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"Leben
kann man nicht erzählen. Leben kann man nur leben", heißt es in ihrem
Buch "Lüge mich". Und dennoch tut sie es immer wieder.
Die in Potsdam lebende Autorin Antje Wagner ist lespress-Leserinnen
durch ihre Kurzgeschichten schon lange ein Begriff. Die 29jährige Literatur-
und Kulturwissenschaftlerin, die aus Wittenberg stammt, erzählt von Abgründen,
die im Alltäglichen lauern. Das ist oft verstörend und niemals leichtverdaulich.
Ihre Geschichten ziehen die LeserInnen unmerklich in ihren Bann. In ihrem letzten
Buch "Die Gärten bist du" verlangten sie Fantasie und Vorstellungskraft,
um die manchmal beinahe surrealistisch anmutenden Szenarien, die überraschenden
Wendungen nachzuvollziehen. In "Mottenlicht", dem in diesem Herbst erschienenen
Erzählungsband, wird die tiefe Beunruhigung in den elf Geschichten durch tatsächliche
Verbrechen ausgelöst, doch, ganz im Antje-Wagner-Stil, benennt sie diese nicht
konkret, sondern "es wird ein Loch anstelle des Verbrechens gelassen, und der
Text bewegt sich an den Rändern dieses Loches."
Obwohl sich Antje Wagner persönlich als schüchtern erweist, erfuhr Irene
Hummel im Interview viele spannende Einzelheiten.
Erinnerst du dich noch an dein allererstes Buch als Kind?
Nicht an das erste, das ich gelesen habe. Aber an die, die hängengeblieben sind,
alles querbeet: "Die rote Zora", "Maxi", "Detektiv Pinky",
"Das Katzenhaus", "Das Mädchen hieß Gesine", "Der
Idiot", "Ditte Menschenkind", "Max, der Raubwürger"
und natürlich "Der Graf von Monte Christo" . Dann gab es das Kult-Aufklärungsbuch
der DDR "Denkst du schon an Liebe?" - großartig! Außerdem hab
ich rasend viel aus der DDR-Sci-Fi-Reihe "Phantastische Wissenschaft" gelesen
und einen Schwung Stanislaw Lem. Auch Balzac, Zola. Eben alles, was bei meinen Eltern
so stand und was die Dorf-Bücherei hergegeben hat.
Wird in deiner Familie mehr gelesen oder auch geschrieben?
Lesen - das tun wir alle mit Begeisterung. Trotzdem ist meine Familie eher musikalisch.
Meine Eltern haben zwar herkömmliche Berufe, aber jeder von uns kann ein Instrument
spielen. Meine Eltern hatten früher eine Band, meine Mutter hat da gesungen,
und mein Bruder macht heute die Musik zu seinem Beruf. Meine Mutter malt nebenbei.
Schreiben, das hat bisher keiner gemacht.
Wann hast du angefangen zu schreiben? Und was - Gedichte?
Ja, mein erstes Gedicht hieß "Das Häschen auf dem Steine", da
war ich acht. Das war so was wie ein Zufall. Danach hab ich dreizehn Jahre alles
mögliche andere gemacht: gesungen, gemalt, Akkordeon, Sport, Schauspiel. Bis
auf Briefe oder Tagebuch habe ich aber nichts geschrieben. Gelesen habe ich immer
viel. Und mit einundzwanzig kam ich dann plötzlich zum Schreiben zurück.
Wieder Gedichte.
Sind die einfach in deinen Schubladen verschwunden?
Ein paar sind in Anthologien veröffentlicht, aber den größten Teil
hab ich nie jemandem gezeigt.
Wer sind deine Vorbilder?
In Hinsicht auf Konsequenz und Fantasie hat mich schon immer Gertrude Stein fasziniert.
Später hab ich Marguerite Duras entdeckt, ihre sparsame, unwahrscheinlich soghafte
Sprache.
Was sind Erfahrungen oder Prägungen, die du nicht missen möchtest?
Meine Großmutter war sehr wichtig für mich. Die war wie eine Schwester,
bei der ich das Alter immer vergessen habe. Aber im Grunde verändern sich für
mich die Dinge ständig, die ich nicht missen möchte. Das Sonderbare und
Herausfordernde ist ja, dass man sich später aus allen Erfahrungen, die man
gemacht hat, immer wieder neu zusammensetzen kann. Das heißt aber, dass manche
Dinge in einem bestimmten Jahr an Bedeutung verlieren, andere wichtig werden. Im
nächsten Jahr kann das genau umgekehrt sein.
