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Der Seufzer der
Erleichterung der Gay-Games-Veranstalter war deutlich zu hören. Obwohl das selbst
gesteckte Ziel eines Frauenanteils von der Hälfte mit mageren 30 Prozent satt
verfehlt wurde, amüsierten sich die 4 100 Weiber wie Bolle in Sydney. Die Minderheitenrolle
wurde gelassen hingenommen. "Das sind wir doch gewohnt", grinst die Münchnerin
Silke Vlecken. "Wir gehen mit den Jungs aus." Auch die Stuttgarter Goldmedaillengewinnerin
im Judo, Susanne Kundt, findet: "Männer sind kein Problem. Zudem gibt es
viele Angebote nur für Frauen." Diese reichten von einer Hafenrundfahrt
über Kulturveranstaltungen bis zur Frauenparty "Butch!". Ausverkauft
war letztere und eine Nacht lang drehte sich der Spiegelball, seit vielen Jahre das
Wahrzeichen der weltberühmten Mardi-Gras-Party, über der tanzwütigen
Frauenschar in den Fox Studios. "Wow, alleine diese Nacht war die Reise nach
Sydney wert", grinst noch Tage später selig die Münchnerin Gisela.
So richtig in ihrem Element fühlte sich auch Bettina Stump. Die 31-jährige
Bonnerin war eigens aus dem Kosovo, wo die Polizistin zur Zeit zum zweiten Mal Dienst
tut in der internationalen Polizeitruppe, nach Sydney gekommen. "Ich dort habe
keine Probleme als Lesbe", erzählt sie und weiß gar von einer Affäre
mit einer schwedischen Kollegin während ihres ersten Kosovo-Einsatzes zu berichten.
"Aber szenemäßig ist da natürlich nichts los." Also auf
zu den Gay Games nach Sydney. "Ich habe allerdings erst eine Telefonnummer",
erzählt sie. Aber das war nach dem ersten Tag der Gay Games und Bettinas Adressbuch
dürfte bis zur Abschlussfeier am 9. November eine Reihe neuer Einträge
erhalten haben. Sportlich hatte sich Stump dem Berliner Basketballteam Good Vibrations
angeschlossen. Vor dem ersten Spiel hatte sie etwas Lampenfieber: "Ich habe
mal 2. Liga gespielt, bin aber seit zwei Jahren aus der Übung."
Gar nicht aus der Übung war "Tatortkommissarin Ulrike Folkerts. "Ich
habe mich ein Jahr lang auf die Gay Games vorbereitet und sogar das Rauchen aufgegeben",
erzählt die Schwimmerin, die mit dem "Team Berlin" nach down under
gekommen war. Um so frustrierter war die Schauspielerin, als sie gleich bei ihrem
ersten Start im olympischen Schwimmstadion disqualifiziert wurde. Eine Frau hatte
einen Fehlstart hingelegt und Folkerts sowie eine weitere Schwimmerin waren nach
dem Start der Unglücksräbin mit ins Wasser gesprungen. "Da wird immer
gesagt, es gehe um Spaß und Miteinander und dann werden die strengen olympischen
Regeln angewendet", klagte Folkerts sichtlich sauer noch einen Tag später.
Der einen Leid ist der anderen Freud. Während die meisten Sportler und Sportlerinnen
getreu dem Motto "Dabei sein ist alles" bei den Gay Games schwammen, rannten,
Gewichte stemmten, das Tanzbein schwangen oder beim Judo Konkurrentinnen auf die
Matte legten, wollten andere sich den Traum einer Medaille erfüllen. "Ich
mag den Wettbewerb", gibt die Schwimmerin Ute Kühner freimütig zu.
Vier Tage später eroberte die 42-jährigen Redakteurin aus Stuttgart Silber
und Gold in Schwimmdisziplinen. Gleichwohl zollte sie ihren Respekt unterlegenen
Konkurrentinnen wie Ulrike Folkerts. "Ulrike hatte keine Chance auf einen vorderen
Platz. Um so bewundernswerter finde ich ihren Mut, gerade als Promi, trotzdem mitzuschwimmen."
Silber in der Disziplin 400 Meter Lagenschwimmen eroberte sich auch Silke Vlecken.
Eine Goldmedaille erkannte die an Multiple Sklerose leidende "Beauftragte der
Stadt München für Mädchen und junge Frauen" jedoch der Stadt
Sydney zu. "Diese Stadt ist so behindertenfreundlich. Ich komme problemlos mit
meinem Rolli überall hin. Einfach genial." Begeistert waren Schwule wie
Lesben von der Organisation der Sportwettbewerbe und den Einsatz der über 4000
ehrenamtlichen Helfer und Helferinnen. In Kauf genommen wurden so auch ó obgleich
mit leichtem Grummeln ó die meist langen Anfahrtswege zu den Sportstätten.
Nicht der leiseste Hauch von Kritik kam den Sportlern und Sportlerinnen über
die Eröffnungsfeier der Gay Games über die Lippen. "Super", "fantastisch",
"bezaubernd" lautete das einstimmige Urteil über die fulminante Show
aus Licht und Schatten, bunten Kostümen und nacktem Fleisch, Laserstrahlen und
Feuerwerk im nächtlichen, von einem kalten Wind durchwehten "Aussie Stadion".
Bis zum Anschlag schnellte jedoch der Adrenalinpegel der 12 500 Sportlerinnen und
Sportler beim Einzug als "Hero Parade" in das mit über 30 000, weiße
und rosa Puscheln schwenkenden Zuschauern empor. "So gefeiert zu werden war
ein einzigartiges Gefühl", bekannte die Saarländerin Barbara Barth.
Die Daheimgebliebenen müssen noch etwas warten, bis sie ihre Gay-Games-Heldinnen
feiern können. Die meisten Frauen nutzten die weite Reise zu den Gay Games für
einen anschließenden, ausgedehnten Urlaub im Outback oder an Australiens Stränden.
Wie die Schweizer Tennisspielerin Ursula Imhof (55). Die Sportärztin und ihre
Freundin und Doppelpartnerin Michéle Gerber feierten mit ihrer Gay-Games-Teilnahme
und dem Australienurlaub ihr 20-jähriges.
Ausgezahlt hat sich das Superevent jedoch nicht. Wie vor einigen Monaten der Mardi
Gras sind nun auch die Gay Games bankrott. Ein Defizit von bis zu zwei Millionen
australischen Dollar (1,1 Mio Euro) zeichnet sich ab. Veranstalter und die Federation
of Gay Games werden sich in den kommenden Monaten den Kopf darüber zerbrechen
müssen, wie die Schulden bezahlt werden können. Auf dem Spiel stehen auch
die Gay Games selbst. Die große Frage: wie kann sichergestellt werden, dass
die nächsten Gay Games 2006 in Montreal solide finanziert werden?
Michael Lenz |
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