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Mit zwei Paar
Schuhen ist sie auf der sicheren Seite. Je nach Bedarf wechselt sie in Windeseile
das hochhackige gegen das flache Modell. Dann taucht sie wieder ein in die intensive
und intime Kommunikation der Körper, die wohl kaum ein Tanz so stark ausstrahlt
wie der argentinische Tango.
Der
lasziv-agressive Tango Argentino entstand am Ende des 19. Jahrhunderts in den Armenvierteln
von Buenos Aires. Argentiniens Oberschicht verpönte den Tanz der MigrantInnen,
Prostituierten und Zuhälter als verrucht und verdorben, in den Tanzsälen
von Paris und London jedoch brach schon bald ein Tangofieber aus, das auch Berlin
und das ferne Tokio packte und bis heute anhält. Tango gilt als erotisches Duell
der Geschlechter, bei dem hemmungslos alte Rollenklischees gepflegt werden. Hier
sei der Mann noch Mann, die Frau ganz Frau... Was aber fasziniert Lesben so sehr
am südamerikanischen "Machotanz"?
Marga Nagel und Ute Walter gelten als die Geburtshelferinnen der lesbischen Tangoszene.
Seit fast 15 Jahren vermitteln sie in zahllosen Kursen den unendlichen Variationsreichtum
von Schritten, Haken und Schlenkern, Stopps und Kicks, die den argentinischen vom
Standard-Tango unterscheiden und ihn so sinnlich-erregend wirken lassen. Am ersten
Oktoberwochenende laden sie - gemeinsam mit dem schwulen Tangolehrer Felix Feyerabend
- zum 3. Internationalen Queer Tango Festival ein. Tangobegeisterten Experimentierfreudige
können dann - gleich welcher Geschlechteridentität oder sexueller Präferenz
- nach Lust und Laune an den Geschlechtergrenzen rütteln, führen und folgen,
wie es beliebt, und an einem vollgepackten Programm mit Workshops, Bällen, Vorträgen
und Showtanz teilnehmen. "Keine lesbisch-schwule Insel, sondern eine kurze Heimat
für alle queer Tanzenden" wolle das weltweit wohl einzigartige Festival
sein, erklären die VeranstalterInnen. Und dafür besteht offensichtlich
Bedarf: Der Reiz, mit Rollen zu spielen und dabei neue Dimensionen der eigenen Identität
zu entdecken, packt immer mehr Lesben und Schwule - aber auch Hetero- und Bisexuelle.
Räume aber, in denen mit wechselnden Rollen oder gar die Rollen sprengend, eben
queer, getanzt werden kann, sind knapp.
In
Buenos Aires ist es an einigen Tango-Orten immer noch verboten, in gleichgeschlechtlicher
Konstellation zu tanzen und auch in deutschen Tanzsälen ist es auch heute nicht
selbstverständlich, als Frau zu führen. Der Historikerin Magali Saikin
ist es zu verdanken, dass allmählich die andere, relativ unbekannte, queere
Geschichte des Tango öffentlich wird. In Archiven in Paris und Buenos Aires
fand Sagali Spuren von Frauen und Männern, die dem klassischen Tangoklischee
nicht entsprechen: Zuhälter mit geschminkten Gesichtern, lesbische Prostituierte
mit Messer im Strumpfband, Frauen wie die bekannte Tangomusikerin Azucena Manzani,
die sich in männlicher Kleidung als Lesbe in der argentinischen Tangoszene bewegte.
Das seien zu viele neue Erkenntnisse und Entwicklungen, finden TraditionalistInnen,
die sich mittlerweile um den ursprünglichen, angeblich richtigen Tango sorgen.
In einer Umfrage unter 170 TänzerInnen meinte fast jedeR fünfte, gleichgeschlechtliche
Paare sollten nicht miteinander tanzen. Nur 14 Prozent waren der Meinung, dass Frauen
beim Tango führen sollten. Und ein Münchner Tanzlehrer warnte gar in einem
bundesweit erscheinenden Tangomagazin: "Bringt die Menschen nicht durcheinander!"
Von Verwirrung ist bei den Queer Tangueras allerdings nichts zu spüren. Statt
dessen freuen sie sich an der Lust, Grenzen zu überschreiten und neue Seiten
an sich zu entdecken. Die leidenschaftliche Tangotänzerin Chris erzählt:
"Sonst bin immer, wennís was zu tun oder tragen gibt, als die starke Macherin
gefragt. Beim Tango übe ich, an die Hand genommen zu werden, und mal nicht alles
alleine zu bestimmen". Das sei "ungewohnt, aber auch unglaublich entspannend."
Tangolehrerin Ute Walter hingegen hat sich auf die führende Rolle festgelegt,
"wegen meiner Statur, und weil ich das eben gut kann. Queer Tango", stellt
sie klar, "will ja nicht die Rollen abschaffen. Aber statt das Führen und
Folgen dem Geschlecht zuzuordnen, sind die Rollen im Queer Tango an innere Qualitäten
gekoppelt, mit denen ich spielen kann." Und das macht ganz offensichtlich Spaß.
Tina Fritsche
3. Internationales Queer Tango Festival, 3.-5. Oktober 2003 im Baladin, Stresemannstr.
374, Hamburg.
Mehr Infos unter www.queer-tango.de |
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