Wusstest du schon immer, was du werden wolltest?
Na klar, das wusste ich immer! Das war aber so veränderbar wie das Wetter ...
Von dreizehn bis sechzehn wollte ich Stewardess werden, von sechzehn bis vierundzwanzig
Schauspielerin, Sprecherin, Wirtin, irgendwas im Verlag, Erfinderin und Biologin,
und mit fünfundzwanzig hab ich ernsthaft darüber nachgedacht, Botschafterin
zu werden.
Was bist du nun geworden?
Alles zusammen: Schriftstellerin! Ich kann jeden Tag etwas anderes sein, zumindest
auf dem Papier ...
Identifizierst du dich mit deinen Personen?
"Identifizieren" ist mir ein bisschen zu stark. Sagen wir so:
Ich habe eine Idee für eine Geschichte, irgend eine grobe Situation, ausweglos.
Die Idee lässt mich nicht los, sie besetzt mich, will geschrieben werden. Das
ist vielleicht so eine Art Identifikation. Aber nicht mit Personen, sondern mit der
Idee.
Ich bevorzuge eingeschränkte, begrenzte Perspektiven, ein enger Blick einer
Person auf das Geschehen. Das kann der Blick des Täters sein, und als LeserIn
schaut man dann auch aus den Täteraugen, sympathisiert vielleicht sogar, und
am Ende kommt plötzlich der Knall und man merkt, man stand die ganze Zeit auf
der Seite des Bösen. Es kann aber auch z.B. der Blick des Kindes sein, das nicht
begreift, was mit ihm geschieht oder mit ihm getan wird, das nur das Entsetzen darüber
begreift. In "Mottenlicht" geht es oft um Kinder. Und das Kind füllt
dann das Verschwiegene, sein eigenes Nicht-Verstehen-Können des Verbrechens
mit seiner eigenen Fantasie, mit Schreckensbildern auf. Es ist das einzige Reservoir,
was es hat, als Ausweg aus einer nicht-begreifbaren Erfahrung.
Was bedeutet "Mottenlicht"?
Angst.
Die Geschichten in "Mottenlicht" scheinen mir oft uneindeutig: existiert
der Horror nur in der Vorstellung des Lesenden? Oder umgekehrt: reicht meine Vorstellungswelt
vielleicht nicht? Mehrfach bleibt mir völlig rätselhaft, was da passiert,
wie in "Der Teich" oder "Glitzern". Warum diese Andeutungen?
In "Mottenlicht" schreibe ich nicht in Andeutungen. Im Grunde ist es ein
sehr klares Buch. Es sind elf Geschichten, die mit Elementen der psychologischen
Schauergeschichte spielen, also manchmal wie "gothic novels" aussehen,
und die ein bisschen wie Krimis funktionieren. Im Krimi sagt man ja auch nicht gleich
auf der ersten Seite, wer der Mörder ist. Die einzige Anstrengung, die das Buch
von den LeserInnen braucht, ist die Aufmerksamkeit beim Lesen. In jeder Geschichte
passiert ein Verbrechen, das jedoch nicht erzählt wird. Ich zeige nur die Konsequenzen.
Vielleicht meinst du das mit Andeutungen? Es wird ein Loch anstelle des Verbrechens
gelassen, und der Text bewegt sich an den Rändern dieses Loches, baut auf diese
Weise eine starke Spannung auf, und oft ist es nur ein einziger Satz, der schließlich
auflöst, was passiert ist. Und meist ist das der letzte Satz der Geschichte.
Meist, aber nicht immer. In "Der Teich" steht der wichtigste Satz mittendrin.
Wenn man diese Auflösungssätze allerdings überliest, dann fehlt einem
natürlich die Pointe. Aber alle Geschichten sind vollständig auflösbar.
Es war eine Herausforderung, Geschichten mit dem Thema "Gewalt" wie eine
Art Fahndungsspiel zu schreiben. Aber ich glaube, das ist eine gute Mischung. Auf
diese Weise haben die Texte eine große Sogwirkung, und man kann es schaffen,
Leser für Themen zu interessieren, die eigentlich nicht angenehm sind, und die
sie sonst vielleicht nicht gelesen hätten. Das Buch ist grausam, aber es ist
eben auch spannend.
