lespress 1197  

Interview

     

 

Die Wirtschaftsberaterin Petra C. Göttel gibt seit Oktober 1997 in lespress Tips zu Finanzen und Versicherungen. Sie ist Mitinitiatorin des bundesweiten Verbandes lesbischer Unternehmerinnen und engagiert sich seit einiger Zeit verstärkt in der lesbisch-schwulen Szene. Ulrike Anhamm unterhielt sich mit ihr.

 

  Wirtschaftsberaterin ist ja nun nicht unbedingt ein so spannender Beruf wie Astronautin, Astrologin oder Animateurin. Du wirkst aber hochmotiviert. Was begeistert Dich also so sehr an dieser Profession?






  Das sind mehrere Dinge: nackte Zahlen an sich finde ich uninteressant, aber die Zusammenhänge zwischen Wirtschaft, Steuerrecht und Geldanlage haben mich schon seit der Schulzeit interessiert, daher wäre ich auch beinahe Steuerberaterin geworden. Allerdings hätte dieser Beruf für mich doch zuviel Routine beinhaltet (Buchhaltungen, Bilanzen usw.), mich haben schon immer die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten, die persönlichen Beratungen am meisten fasziniert - als Steuerberaterin ist aber leider genau hierfür immer weniger Zeit übrig. Daher war es logische Konsequenz, mich als Wirtschaftsberaterin selbständig zu machen: hier ist die individuelle Beratung, die persönliche Strategieentwicklung der eigenen Geldanlagen, Steuern und Versicherungen das A und O für die KundInnen. Sich auf die unterschiedlichsten Menschen und Bedürfnisse einzustellen, die "Zahlen und Fakten" mit Leben zu füllen, ist natürlich auch das sehr Anspruchsvolle in meinem Beruf. Am meisten aber motivieren mich meine KundInnen: wenn ich sehe, daß auch sie Spaß an den eigenen Finanzen bekommen, es keine "böhmischen Dörfer" mehr sind und der finanzielle Erfolg planbar und
sichtbar wird, dann freut mich das selbst ganz genauso.
 
         
  Warum sollen wir nach all den unsäglichen Herr-Kaiser-Verschnitten, die uns nicht nur in der Werbung, sondern ja auch im realen Leben z. B. in der Bank entgegenlächeln, Dir nun mehr vertrauen?

  Es geht ja gar nicht darum, nun nur noch einzig und allein mir zu vertrauen, und mich als die einzig mögliche "glückseligmachende" Beraterin in Deutschland anzusehen - dazu bräuchte ich einen10.000-Stundentag, also absolut utopisch. Es geht mir darum, aufzuzeigen, daß frau und man sich eine/n unabhängige/n BeraterIn suchen sollte. Das heißt, eine Person, die weder bei irgendeiner Institution angestellt ist (Bank, Versicherung, Bausparkasse...), und empfehlenswerterweise auch nicht einem der sog. "Strukturvertriebe" zugehörig ist. Zudem nützt es auch wenig, z.B. den Bereich Geldanlage mit einer Versicherungsberaterin durchzusprechen, denn Geldanlage und Versicherungen sind zweiPaar Stiefel. Außerdem empfehle ich, die BeraterInnenphilosophie genau anzuschauen. Wenn diese den eigenenVorstellungen entspricht, die "Wellenlänge" stimmt und frau ein sehr gutes Gefühl dabei hat, dann hat sie die/den passende/n BeraterIn gefunden. Das kann dann ich sein, muß aber nicht.  
         
  An welchem Punkt verdienst Du denn nun in diesen Zusammenhängen Deinen Lebensunterhalt? Arbeitest Du mehr, weil Du weniger Provision von denKundInnen nimmst? Schließlich ist es nicht so einfach, sich selbständig zu machen - und es zu bleiben.   Ja, Selbständigkeit hat nicht nur Vorteile, man muß zu einigen Risiken und Opfern bereit sein, das ist klar. Mein Verdienst ist einfach erklärt: bei Versicherungen, Investmentmentfonds usw. erhalte ich eine Provision von den Gesellschaften, die abhängig ist von der vertraglichen Abschluß-Summe. Dadurch kann ich die gesamte Beratung und Strategieentwicklung für meine KundInnen sogar kostenfrei halten. Ausnahme ist die Vermittlung einer Immobilie (i.d.R. als Kapitalanlage): hier berechne ich dann eine einmalige Maklercourtage in Höhe von 3,45%. Diese einheitlichen Regelungen betrachen auch meine KundInnen als die fairste und bequemste Art meiner Aufwandshonorierung. Nur in Ausnahmefällen war die sog. Honorarberatung sinnvoll und notwendig.  
         
  Du bewegst Dich seit einiger Zeit recht offensiv in schwul-lesbischen Zusammenhängen. Hast Du mit Deinen wahrscheinlich vornehmlich heterosexuellen KundInnen nicht genug Geld verdient?







