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Den Durchbruch als
Kabarettistin schaffte die gelernte Erzieherin, Sozialpädagogin und Journalistin
Kordula Völker 1994 bei ihrem Auftritt in der Frontfrauen-Revue. Seitdem ist
sie selbstständig und arbeitet als freie Journalistin für den WDR.
Du hast nun noch
eine weitere Ausbildung abgeschlossen. Warum?
"Nach drei Jahren Kabarett und Radiojournalismus hatte ich das Gefühl,
ich werde immer mehr zur Einzelkämpferin. Auf der Bühne stand ich allein
und für den Rundfunk schrieb ich meine Beiträge eben auch allein.
Also machte ich eine Ausbildung zur Theaterpädagogin und arbeite seit zwei Jahren
mit verschiedenen Theatergruppen. Ich wollte mir unbedingt noch ein weiteres Standbein
aufbauen.
Der Kurs, den ich momentan gebe, ist ein reiner Frauenkurs, in dem die Frauen über
Theaterspielen, durch das Schlüpfen in eine andere Rolle, ihre eigene Handlungskompetenz
erweitern können, wie das so schön heißt. Also eine Frau, die sonst
in ihrem Alltag ein graues Mäuschen ist, spielt jetzt eine Figur, die total
wütend wird. Und so lernt sie über die Proben und dann bei der Aufführung
eben, dass es auch anders geht. Schön ist dann zu sehen, dass die Frauen daran
wachsen und Teile davon mit in ihren Alltag zurücknehmen und vielleicht zuhause
auch mal die Sau rauslassen."
Frauen-Theaterprojekte gibt es nun ja nicht soviele und die Theaterpädagogik
wird hauptsächlich im sozialen Bereich, also mit Kindern, Jugendlichen oder
Strafgefangenen eingesetzt. Geht Dein Weg dann in diesen Bereich?
Nein, das interessiert mich nicht so besonders, ich möchte da schon auf der
Frauenschiene bleiben. Natürlich ist es auf die Dauer nicht so befruchtend,
nur VHS-Kurse für Frauen zu geben, denn da habe ich es eben nur mit Anfängerinnen
zu tun. Aber ich suche noch ein Projekt, was ich langfristig begleiten kann.
Mittlerweile spricht es sich außerdem herum daß ich Regie führe,
und es kommen zum Glück auch Anfragen von professionellen Gruppen.
Zurück zum Kabarett, denn als Kabarettistin kenne wir Dich ja. Wieviele Programme
hast Du bislang produziert?
Eigentlich fünf, wobei das erste Programm "Radio Rote Zora" nicht
so richtig zählt, denn schon nach drei Auftritten sagte eine Freundin, die mich
auf die Bühne geholt hatte: "So, jetzt kommst du wieder runter, denn das
war richtig scheiße..." Womit sie nicht ganz unrecht hatte. Dann
kam "Liebe, Lust und Leidenschaft", danach "Herzlichen Glückwunsch".
Dann gab es "Ist ja irre", wobei auch da es bald Strittigkeiten gab, ob
das überhaupt noch Kabarett ist. Es war einfach sehr skuriles und sehr schwarzes
Theater. Und da habe ich mein Publikum echt überfordert, weil die Zuschauerinnen
ja etwas anderes erwarteten und wirklich enttäuscht waren. Naja, und das aktuelle
Solo-Programm "Alles wird gut" läuft seit Oktober 1999.
Läuft es denn gut?
Ja
und nein. Die Situation im Kabarett-Bereich ist sehr schwierig geworden, das bestätigen
auch alle KollegInnen. Die Schere wird immer größer. Die, die im Fernsehen
zu sehen sind, füllen 500er- oder 600er-Säle, die Veranstalter buchen auch
nur noch die großen Namen, weil sie selber nicht mehr subventioniert werden,
und beim Publikum ist es im Prinzip genau das gleiche. Mittlerweile haben drei Bühnen,
auf denen ich regelmäßig aufgetreten bin, dichtgemacht. Und ich bin noch
nicht eine so bekannte Größe, die die großen Säle füllen
kann. Es wird also immer schwieriger, sich ein neues Publikum zu erobern. Die Frage
ist immer: wie kommt frau ins Fernsehen?