In "Die Gärten bist du" hatte ich auch den Eindruck von Andeutungen.
Da hast du zum Teil recht. Dem Buch liegt aber eine andere Ausgangsidee zugrunde.
Die Geschichten dort sind oft nicht völlig auflösbar, sie sind emotionale
Stimmungsbilder, häufig gruselig, lassen viel Raum für verschiedene Möglichkeiten.
In "Mottenlicht" ist das nicht so, da gibt es nur eine einzige - schockierende
- Lösung, und die steht immer im Text.
Ist Gewalt für dich alltäglich, allgegenwärtig?
Das ist eine interessante Frage. Ich werde auf Lesungen oft gefragt: "Warum
schreibst du gerade über dieses Thema?" Ich kann da nur sagen, das Thema
suche ich mir gar nicht, das sucht mich! Und dann schreibe ich es. Insofern ist es
- für mich als Schreibende - schon immer gegenwärtig.
Wie empfindest du dich selbst im Zusammenhang mit deinen Geschichten?
Als die Erzählerin. Die Geschichten kommen zu mir, und ich erzähle sie.
Was ist dein Hauptthema?
Grenzüberschreitungen.
Sind es deine Alltagsbeobachtungen oder eher deine Horrorvorstellungen?
Weder noch. Oder: beides zugleich. Ich habe, bevor ich "Mottenlicht" geschrieben
hab, überlegt, wie man heute noch über Gewalt schreiben kann. Gewalt und
Grenzüberschreitungen in scheinbar funktionierenden Beziehungsgefügen,
wie in einer Familie. Man liest ja ständig in der Zeitung davon, man wird überschüttet
damit, kann es gar nicht mehr aufnehmen, schaltet ab. Ich habe gedacht, ich probiere
es trotzdem. Das Buch ist mir wichtig, mein wichtigstes, das Thema ist mir einfach
wichtig. Ich hab also darüber nachgedacht, wie man mit diesem Thema noch berühren
kann, und dann war da die Idee mit dem Verschweigen des Verbrechens, dem Auslassen
des Wichtigsten, dem Enthüllen des Verbrechens in nur einem einzigen Satz. Dieses
Verschweigen passiert ja tatsächlich in Familien, keiner redet drüber,
man geht darüber hinweg. Ich hab das Verschweigen einfach ins Sprachliche, in
die Form übertragen. Es ist also zugleich eine Alltagsbeobachtung und ja - ein
Horror, weil sich genau in diesem Schweigen, also in der Lücke des Textes, das
Grauen ausbreitet, Gestalt annimmt, ins Monströse wächst.
Warum erschien "Mottenlicht" nicht im Querverlag, sondern bei KiWi?
Der Querverlag ist ein schwul-lesbischer Verlag, und "Mottenlicht" wäre
dort eine Mogelpackung gewesen. Es sind lesbische Geschichten darin, aber eben nicht
ausschließlich. Ich wollte gern ein großes Publikum für "Mottenlicht",
das Thema ist mir wichtig. Die beiden Querverleger haben mich sogar darin unterstützt,
den Schritt in einen großen Verlag zu wagen, und das finde ich schon bemerkenswert.
Der Querverlag ist ein wunderbarer Verlag, sehr menschlich, er hat mich rausgebracht
und immer gefördert und bestärkt. Ich arbeite auch weiterhin sehr gern
an Projekten des Verlags mit.
Was ist das für ein Gefühl, ein Buch zu veröffentlichen, es loszulassen?
Nacktheit.
Was ist deine Motivation zu schreiben?
Das ist schwierig zu erklären. Wenn ich nicht schreiben würde, wäre
ich unglücklich. Wenn ich lange nicht schreibe, dann fühle ich mich ausgelaugt,
krank. Ich weiß nicht, es gibt einfach so ein Verlangen, einen Drang. Der gibt
keine Ruhe. Nagt. Bohrt. Dann muss ich schreiben.
Was ist deine Droge?
Sprache.
Kreativität ist ohne Selbstzweifel und Depressionen nicht möglich, heißt
es oft. Ist das auch bei dir so?