  Ich verstehe Deine Frage dahingehend, daß Du wissen möchtest, ob ich wirtschaftlich-finanziell auf die schwul-lesbische Klientel angewiesen bin:
nein, bin ich nicht, denn schließlich ist dieser Dienstleistungsbereich für die heterosexuellen KundInnen genauso interessant oder wichtig, und bisher überwiegt dieser Anteil mit ca. 75% sogar noch deutlich.
Daß ich trotz meiner schon 6,5-jährigen Selbständigkeit erst seit knapp 1,5 Jahren auch beruflich in die "öffentliche Szene" gehe, hat mehrere Gründe. Zum einen hatte ich mein coming out erst vor 5 Jahren. Daß sich das zuerst einmal "privat" setzen mußte, und ich nicht gleich mit dem Schild um den Hals auf die Straße gerannt bin, ist bestimmt nachvollziehbar. Außerdem ist der steuer- und wirtschaftsberatende Berufsbereich leider z.T. noch stockkonservativ, und da ist 1.eine Frau und 2.eine lesbische dazu schließlich auch nicht das, worauf alle Banker und Steuerberater nun gewartet hätten. Der Anstoß, meine Dienstleistung auch in der Szene zu bewerben - kam vor allem direkt von meinem schwul-lesbischen Klientel.
Daß ich durch diese KundInnen jetzt mehr als früher verdienen würde, kann ich nicht behaupten. Eher das Gegenteil ist der Fall, indem ich - auch durch meine Vorträge - mittlerweile zusätzlich wesentlich mehr Anfragen auch für ganz kleine Sparbeträge habe - und auch diese KundInnen möchte ich genauso gut beraten, selbst wenn sich diese Beratungen betriebswirtschaftlich überhaupt nicht rechnen.
 
         
  Sieht Deine Utopie von einer besseren Gesellschaft eher so aus, wie es sich in einem recht konservativen Parteiprogramm findet? (Also: seht zu, daß ihr es macht wie Onkel Dagobert und laßt die Donalds für Euch arbeiten. - Wenn es denen schlechter geht, sind sie im Grunde selbst schuld...).   Um Himmels Willen, was denkst Du denn von mir? Meine Utopien und Hoffnungen gehen dahingehend, daß es eine Gesellschaft gibt, in der echte Chancengleichheit für Frauen, im speziellen auch gleiche Rechte für Lesben und Schwule existieren. Daß es PolitikerInnen gibt, die wirklich etwas von ihrem Job verstehen, und uns nicht tagtäglich diesen unfähigen Mist auftischen - mir wird manchmal schlecht dabei! Ich sehe vor allem im politischen Bereich noch eine Menge Verbesserungsmöglichkeiten...allerdings halte ich nichts von Jammereien, dadurch wird sich kaum etwas ändern. Aber daß man zum größten Teil für sein Leben selbst verantwortlich ist, und die "Schuld" nicht immer bei den anderen suchen sollte, diese Einstellung habe ich auch.  
  Vor einem Deiner Vorträge wurden Flyer verteilt mit dem Aufruf, das eigene Geld "antikapitalistisch" lieber Flüchtlingsfrauenprojekte zu geben, statt es "individualistisch" anzulegen. Wie begegnest Du diesen Frauen und dem damit verbundenen Vorwurf?  



Das war auf der Lesbenwoche in Berlin vom "FrauenLesben-Bündnis zur Unterstützung illegalisierter Flüchtlingsfrauen". Sie kritisierten in ihrem Flyer die Existenzgründungsberatung und eben meinen Vortrag, persönlich habe ich keine der Frauen getroffen. Es war das erste Mal, daß Vortragsbesucherinnen und ich damit konfrontiert wurden. Ich muß sagen, ich finde es schlichtweg heldinnenhaft, wenn Frauen bereit sind, all ihr Geld, ihre Ersparnisse usw. anderen Frauen zur Verfügung zu stellen. Allerdings überrascht es mich, daß diese Frauen das partout auch von allen anderen verlangen - ohne z.B. zu bedenken, daß es vielen Frauen, die ihr Geld sparen und anlegen, auch darum geht, für eventuelle Arbeitslosigkeit, niedrige Rente, Umschulungen, unvorhergesehene Ausgaben usw. Rücklagen zu bilden. Frau kann doch erst etwas (ab)geben, wenn sie etwas hat - genauso verhält es sich mit meinem eigenen Sponsoring verschiedener Frauen- und schwul/lesbischer Projekte: ich könnte nichts unterstützen, wenn ich keine Einnahmen hätte.
 
         
  Ich sollte z. B. nicht in eine Genossenschaft investieren, sondern lieber in eine womöglich häßliche, relativ kurzlebige aber für alle Beteiligtengut abzuschreibende Immobilie, in der ich selber nie wohnen möchte? Bei jeder Geschichte gibt es doch einen, der draufzahlt. Das sind in in diesem Fall die MieterInnen, die - wenn sie sich´s leisten können - widerum durch Dich vermittelt eine andere ähnliche Imobilie in die Landschaft setzen...
Oder achtest Du auch auf ökologisch sinnvolle Projekte?






