Madam, Sir,

 
  jetzt geht das schon wieder los! Ich habe mich ja mittlerweile an so einiges gewöhnt. Es wird uns ja auch viel abverlangt. Und ich rede jetzt nicht über die politische Lage mit einstürzenden Neubauten, Krieg und der Auflösung des Hauses of Lords.

Miss Marple, Photo: Archiv Max KohlhaasNein, es geht mir um das stilvolle Begehen des heiligen Weihnachtsfestes. Nun denken sie bloß nicht, liebe Leserin (und lieber Leser), daß ich mich freudig erregt um Mitternacht am 24.12. in die Kirche begebe, um dort dem zerhüstelten Vortrag unseres tatterigen Erzbischofs zu lauschen, um dann mit einer Grippe anschließend drei Wochen darniederzuliegen, weil die anglikanische Heizung wieder ausgefallen war. Das hat wohl nicht viel mit diesem Fest zu tun.
Anscheinend sind wir ja alle der Meinung , daß gutes Essen, Geschenke, ein kleines Betränknis, Ben Hur im Fernsehen sowie die Weihnachtsansprache der Königin zu unseren heiligsten Traditionen in der freien anglo-amerikanischen Welt gehören. Jedenfalls verteidigen die Anti-Terror-Truppen ihrer Majestät diese Heiligkeit gerade im Hindukusch.
Es gibt da allerdings noch eine ganz andere Front, deren Kämpfer seit ca. 4 Wochen eine ähnliche Attacke auf die Grundfesten unseres geliebten Königreiches reiten. Fast 10 Monate arbeiten und leben sie als sogenannte Schläfer friedlich und unauffällig in den Straßen unserer Vorstädte und Dörfer, exponieren sich nicht bei Demonstrationen und treten auch nicht in quengeligen Talk-Shows auf, nur um dann umso brutaler zuschlagen zu können. Ich meine die Betreiber sogenannter Christmas-Markets oder auch Christmas-Shops in den romantischen Innenstädten Süd-Englands. Diese Organisation - und von nichts anderem kann hier die Rede sein - hat es sich heimlich still und leise zur Aufgabe gemacht, unsere Gesellschaft jeweils zu den besinnlichsten Wochen des Jahres mit einer Orgie an grauenhaftem Plastikkitsch zu überschwemmen und mit überflüßigen Geschenkideen zu terrorisieren. Das dahinter eine einflußreiche und übermäßig reiche Person steht, scheint offensichtlich zu sein. Sie tritt nicht großartig in Erscheinung und lebt meist im Verborgenen. In letzter Zeit allerdings werden den Privatsendern in London eilig gedrehte Propaganda-Videos zugeschmuggelt und diese quotengeilen, verkommenen Schundemittenten haben nichts besseres zu tun, als diese Videos zu senden. Sie werden allerdings nie etwas Authentisches zu Gesicht bekommen. Lediglich einen Mann in einer roten Verkleidung. Ins Gesicht hat er einen Bart aus einem weißen Geheimmaterial geklebt, damit er nicht auf Fahndungsphotos erkannt werden kann. Er benutzt auch nie Mobiltelephone, obwohl er angeblich von weit draußen her kommt. Als Fahrzeug benutzt er einen Rentierschlitten, womit er nicht nur gegen das Washingtoner Artenschutzabkommen verstößt, sondern auch von Satelliten nicht geortet werden kann. In diesem Video wird dazu aufgerufen, dem Weg dieses Mannes unbedingt zu folgen, die Geschenk- und Speisegesetze zu befolgen und nicht von diesem Wege des Heils abzuweichen, andernfalls Sie sich unmöglich weiterhin zur westlichen Christenheit zählen können. Es wurde vor einigen Jahren versucht, gegen diesen Mann vorzugehen. Es hieß, er habe sich in einem hohen Turm eines Schlosses in den USA versteckt, in Orlando, Florida.
Leider ist aber seine Organisation so weit verzweigt und einflußreich, daß sogar der mächtigste Mann der Welt in Washington nichts gegen ihn ausrichten kann und im Gegenteil jedes Jahr noch eine Ansprache im Fernsehen hält, um ihn zu besänftigen. Auch sein Name ist bekannt, und sein Steckbrief könnte sofort in Druck gehen. Sie kennen ihn alle, und der Innenminister könnte im Interesse der öffentlichen Sicherheit nicht genug vor ihm warnen: Walt Disney.
Prepare to meet thy God!
Bis zum nächsten Mal...
 
   
   
  zurueck zum Inhalt  

www.lespress.de
© 2001: lespress-Verlag, Dyroffstr. 12, 53113 Bonn