|
Die Blumen
von Yorkshire sind wie die Frauen von Yorkshire.
Jeder Schritt ihres Werdens hat etwas Bezauberndes.
Aber in der letzten Phase erstrahlen sie am allerherrlichstenÖ
Die britische Filmkomödie "Kalender Girls" von Nigel Cole setzt nicht
auf die faltenlose Erotik der Jugend sondern würdigt die erotische Schönheit
des Alters.
Nach der Liebesgeschichte zwischen dem junge Harold und der viel älteren
Maude (Harold und Maude) aus den 70er Jahren wurde es ruhig um alte, jedoch lebenslustige
Frauen im Kino. Die Leinwand füllten junge faltenlose Dinger, ältere Frauen
waren in Nebenrollen zu sehen, sexuelle Lust wurde ihnen gar abgesprochen.
Doch langsam scheint das Kino seinem Jugendwahn abzuschwören. Immer mehr RegisseurInnen
entdecken die Attraktivität eines gelebten Lebens und erzählen Geschichten
von Frauen jenseits der 50, allesamt Frauen voller Lebensfreude, Erotik und sexueller
Bedürfnisse.
In dem japanischen Spielfilm "Lily Festival" erfreuen sich zwei alte Frauen
an ihrem späten Coming-out, "die Mutter" (Roger Mitchell) verliebt
sich in den Liebhaber ihrer Tochter, Charlotte Rampling sticht in "Swimmingpool"
ihre junge Gegenspielerin um die Gunst eines Liebhabers aus und die "Kalender
Girls", allesamt Frauen fortgeschrittenen Alters, posieren nackt für einen
Kunstkalender.
Keine Selbstverständlichkeit im prüden Ambiente einer kleinen Dorfschaft
im britischen Yorkshire, wo die Frauen des Dorfes sich regelmäßig im District
Womenís Institute treffen und sich Vorträge über die Vielfalt von Broccoli
oder die Geschichte röhrenförmiger Fußbekleidung anhören müssen.
Zwar haben sie sich "Erleuchtung, Spaß und Freundschaft" auf die
Fahnen geschrieben ó doch für die Freundinnen Annie (Julie Walters) und Chris
(Helen Mirren) sind die Veranstaltungen nichts als reine Pflichtübungen, die
sie kichernd und lästernd wie Teenager ertragen.
Power bringen sie in die langweiligen Zusammenkünfte als Chris sich überlegt,
den jährlich erscheinenden Jahreskalender mit den ewig gleichen Landschaftsaufnahmen
mit neuen Motiven zu bestücken. Ein Kunstkalender soll her mit Monatsmotiven
von Frauen, die kochen, bügeln, Klavier spielen. Und der Clou dabei: die Frauen
sollen nackt sein und ó die Frauen sind sie selber.
Tatkräftig gehen Miss Januar, Februar oder April ans Werk und es
ist eine Freude, den Damen dabei zuzusehen, wie sie ihre anfängliche Scheu überwinden
und selbstbewusst vor der Kamera die Hüllen fallen lassen.
Neben seinem höchst komödiantischen Anteil erzählt der Film auch ein
Drama, das Drama um Annies Ehemann John, der an Leukämie verstorben ist. Und
das Drama um eine Freundschaft, die an dem Ruhm, den der Kalender den Frauen einbringt,
zu zerbrechen droht.
"Kalender Girls" ist ein höchst feinfühliger Film, der den Balanceakt
zwischen Komödie und Drama hält, der kein voyeuristisches Auge auf sich
entkleidende Frauen wirft, sondern feinfühlig mit einer gehörigen Portion
schwarzen britischen Humors die Damen bei ihrer Grenzüberschreitung begleitet.
Der Komödie liegt eine wahre Geschichte zugrunde. 1999 stellte eine Frauengruppe
in Rylstone, Yorkshire ihren Millenniumkalender vor ó mit Motiven nackter Frauen,
Porträts ihrer selbst, bei der Verrichtung von Hausarbeit. Sie erhofften sich
Aufmerksamkeit, denn von dem Erlös des Kalenders sollte Geld für das lokale
Krankenhaus gesammelt werden, das sich um den leukämiekranken Ehemann einer
Freundin gekümmert hatte. Unmittelbar nach der Veröffentlichung des Kalenders
folgten erste Zeitungsschlagzeilen, der Verkauf des Kalenders schoss in die Höhe,
zuerst in Yorkshire, dann im ganzen Land und schließlich auch in Übersee.
Die New York Times widmete den Damen eine Titelseite, das Gesellschaftsmagazin "People"
folgte. Letztendlich brachte der Kalender etwa 600 000 Pfund (rund 880 000 Euro)
ein. Das Geld wurde verschiedenen Leukämieeinrichtungen gespendet.
Der Film aber ist nicht als dokumentarische Arbeit zu verstehen. Die Kerngeschichte
ist wahr, alles andere Fiktion. So erzählt der Film mehr als nur die Geschichte
um den Erfolg der Frauen von Yorkshire. Er erzählt von Verlust und Freundschaft,
von Ruhm und seinen Schattenseiten, er erzählt von Mut zur Veränderung
und von Emanzipation im Alter. Und dass alt sein noch lange nicht bedeutet zum alten
Eisen zu gehören.
Dagmar Trüpschuch
Kalender Girls, GB 2003, Filmstart 01.01.2004 |
|