Selbstzweifel, ja, die gibt es immer wieder. Das betrachte ich aber als großes
Glück. Eine Herausforderung; es macht mich aktiv. Depressionen, nein - ich glaube
auch nicht, dass Depressionen eine notwendige Voraussetzung fürs Schreiben sind.
Was machst du an einem freien Tag?
Du meinst, wenn ich nicht schreibe? Na ja, Schreiben ist eine stille Angelegenheit,
ohne die Anwesenheit anderer, und ich bin ein neugieriger, fröhlicher, gesprächiger
Mensch. Wenn ich nicht schreibe, bin ich gern mit anderen Leuten zusammen.
Was kannst du so richtig genießen?
Gute Gespräche. Ungewöhnliche Ideen. Kochen. Wein. Bücher. Menschen.
Hast du ein Privatleben?
Na klar.
Eine Liebste? Oder soll das Thema lieber nicht in der lespress auftauchen?
Wieso nicht, lach? Ja.
Du lebst oft monatelang mit Schreib-Stipendien an fremden Orten. Wie verträgt
sich das mit einer Beziehung? Und wo ist deine Heimat?
Ich bin ein ziemlich beweglicher Mensch. Innerlich und äußerlich. Ich
lebe nicht in dem herkömmlichen Beziehungsmodell, ich bin schon immer neugierig
gewesen, andere Modelle zu finden, Möglichkeiten zu suchen. Meine Verbindungen
sind stabil, weil wir uns in der Beweglichkeit treffen, ähnlich denken. Zu den
ständigen Umzügen: der Abstand, den ein Stipendium mit sich bringt, ist
für mich manchmal wichtig - ich kann mich sehnen.
Ich liebe es, irgendwo hinzufahren, wo ich dann ein halbes Jahr auf dem Land arbeiten
kann. Unter anderen Künstlern. Das ist immer sehr anregend, sehr produktiv,
viel frischer Wind, viel Gelächter, viele Gespräche. Es gibt natürlich
Orte, wo ich besonders gern bin, ich mag meine Wohnung in Potsdam sehr, aber sie
kettet mich innerlich nicht an sich, wenn ich woanders bin.
Auf wen oder was bist du eifersüchtig?
Ich glaube, ich bin nicht im herkömmlichen Sinne eifersüchtig. Manchmal
bin ich ein bisschen neidisch, wenn jemand eine großartige Idee hatte und denke:
Mist, da hättest du auch drauf kommen können! Aber eifersüchtig auf
Menschen? Nein, ich glaube nicht. Liebe soll kein Kerker sein. Man kann die Eifersucht
vielleicht umdenken, wenn man sich begreiflich macht, dass der Mensch, wegen dem
man leidet, einem schließlich nicht absichtlich weh tut, der möchte meist
einfach genauso frei leben wie man selbst, Menschen in seinem Leben haben, die er
selbst wählt, sich verändern, und das ist doch im Grunde etwas sehr Schönes.
Sehnsucht, auch wenn sie sich mal nicht auf einen selbst richtet, ist eine der wichtigsten
Motivationen im Leben. Sie bringt einen voran, macht kreativ, schafft Kraft und Fantasie.
Dasselbe Verständnis von Leben brauche und verlange ich auch von den Menschen,
mit denen ich mich umgebe.
Woran glaubst du?
An Wunder.
Was ärgert dich?
Pessimismus. Bequemlichkeit. Dogmatismus. Imitationen. Wenn Leute einfach etwas nachplappern
oder nachleben, ohne darüber nachzudenken, dass es auch anders, besser, farbiger,
glücklicher gehen könnte.
Was hat dein Leben verändert?
Das Zusammensein mit Menschen. Ich lerne gern Menschen kennen, und in jeder einzelnen
Verbindung mit jemanden funktioniert man selbst irgendwie anders. Die Menschen, mit
denen ich mich umgebe, sind alle sehr unterschiedlich, sie haben alle andere Ideen,
andere Ziele, andere Vorstellungen. Das bringt mich zum Denken und Diskutieren, zum
Lachen, zum Ärgern, zum Verehren und Kämpfen, das wirbelt viel durcheinander,
verändert.
Dein schönstes Erlebnis?
