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lespress 1098 |
Erotik |
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Es soll ja Menschen geben, auf die sich die Mischung von schwüler Hitze und achtstündigem Arbeitstag neurotisch auswirkt. Zu dieser Sorte gehöre ich. Ich saß an meinem Schreibtisch, sah den draußen am Schaufenster vorbeilaufenden Frauen nach. Zwischen meinen Brüsten spürte ich, wie mir die Schweißtröpfchen die Haut hinunterkugelten und ich drehte in meinem Kopf den Film "Erotische Geschichten am Arbeitsplatz". Dieser Sommer wollte mir außer gähnender Langeweile und einer wegen der Sommerpause fast ausnahmslos geschlossenen Lesbenkneipe nichts bieten. Statt am Strand verbrachte ich also den Sommer hinter meinem Schreibtisch im Reisebüro und schlich mich seit einer Woche, wenn meine Kolleginnen in der Mittagspause waren, in das Büro meiner Chefin und über deren PC ins Internet, obwohl ich, was Computer angeht, von Null und Nichts eine Ahnung hatte. Heimlich natürlich und mit etlichen Panikschüben zwischendurch, aus Angst mit meiner Ahnungslosigkeit das ganze System zum Absturz zu bringen oder hier im Büro erwischt zu werden. Dieses Jahr mußte ich mir meinen heißen Sommernachtstraum anders organisieren. Da war zum Beispiel Vicky. Seit vier Tagen trafen wir uns immer zur selben Zeit im gleichen Lesbenchatroom. Ich loggte mich in der Mittagspause ein und fand außer Vicky noch sechs andere Frauen vor. Fast ein Rekord um diese Uhrzeit! "Turtle hat den Kanal betreten" erschien, und ich war drin. Turtle war mein Pseudonym. |
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Eine meiner Kolleginnen kam viel
zu früh aus ihrer Mittagspause zurück, und ich schaffte es gerade noch,
rechtzeitig den PC und das Büro zu verlassen. Den Rest der Arbeitszeit malte
ich mir in Gedanken aus, wie diese Vicky wohl sein mochte. Wenn das stimmte, was
sie schrieb, kam sie aus Frankfurt, also gar nicht so weit weg von diesem Kaff hier,
und war vermutlich der burschikose, frivole Typ Frau, ganz nach meinem Geschmack.
Die Aussichten auf einen vielleicht doch nicht so ganz unspektakulären Sommer
schienen von Tag zu Tag erfolgversprechender zu werden. Die Mittagspause tags drauf
blieb ich zur Verwunderung meiner Kolleginnen wieder in der Filiale und loggte mich
ein, als sie weg waren. Bis auf eine neue mit dem Namen Marlies waren alle anderen von gestern auch wieder da. Vicky und ich hatten uns den Bildschirm bald erobert. |
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Daß das so einfach sein würde, hatte ich mir nicht ausgemalt. Dafür daß ich diese Woche zum ersten Mal im Internet surfen war, fand ich mich schon ganz gut. Eine so heiße Verabredung und das ganz ohne peinliche Auftritte meinerseits. Ich wurde immer besser, fand ich, und niemand wußte davon. An diesem Nachmittag zählte ich die Stunden, bis wir für das Wochenende dichtmachten. In meiner Wohnung herrschte noch das Chaos vom Umzug, den ich vor zwei Wochen hinter mich gebracht hatte, und eigentlich wollte ich an diesem Abend noch die restlichen Kartons aus der Wohnung meiner ehemaligen Traumfrau holen, die zu ihrem Vibrator derzeit ein sexuell besseres Verhältnis hat als zu mir. Statt dessen schnappte ich mir meine Fünf-Kilo-Hanteln und trainierte meine Oberarmmuskeln ausgiebig. Kurz bevor mir die Sehnen durchknallten, ließ ich die Hanteln fallen und warf mich erschöpft auf den Boden. Mein Blick fiel auf Friedhelm. Au shit. Friedhelm war meine Schildkröte. Friedhelm, weil er eben immer so friedlich war und starke Ähnlichkeiten mit einem Fahrradhelm hatte. Diese Namenskombination fand ich passend. Jedenfalls lag Friedhelm neben mir mit einer Hantel auf dem Panzer. Ich nahm sie ihm vorsichtig runter und betrachtete besorgt den Riß, den er nun im Panzer hatte. Außer seinem geplatzten Deckel war nichts von ihm zu sehen. Abwarten. Ich prüfte vor dem Spiegel stolz meine geschwollenen Oberarme, war zufrieden und schichtete das Durcheinander um mich herum etwas um, damit ich die Zeit totschlagen konnte. Nur das Schlafzimmer räumte ich richtig auf. Dann schmiß mich eine halbe Stunde lang unter die Dusche. Anschließend schlüpfte ich in eine schwarze Jeans und ein schwarzes Sportbustier, darüber ein weißes Männerunterhemd. Perfekt. | ||||||
Ich schnappte mir das schwarze Jackett, drückte Friedhelm einen Kuß auf den Sprung in seiner Schüssel und machte mich auf den Weg. Ich wußte nur in etwa, wie sie aussah: blond, mittelgroß, bißchen KV. Aber ob sie wirklich so drauf war wie beim chatten? Ob wir gleich im Bett landeten oder uns die Nacht lang in der Kneipe totquatschten, um uns dann nochmal zu verabreden? Daß wir uns unsympathisch waren, konnte ich mir nicht vorstellen, am PC funktionierte das ja wie geschmiert. Ich wußte gar nicht, wie alt sie war. Unwichtig. War sie Single oder war sie vernachlässigt? Auch egal. So wieës aussah, endete der Abend bei mir zu Hause, und das war mir gerade einfach das wichtigste. Der Rest würde sich dann ergeben. Ich war höllisch aufgeregt, durch meinen Kopf schossen die verschiedensten Bilder, wie ich diese Nacht wohl mit ihr verbringen würde. Als ich dort ankam, beschleunigte sich mein Puls mit Warp-Geschwindigkeit. Unter meiner Jeans kribbelte es eifrig vor sich hin, und ich freute mich auf das kommende. Gleichzeitig mit mir betrat eine andere Frau, die ungeschickterweise auch ein schwarzes Jackett trug, die Bar. Warum sie mich so seltsam ansah, verstand ich nicht. Ich schob meine feuchten Hände in die Taschen des Jacketts und blickte mich nach Vicky um. Heute mittag dachte ich noch, daß dies ein vielversprechender Tag werden würde. Jetzt sah er allerdings etwas zuviel versprechend aus. An der Bar saßen fünf Frauen, die alle eine weiße Baseballmütze trugen! Die fünf Baseballfrauen drehten sich zu mir und der anderen um, und der Spaß, den sie dabei hatten, war nicht zu übersehen. Peinlich berührt blickte ich von den Frauen an der Bar zu der Jacketträgerin, die mich dreist angrinste und fragte.: "Na Turtle, nimmst du die links und ich die rechts?" | ||||||
Juli Montag | ||||||