lespress 1097

Portrait

    von Ulrike Anhamm

Diese Frau hat tausend Gesichter, wahrscheinlich ebensoviele Kostüme und natürlich eine blühende Phantasie. Wortgewaltig, gestenreich und eben ziemlich bunt fegt sie in ihrer Show über die Bühne und macht so alles und jeden nieder, was, bzw. wer ihr über den Weg gelaufen ist und nicht so paßt. Dazu gehören Männer, Anrufbeantworter, Therapeutinnen, lesbische Finanzbeamtinnen (letztere kann man eigentlich nicht treffender beschreiben, indem man sie Karin Zorn nennt) - und natürlich sie selbst.  
  Die Entertainerin Janice Perry hat in Europa und besonders in Deutschland inzwischen eine große Fangemeinde, der ganz, ganz große Durchbruch ist ihr allerdings leider noch nicht gelungen.
Die Amerikanerin studierte zunächst Englisch, Philosophie und Religion. "Das war sehr interessant, und ich bekam also meinen ersten Job nach dem Studium als Serviererin." Danach kamen viele andere ähnliche Jobs; Janice Perry schrieb nebenbei Geschichten, die im Laufe der Zeit immer kürzer wurden; schließlich stellte sie fest, daß sie eigentlich nur noch Lieder schrieb. 1981 fragte eine Freundin, ob sie sich vorstellen könne, bei der ersten Frauenkonferenz in Florida aufzutreten, und Janice Perry sagte gerne zu. "Nun hatte ich gerade ein Liebeslied für Supermans Freundin Lois Lane geschrieben, was den 500 Zuschauerinnen ziemlich gut gefiel. Da dachte ich: hey, cool!"
 
  Um sich das tägliche Leben ein wenig aufzupeppen, begann sie, aus eher durchschnittlichen oder langweiligen Situationen kleine Radio- oder Fernsehshows zu machen, die sie mit einem kleinen billigen Cassettenrecorder aufnahm. "Der Trick war einfach: Beim Kochen produzierte ich die Koch-Show, beim Putzen die Putz-Show, wenn ich aus dem Fenster sah, machte ich so eine Art Wetterbericht, und wenn ich mit meinem Hund sprach, tat ich dies in der Tier-Show." Eine Freundin fand diese Cassette, hörte sie sich an, kopierte sie heimlich und sandte dieses Band ebenso heimlich an die Organisatorinnen des ersten großen Frauenfestivals in Connecticut. Denen gefiel das Band trotz der sehr schlechten Aufnahmequalität so gut, daß sie Janice Perry einen 45-minütigen Auftritt für sage und schreibe 50 US-Dollar anboten - plus freien Eintritt zum Festival. "Ich fand das klasse! 50 Doller waren für mich damals viel Geld. Dann lief mein Auftritt vor den 2000 Frauen, so gut, daß ich dachte: Hey, das ist mein neuer Job!"  
  Einige der Frauen von dort luden sie ein nach Boston. "Dort hatte ich einen wunderbaren Auftritt. Eine Frau in der ersten Reihe lachte soviel, daß sie aus ihrem Sitz fiel." Ausgerechnet diese Frau gehörte einer Theatergruppe an, die etliche Male in Europa aufgetreten war. Sie riet Janice Perry eindringlich, nach Europa zu gehen, weil die Leute "dort" einfach mehr Verständnis für Künstlerinnen wie sie hätten. Aber Janice Perry hatte keine Lust auf Europa: "Mich zog es in die Weite; ich träumte eher von Afrika. In Europa war mir alles zu alt, zu erschlossen; viel zu dicht bevölkert." Aber nun war sie wieder einmal weiterempfohlen worden für ein Festival in Amsterdam. "Von dort erhielt ich dann eines Tages ein Schreiben, in dem die Organisatorinnen mir mitteilten, daß sie mich leider nicht einladen könnten. Da war ich so empört, daß ich sofort zurückschrieb: Liebe Leute, legt das Geld für meine Gage schon mal bereit, weil ich nämlich kommen werde. Macht Euch keine Sorgen um meine Anreise und meine Unterkunft; darum kümmere ich mich selbst." Diesem Charme konnten die Organisatorinnen natürlich nicht widersetzen...
Von Amsterdam ging es weiter nach Kopenhagen und schließlich nach London, wo sie ab 1982 so viele Engagements hatte, daß sie fast die Hälfte des Jahres dort verbrachte.
 