Hm, viele. Australien. Eine plötzliche Vision. Oder ein Gespräch. Ein Kuss
auf die Fingerspitzen. Oder ein Maler, bei dessen Bildern ich dachte: Der malt so,
wie ich schreiben will, aber nicht kann, wie macht der das bloß?, und der dann
später zu mir sagte: "Als ich dein Buch gelesen hab, da hab ich gedacht,
die schreibt so, wie ich malen will, aber nicht kann, wie macht die das bloß?"
Das ist so was sehr Seltenes, ein Moment des gegenseitigen Erkennens, Übereinklänge.
Nachtschiffe betrachten. Ein bestimmter Duft, ein Brief, auf den man sehr gewartet
hat, ein Blick oder Licht. Es gibt so ein besonderes Licht, das ist wie rote Früchte,
das gibt es nur im Oktober - das alles ist immer wieder mein schönstes Erlebnis.
Welche Geschichte / welchen Roman hättest du gerne geschrieben?
Viele! Das ist wirklich der blanke Neid, grenzenlose Bewunderung. "Kater Murr"
von E.T.A. Hoffmann. "American Psycho" von Bret Easton Ellis. Die ganzen
Edgar Allan Poe-Geschichten. Gertrude Steins "Ida". Nabokovs "Unsichtbare
Dinge". Ach viele, viele ...
Bei der Erwähnung von "American Psycho" war ich völlig schockiert
und erklärte das Buch, das aus Täterperspektive endlose Vergewaltigungs-
und Verstümmelungsszenen beschreibt, für total krank, pervers und widerlich.
Daraufhin bezeichnete Antje Wagner es als "hochintelligentes, knallehrliches
und glänzend geschriebenes Buch", nannte es "einen grauenhaften Schrei,
ein monströses Eitergeschwür, das da in die Welt geworfen wurde und das
keiner sehen will" und erklärte mir ausführlich, dass es um den vollkommenen
Identitätsverlust innerhalb einer Gesellschaftsschicht, ohne Unterscheidbarkeit,
Emotionen, Werte gehe. Indem "das Nicht-mehr-Vorstellbare, das Allerbrutalste
ausschließlich technisch beschrieben und gleichwertig "belanglos"
zwischen Shoppen, Theater usw. eingepasst" werde, sei "der Gipfel, die
äußerste vorstellbare Gleichgültigkeit dem Verbrechen gegenüber"
erreicht:
Und - es ist die Wahrheit! Nein, dieser Autor schreibt nicht pervers - der bildet
die Perversion einer ganzen Gesellschaft ab. Und diese Schonungslosigkeit, diese
Radikalität und Furchtlosigkeit bewundere ich zutiefst.
Igitt, so etwas wirst du hoffentlich nie schreiben! Das Buch wäre in meinen
Augen auch nicht besser, wenn es von einer Frau wäre, aber das ganze scheint
ein Thema für eine längere Auseinandersetzung zu sein. Kommen wir doch
bitte am Ende noch mal auf dich zurück: woran arbeitest du gerade?
Im Moment schreibe ich an einem Roman. "Schneekönig".
Worum geht es?
Liebe.
Wie wird Antje Wagner in zwanzig Jahren sein?
Wahrscheinlich leite ich Ausgrabungen in Grönland, wenn ich nicht gerade in
meiner eigenen Kneipe Bier ausschenke oder zum Patentamt renne, weil ich herausgefunden
habe, wo die ganzen einzelnen Socken geblieben sind, die Waschmaschine immer frisst!
Ehrlich, das ist ein Phänomen, das endlich mal untersucht werden sollte. Oder
ich sitze in meiner Altenresidenz-WG auf Sizilien, hab meinen eigenen Radiosender
gegründet, oder ich bin leitende Gärtnerin in Sanssouci geworden. Möglicherweise
hab ich mich auch einfrieren lassen, damit ich in fünfhundert Jahren weiß,
wie die Welt aussieht.
Interview: Irene Hummel
Photos: Uschi Koch; Kiepenheuer & Witsch
Bücher:
Mottenlicht, KiWi 2003, EUR 7.90
Die Gärten bist du, Querverlag 2003, EUR 14.90
Lüge mich, Querverlag 2001, EUR 20.50
Der gläserne Traum, Querverlag 1999, EUR 17.50 |
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