Oral History ñ If these walls could talk 2  
 


Während die lifestyllastige Lesbenszene von heute sich mehrheitlich maulig von politisch-feministischen Aktivitäten zurückzieht, kommt plötzlich ein Film in unsere Kinos, der nicht nur durch die Starbesetzung glänzt, sondern intensiv und gekonnt die wichtigsten Eckdaten lesbischen Lebens seit den 60er Jahren erzählt.

Sicher wird das Erste sein, das frau über diesen Film im Freundinnenkreis erzählt, wie ihr Herz raste, als Sharon Stone schweißglänzend sich mit Ellen DeGeneres im Bett rumwälzte, denn diese Szene eignet sich hervorragend dazu, jede Frauenclique zum Kreischen zu bringen. Im Einzelgespräch mit ihrer besten Freundin wird sie aber eher von den Tränen erzählen, die geflossen sind, als Vanessa Redgrave sich gequält auf dem Bett ihrer verstorbenen Freundin windet, bevor sie vom ignoranten Neffen der Verstorbenen aus dem gemeinsamen Haus vertrieben wird.

Drei Episoden unter einem Dach sind das Gerüst des Films, den Ellen DeGeneres mit Suzanne und Jennifer Todd produziert hat. In der ersten Episode Leben zwei alte Lehrerinnen als Paar zusammen ñ ständig in der Angst, entdeckt zu werden. Ihre kleinen Zärtlichkeiten, aber auch ihre Angst ist immer präsent. Da stirbt die eine bei einem Sturz von der Leiter. Die Überlebende, gespielt von Vanessa Redgrave, durchlebt die Hölle, als ein entfernter Neffe sein Recht wahrnimmt, sie aus dem gemeinsamen Haus zu vertreiben. Vanessa Redgrave, ungeliftet und authentisch im Alter, spielt die rechtlos Trauernde mit einer Intensität, die Schmerz bei den Zuschauerinnen verursacht. Völlig zu recht hat sie für diese Darstellung den Emmy für die beste Nebendarstellerin bekommen.

In der zweiten Episode wird das Haus von einer Lesben-WG bewohnt, die für sich selbst zwar jedes Vorurteil bekämpft, aber kein Pardon kennt, als sich eine von ihnen in einem klassischen Sublokal auch in eine klassische Butch verliebt. Sicher klingeln da allen Bewegungslesben die Ohren und die Jüngeren, die jetzt so vehement für Transgender-Anerkennung kämpfen, können staunend den Stolz einer Butch bewundern. Selbstredend könnte frau eine Stecknadel fallen hören, wenn Choe Sevigny aus ÑBoys don´t cryì und Dawson´s-Creek-Beauty Michelle Williams sich endlich in die Arme fallen.

Die letzte Episode ist sicher auch die bekannteste. Wochenlang geisterte die Meldung ÑHollywood-Diva Stone mimt eine Lesbeì durch die Boulevardpresse. In der Neuzeit spielend, stolpern, lachen und knutschen sich Ellen DeGeneres und Sharon Stone ihrem Kinderwunsch entgegen. Leichtfüßig, zum Brüllen komisch und atemberaubend erotisch hantieren sie mit Spermabehältern und Thermometern, um Sharon Stones Schwangerschaft zu erreichen. Ein Rätsel bleibt, ob Anne Heche, Regisseurin der Episode, Riechsalz brauchte, als sie die Sexszenen zwischen Ellen und Sharon drehen musste.

Selten können Lesben Darstellungen ihres Lebens in so guter Qualität, dargestellt von Könnerinnen und mit Sorgfalt produziert bewundern. Diesen Glücksgriff kann frau sowohl auf dem ÑInternationalen Queer FilmFestival Verzaubertì in Berlin vom 29.11. bis 6.12. bewundern oder am 30.11. bis 6.12. unter gleichem Namen in Hamburg. Besonders die Frauen, die der englischen Sprache mächtig sind, werden an den Doppeldeutigkeiten der Original-Dialoge zwischen Sharon Stone und Ellen DeGeneres ihren Spaß haben. Doch das wird hoffentlich nicht die letzte Gelegenheit sein, diesen Glücksgriff im Kinosessel genießen zu können.

Ahima Beerlage

 
   
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