Preise ñ u.a. die Eurola für den besten Dokumentarfilm im letzten Jahr auf den Lesbisch Schwulen Filmtagen in Hamburg und einiger Fernsehausstrahlungen ñ sein Geld noch nicht eingespielt." Grund dafür, sagt sie, sei vor allem der Zeitpunkt, zu dem der Film auf den Markt kam. Der Film war am 9. September 2001 fertig gestellt und sollte am 14. September im niederländischen Fernsehen ausgestrahlt werden. Dazwischen lag der 11. September 2001 und niemand war danach an einem Film über Feuerwehrfrauen interessiert. Zu kritisch sei der Film, der sich thematisch durchaus mit Rassismus, Homophobie und Sexismus in der männerdominierten Branche auseinandersetzt. Und niemand wollte nach dem 11. September die Helden der Nation "mit ihren blauen Uniformen und roten Wagen, eigentlich fehlte nur noch das Weiß" kritisch betrachtet sehen, besonders nicht von einer Minderheit von Feuerwehrfrauen, die in Kalifornien nur 13 Prozent der Berufsfeuerwehr ausmachen.
"Wenn ich den Film zeige, muss ich immer vorwegnehmen, dass ich ihn vor dem 11. September gedreht habe", erzählt Stefanie Jordan.

Über einen Zeitraum von zwei Jahren hat sie die Frauen getroffen, mit ihnen geredet und sie auf ihre Einsätze begleitet. Doch als dann tatsächlich ein Großfeuer ausbrach ñ von allen Einsätzen sind nur rund 20% feuerbedingt ñ konnte sie gerade noch den Anfang des Einsatzes festhalten und dann ñ war der Akku der Kamera leer. "Das hat mich schlaflose Nächte gekostet", erzählt Stefanie Jordan mit einem Lachen. Eine leichte Verstimmung um diese verpasste Gelegenheit ist ihr immer noch anzumerken.
"Vorher hatte ich gerade ein Interview mit der Feuerwehrfrau Mel", erzählt sie weiter. "Mel ist in einem früheren Einsatz schwer verletzt worden und fast erblindet. Sie forderte mich auf, sie zu dem Brand zu begleiten und ihre Augen zu sein. Und am Ende standen wir beide da. Hilflos. Sie konnte den Einsatz nicht sehen, ich ihn nicht filmen."

"Some real heat" ist ein Film über starke, sensible und kritische Frauen. Aber kein Frauenfilm, wie Stefanie Jordan erklärt, "weil der Film alle angeht." Frauen würden immer noch zu sehr über ihr Geschlecht definiert, erklärt sie weiter und "hätte ich einen Film über sechs Männer gemacht, würde niemand von einem Männerfilm reden."
Auf die häufig gestellte Frage, ob sie ihre vornehmlich weibliche Filmcrew nach dem Geschlecht rekrutiert hätte, antwortet Frau Jordan gerne: "Nein, wir haben nicht nach Geschlecht, sondern nach Qualität entschieden."

Dagmar Trüpschuch
 
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