Und da habe ich das Gefühl, ich bewege mich vom künstlerischen Mainstream
weg mit meiner künstlerischen Arbeit. Schon bei "Liebe, Lust und Leidenschaft"
sagten viele Veranstalter: "Das interessiert nur Lesben, weil es ja nur um Lesben
geht" und mein neues Programm "Alles wird gut" besteht aus feministischen
Themen, lesbischen Themen und aktueller Politik. Da habe ich mich gleich mit drei
Themenbereichen sozusagen ins Aus geschossen.
Wohin geht denn der erfolgversprechendere Mainstream?
Na, wenn ich ein Wirtschaftsbetrieb wäre, müsste ich jetzt Comedy machen.
Das füllt dann die Säle. Aber das ist nicht mein Ding. Ich sehe meine künstlerische
Weiterentwicklung eben anders, ich möchte eher mehr Inhalte, mehr in Richtung
politisches Kabarett. Wobei: ich finde das auch höchst unterhaltsam und
lustig, nur sind damit andere Anforderungen verbunden.
Leider geht der Trend aber gerade in die andere Richtung: das politische Kabarett
im Fernsehen wird zum Beispiel von seinen klassischen Sendeplätzen weggedrängt.
So wird es sehr schwierig, zu behaupten, eine Künstlerin sei nicht gut, weil
sie kaum Auftritte hat. Die künstlerische Qualität hängt nun mal nicht
von der Quantität der Auftritte ab.
Herrscht eine gewisse Untergangsstimmung in der Kabarett-Szene?
Es ist halt nicht einfach; aber klagen nützt nichts, wir müssen
weiterhin versuchen, konsequent unseren eigenen künstlerischen Weg zu
gehen, die entsprechenden Nischen finden und dann unser Publikum erorbern.
Zwischendurch habe ich schon gedacht, wenn "Alles wird gut" endet, höre
ich auf mit dem Kabarett. Das ist sozusagen eine Abschlusstournee.
Inzwischen weiß ich: nein, das wird es auf keinen Fall sein. Ich habe einfach
schon so viele neue Ideen, im nächsten Jahr wird es auf jeden Fall ein neues
Programm geben. Die Nachfrage regelt natürlich das Angebot...
Nun wurde ja gerade vor einigen Jahren das recht erfolgreiche "Frontfrauen-Festival"
ins Leben gerufen; inzwischen ist trotz singulärer Erfolge wie dem der Missfits
nicht mehr viel davon zu hören. Warum?
Das
Frontfrauen-Festival ist entstanden aus der Idee des Netzwerkes. Als das Frauen-Kabarett
sich noch schwer tat, haben wir beschlossen: wir verkaufen uns gemeinsam: zehn Frauen
zum Preis von einem Mann. Das Konzept ist aufgegangen. Wir sind damit auf die großen
Bühnen gekommen, aber die wenigsten haben davon ein Einzel-Engagement
bekommen. Die Veranstalter meinten: oh, klasse, jetzt hatten wir sie ja mal alle
hier, dann holen wir ja noch die Missfits und dann ist alles gut. Nichtsdestotrotz
hat es für viele schon einen Schub bedeutet. Aber: obgleich es für einige
oder viele ganz gut war, war für uns doch klar: wenn wir diese Schiene jetzt
weiterfahren, wird es reine Selbstausbeutung. Der Frontfrauenrevue fehlten
auch übergeordnete Ziele. Ich finde wir hätten uns Künstlerinnen kulturpolitisch
einmischen müssen, aber da gingen die Meinungen allein angesichts des Spektrums
der vertretenen Frauen zu weit auseinander. Wir vier, fünf Feministinnen waren
da einfach zu wenig. Und wenn eine Gruppe, deren Mitglieder das einzige Ziel haben
"Ich will auf die Bühne" dieses Ziel erreicht hat und offensichtlich
nicht mehr will, dann muss es sie auch nicht mehr geben.
Welche Zukunft hat das Kabarett denn nun? Mehr Quatsch? Mehr Comedy?