Als ihr eine deutsche Kollegin während eines Shakespeare-Festivals Auftritte in Deutschland empfiehlt, lehnt sie zunächst ab. "Ich kannte Deutschland schließlich nur aus diesen Weltkriegsfilmen; außerdem würden da ja nur Deutsche rumlaufen." Doch die Situation der kleinen Theater in England wurde durch den Thatcher-Einfluß immer schlechter. Es gab immer weniger Auftrittsmöglichkeiten, und Janice Perry versucht ihren ersten Auftritt in Nürnberg (of all places...).
"In Deutschland stellte ich recht schnell fest, daß ich weniger sprechen, mich aber mehr auf der Bühne bewegen muß. Mit der Kombination aus englischem Wortgrundgerüst plus ein paar deutscher Worte, deren gemeinsame Wurzeln mit entsprechenden englischen Worten ich selbst verstanden hatte, plus Gestik und Mimik konnten die Zuschauer prima auskommen."
 
  Und so hangelt sie sich in ihrem Programm durch die englische und deutsche Sprache, macht klar, daß gewisse Kriege nur durch die Ausschüttung männlicher Hormone in den Wechseljahren einer regierenden Frau zu erklären sind, daß nicht nur Eichhörnchen buschige Schwänze haben, und daß es gerade in lesbischen S/M-Zusammenhängen fatal sein kann, ein Dirndl mit einem Dildo zu verwechseln. Das ist ganz schön wild und klingt zunächst chaotisch, dennoch zieht sich der dünne, aber reißfeste und häufig auch rote Faden des Feminismus durch ihr Programm - hübsch ist, daß die meisten Männer auch erst einmal herzlich mitlachen, bevor sie registrieren, daß es ihnen eigentlich an den Kragen geht. - Es gibt ja auch für Männer nicht Schöneres, als von einer Lesbe, die wie sie auf Frauen steht, Gemeinheiten über Frauen zu hören. "Leider" beläßt Janice Perry es nicht dabei; es gibt nämlich umgekehrt auch nichts Schöneres für Frauen, als von einer Frau etwas über die Schwächen der Männer zu erfahren...und Janice Perry kennt sie alle.  
  "Das besondere an meinem Programm ist, daß ich versuche herauszufinden, was in der Welt so vor sich geht. Ich beobachte sehr viel, und mir ist es wichtig, die Grundströmungen herauszufinden. Zum Beispiel in der Mode: Auf einmal sehe ich viele junge Mädchen, die lange, enge Kleider tragen, in denen sie nicht gehen können, und Schuhe, in denen sie nicht laufen können. Für mich gibt es da einen klaren Bezug zum antifeministischen Backlash. Nun ist das ja nichts neues, darum geht es in meinen Shows immer schon. Und so, wie ich das sehe, wird es wohl leider auch weiterhin darum gehen. Aber es gibt verschiedene Formen und Zusammenhänge, die ich versuche herauszubekommen. 1988 sah es in meinem Programm so aus: Ich betrat die Bühne in einem sehr, sehr kurzen Kleid mit sehr, sehr viel Make-Up und begrüßte die Zuschauer mit den Worten: "Sind sie nicht auch froh, daß der Huren-Look wieder in ist?" Etwas entsprechendes für 1997 fällt angesichts der gerade beschreibenen Mode nun nicht mehr schwer."  
Janice Perry´s neue Show heißt "Out from Underground" - und das nicht ohne Grund. "Ich möchte einfach mehr Geld verdienen, als es in der sogenannten Subkultur möglich ist. Der Name ist sozusagen Programm." Leider gibt es immer noch zu viel "Englisch-Angst" bei den Veranstaltern, und leider gibt es offensichtlich auch immer noch zuviel "Frauen-Angst": "Meine Managerin hat bei so manchem Theater die Antwort bekommen: "Oh, wie schade, aber wir hatten in diesem jahr schon eine Frauenwoche", worauf wir natürlich zurückfragen: "Ach, die anderen 51 Wochen sind also Männerwochen?" Sehen wir uns doch einmal in der Theaterszene um: da gibt es doch nur sehr wenige Frauen. Auch die großen CSD-Veranstaltungen sind doch eher für Männer gemacht. Ich würde auch gerne einmal so eine große Show oder Gala für Frauen sehen, zu der prozentual betrachtet ebensoviele Männer kommen wie z. B. Frauen zu den CSD-Galas. Aber das passiert nicht. Deshalb ist meine Botschaft an die Leserinnen auch klar: Unterstützt Frauenkultur. Das ist wichtiger denn je."  
  Aber vielleicht ändert sich ja auch bald etwas in der Kulturszene. - "Nur habe ich so langsam keine Lust mehr zu warten."
Und weil niemand vorgeschrieben hat, daß Warten leise zu sein hat, wartet Janice Perry laut - mit ihrem neuen Programm, out from the underground.
 
  Die aktuellen Tour-Daten finden Sie immer hier: http://members.aol.com/jpakagal  
 

zurück