  Oh, da sprichst Du harsche Kritik! Gut, laß es uns der Reihe nach durchgehen. Es spricht nichts dagegen, in eine Genossenschaft zu investieren, wenn für Dich die Vorteile die Nachteile überwiegen, zu jeder Geldanlage gehört auch die eigene Entscheidung dazu. Wenn Du eine häßliche, kurzlebige Immobilie kaufen möchtest, ist auch das Dir überlassen, aber ich würde Dir dringend empfehlen, wenn, eine attraktive, langlebige Immobilie zu kaufen, schließlich möchtest Du von Deiner Investition ja etwas haben - außer Steuervorteile durch Abschreibungen. Daß die allermeisten Geschäfte in der Wirtschaft Geschäfte sind, bei dem jede Seite gewinnt, das kennzeichnet eine gute Volkswirtschaft. Wenn Du beim Bäcker ein Brötchen kaufst, dann ist das ein Geschäft: Du hast etwas Gutes zum Essen, der Bäcker hat für seine "Leistung" etwas verdient. Bei der (seriösen) Geldanlage ist das genauso. Dafür ist die vermietete Immobilie als Kapitalanlage mit das beste Beispiel - immer vorausgesetzt, die Immobilieninvestition paßt rundherum (Preis-Leistungsverhältnis, gute Vermietbarkeit, etc).

Fangen wir bei der InvestorIn an: ihr Geld wird gut "verzinst", es ist inflationssicher angelegt, das Finanzamt gewährt ihr z.T.hohe Steuervorteile usw. Der Bauträger oder bisherige BesitzerIn wird für ihre/seine "Leistung" bezahlt. Die MieterIn hat eine Wohnung zur Verfügung - die sonst dem Markt fehlen würde! Denn was passiert, wenn es zuwenig (preiswerte) Wohnungen auf dem Wohnungsmarkt gibt? Durch Wohnungsnot steigen die Mieten überdurchschnittlich, diese Situation hatten wir vor einigen Jahren. Deine Wohnung wäre also ein - wenn auch ganz kleiner - Baustein gegen Mietwuchermöglichkeiten. Zusätzlich ist dabei sogar der Staat ein Gewinner: durch die Arbeitsplätze usw. nimmt er im Durchschnitt wieder ca. doppelt soviel Steuern ein, wie Du als Investorin über all die Jahre erhalten hast. Also alles in allem eine lohnende Investition, bei der wirklich jede Seite auf der GewinnerInnenseite ist.Für die KundInnen, die eine rein ökologisch ausgerichtete Geldanlage möchten, gibt es natürlich auch Möglichkeiten, z.B.Investmentfonds.
 
         
  Hälst Du einen Verband lesbischer Unternehmerinnen und Führungskräfte ähnlich dem Völklinger Kreis (Verband schwuler Unternehmer und Führungskräfte) für sinnvoll?   Ja, sehr - wenn wirklich mit fähigen Frauen Strukturen aufgebaut werden, die etwas bewegen können und sich nicht erst jahrelang über Grundsatzdiskussionen uneinig sind. Zur Zeit ist dieser Verband in der Gründungsphase, wobei ich mich leider zeitlich etwas zurückziehen mußte.  
         
  Wäre dieser Verband nur das lesbische Pendant zum Völklinger Kreis, oder siehst Du jetzt schon entscheidende Unterschiede?   Von der Anfangsidee war es als lesbisches Pendant gedacht, aber wir möchten noch andere Möglichkeiten einbinden: z.B. im Titel und der Satzung auch bewußt Unternehmerinnen ansprechen. Weiterhin ist geplant, den Verband als Dachverband von lesbischen Projekten zu gründen und anzubieten, damit eine noch effektivere Zusammenarbeit von Lesben ermöglicht werden kann. Es werden bestimmt noch weitere Ideen einfließen.  
         
  Auf die Frage "Möchtest Du reich und berühmt werden?" antwortete dieKünstlerin Janice Perry spontan "Nein, nur reich" Wie sieht´s bei Dir aus?   Ich glaube kaum, daß mein Berufsbild dazu geeignet ist, berühmt zu werden ... Und reich, hm...darin sehe ich mehrere Aspekte. Finanzielle Sicherheit ist mir schon wichtig, ja. Wobei ich eines Tages vor allem sagen können möchte, daß mein Leben "reich" an Erfahrungen, an schönen Erlebnissen und Erinnungen ist; "reich" an Menschen, die ich kennengelernt habe; daß ich eine wundervolle und liebevolle Partnerschaft gelebt habe; daß ich einfach "reich" an "glücklichem Leben" war, verstehst Du? Materieller Reichtum kann sehr viel Spaß machen, und ich möchte schon noch einigen Spaß erleben (und auch mal wieder Urlaub nach 2 Jahren); aber ein erfülltes, selbstverwirklichtes Leben - und das ist mein Lebensziel - geht nur über immateriellen Reichtum.