Ich habe die Hoffnung, dass irgendwann der Wunsch wieder aufkommen wird nach anderen
Themen als "Ficken, Ficken Ficken". Wenn ich so durch die Lande reise,
stelle ich fest, dass Feminismus schon lange out ist - nicht nur bei den Männern,
sondern auch bei den Frauen. Zum Beispiel: Vor kurzem habe ich einen Kleinkustpreis
bekommen und nachher musste ich mir ausgerechnet von der Jury so Sachen anhören
wie "Unsere Mädels machen das doch schon ganz klasse, es hat sich doch
schon so viel bewegt, da müssen wir doch gar nicht mehr über Feminismus
reden. Wäre es nicht an der Zeit, mal gemeinsam mit den Männern, etc."
Aber wenn ich dann mit meinen Theaterkursen, also mit diesen "ganz normalen
Hausfrauen" arbeite, dann stelle ich fest: es hat sich noch nichts bewegt. Ich
erlebe da Gespräche wie vor zwanzig Jahren. Es hat sich auf vielen Ebenen nichts
verändert.
Wird es denn noch einmal einen Schwenk zurück zu den Wurzeln des Kabaretts
geben?
Es
wird wahrscheinlich noch eine ziemliche Weile dauern. Comedy kommt ja von Amerika,
und dort feiert man diesen Stil schon seit 20 Jahren. Da müssen wir aber auch
unsere gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge sehen Es gibt immer mehr Desinteresse,
Desillusionen; die Menschen wollen sich nicht merh am Feierabend mit "solchen"
Problemen herumschlagen.
Was hälst Du von der so genannten Queer-Bewegung, zu der wir ja nun alle
irgendwie gehören sollen?
Ich habe, ehrlich gesagt, noch nicht alles verstanden. Als theoretisches Gedankenmodell
finde ich es hoch spannend. Von meiner eigenen Biographie her finde ich es
nach wie vor wichtig, eine eigene Identität zu haben. Ich bin da selbst eher
"konservativ-feministisch". Also: Für mich ist es wichtig zu wissen,
zu welcher Gruppe ich gehöre und wo der Feind steht. Gundsätzlich:
Zusammenarbeit: ja, Miteinander ja, Akzeptanz und Toleranz: ja. Aber alles nun aufzubröseln,
alles zu brechen, das wird schwierig.
Es gibt TheoretikerInnen, die höchst interessante Werke veröffentlicht
haben - nur: sobald man aus diesem intellektuellem Uni-Diskurs raus ist, versteht
man den Kram nicht mehr. Jedes dritte Wort im Lexikon nachzugucken, wird dann schon
mühselig.
Für mich sieht es so aus, als würden die, die es verstehen, es nicht praktizieren.
Und diejenigen, die es praktizieren, können dir das aber nicht erklären.
Da liegt für mich der Knackpunkt.
Ich habe auch das Gefühl, dass das von denen initiiert wird, die von den klassischen
Lesben-Schwulen-Gruppen ausgeschlossen werden, Transsexuelle zum Beispiel. Diese
Ausgrenzung finde ich nicht gut.
Ich bin aber nach wie vor auch der Meinung, wir brauchen noch eigene Räume,
um uns zu positionieren. Jetzt nur noch einen großen Raum zu haben, das ist
mir echt nicht bodenständig genug. Da ist einfach zuviel Flirren, da weiß
ich ja gar nicht mehr, wo ich andocken soll und wo ich noch BündnispartnerInnen
für bestimmte politische Positionen finden kann.
Wie sehen Deine Zukunftspläne aus?
Ich schreibe gerade ein neues Theaterstück. Es geht um eine Lesben-WG, Da gibt
es natürlich viele Verwechslungen, Verstrickungen undsoweiter. Der Arbeitstitel
lautet "alles queer oder was?" Die Idee dazu kam mir beim letzten Lesbenfrühlingstreffen;
es geht also im Prinzip um das Spiel mit den Geschlechtern. Aber mehr wird nicht
verraten!
Interview: Ulrike Anhamm
Photos: Sibylle Ostermann
Kontakt zu Kordula Völker am besten per e-mail: voelker@pride.de; http://www.voelker-kabarett.de
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