The Voice - Horse McDonald

 
   
  Wer sie während der letzten CSDs in Köln und Berlin live erleben konnte, weiß, dass die Dame was drauf hat. Wer nicht, erinnert sich bestimmt an die Titelmelodie der TV-Show "b.trifft". - Horse McDonald singt nicht nur toll, sondern ist für viele auch einfach toll. Nach ihren Alben "The same Sky" (1990, darauf eben das "b.trifft"-intro "...and she smiled") und "Gods home movies (1993) war allerding erst einmal Sendepause.
1995 ging es weiter: Die CD "Both sides" erschien unter dem hauseigenen label "randan", dem dann das aktuelle Album "Hindsight...it's a wonderful thing" (2001) folgte, das nun auch hierzulande erhältlich ist.
Ulrike Anhamm unterhielt sich mit Horse McDonald darüber, was bisher geschah und wie es weitergeht.


Es gibt etwas, das alle gerne wüssten: Wie war das mit Deinem coming-out?
"Nun, ich hatte weder ein spektakuläres noch vielleicht tolles coming-out. Ich hasste mein weibliches Dasein, war wie jeder Teenager rebellisch - und musste in einer kleinen schottisch Ortschaft, in der es offensichtlich niemanden wie mich gab, mit den Konsequenzen leben: die Jungs-Gangs haben mich verfolgt, sogar die Polizei tauchte ab und an bei uns auf. Mein einziger Ausweg: Ich wurde einerseits zum Klassenclown, und ich zog mich andererseits zurück in die Musik.

Und warum hast Du Dir selbst den Namen Horse gegeben?
Ach, ich mochte meinen Mädchennamen nun wirklich nicht; ich mochte aber Pferde, sie sind nett, stark und ruhig - naja, und irgendwann habe ich meinen Freunden gesagt: "Call me Horse". Das haben sie dann auch getan. Und: es funktionierte.

Aber nun ist nicht das vierbeinige Pferd, sondern das Seepferdchen Dein Logo...
Das stimmt. Als ich entdeckte, wer oder was das Seepferd so ist, wurde es zu meinem Logo - ich empfehle allen einen Blick ins Biologie-Lexikon! Allein die Fortpflanzung ist völlig ungewöhnlich, und überhaupt ist es eines der faszinierensten Lebewesen auf dieser Erde!.

Zurück zur Musik: Nach Deinem Anfangserfolg mit "The same sky" und dem Nachfolgealbum "Gods home movies wurde es ruhig um Dich. - Kann es sein, dass Du etwas zu früh auftauchtest als "androgyne" Persönlichkeit?
Vielleicht. Es war schon so: Ich war im Gegensatz zu den andern KünstlerInnen immer "sichtbar" - damals gab es noch keine k.d.lang. Aber als es sie dann gab, sagten mir alle: "Ja nun, wir brauchen nicht noch so eine, wir haben ja bereits eine." - Das war ein bisschen so wie bei der Arche Noah: Sorry, aber wir haben schon eine! Tschüss!

War das dann auch ausschlaggebend, Dein eigenens Label "randan" zu gründen?
Sicherlich. Ich wollte und will erstens meine Songs selbst schreiben; eigentlich will ich hauptsächlich schreiben. Und das ist etwas, was ein so genanntes Major Label nicht bieten kann und will.

Ausgerechnet die erste CD dieses Labels ist erfolgreicher als alles andere, was Du bisher gemacht hast: "Both sides", eine Live-Aufnahme mit dem Scottish Chamber Orchstra. - Wie kam es dazu?

Ich hatte ja nun schon Aufnahmen gemacht mit einem größerem Streicherensemble für die beiden vorherigen Cds, wusste also, wie wunderbar eine Zusammenarbeit sein könnte. Aber es war dennoch ein ziemlich aufregender Schritt, das Scottish Chamber Orchstra zu fragen. - Ehrlich gesagt: habe ich mit einer prompten Absage gerechnet. Aber sie sagten: "Oh, this is so cool! Let's do it!"
Und also haben wir dieses Konzert in einer der feinsten und schönsten Konzerthallen in Glasgow gemacht. Was auch ziemlich aufwändig war. Aber das Resultat hat uns alle, die wir dabei waren, bestätigt.
Wir nennen so etwas "magical", es stimmte alles: die Atmosphäre, das Publikum, die KünstlerInnen auf der Bühne.

Auf der CD ist ja sogar Barber's "Adagio for strings" zu hören, was für eine "Pop"-CD sicherlich ungewöhnlich ist.

Ja, aber für mich war das sehr wichtig. Und ich habe mich extra nicht von der Bühne wegbewegt, sondern bin dort sitzengeblieben, damit das Publikum nicht denkt, jetzt kommt etwas "anderes". Und es hat ja auch funktioniert. - Wie es jeder "klassische" Zuhörer befürchtet, haben die Leute vor Ende des Stücks geklatscht. Was ich aber völlig okay finde, schließlich ist dies ein spontaner Gefühlsbeweis der ZuhörerInnen, den wir nicht unbedingt und immer reglementieren sollten. Im Gegenteil: Nur so macht Musik doch Freude! Und interessanterweise war das Orchester, bzw. der Dirigent, zunächst ein wenig irritiert, dann aber höchst erfreut!

Außerdem war dies ein hübscher und zudem trickreicher Weg, den Popmusik-HörerInnen ein wenig Klassik mit auf den Weg zu geben...

Ja, eben! Aber ohne jegliche öffentliche Förderung. Es saß übrigens an jenem Abend auch die Kulturreferentin im Publikum, zufälligerweise neben dem Reporter einer großen Tageszeitung. Und sie seufzte wohl angesichts unseres tollen Konzertes: "Das ist einer der Gründe, warum wir Millionen in so ein Orchester investieren!" - Was der fleißige Reporter flugs schrieb.
Als ich dies dann am folgenden Tag in der Zeitung las, wurde ich schon ärgerlich und rief erstens die Kulturdame an, die ganz erstaunt antwortete "Wie, wir haben das gar nicht gefördert?" und dann die Presse, um die Sache mal klarzustellen.
Es besiegelte allerdings auch meinen Entschluss, diese Aufnahme mit auf die CD zu packen, was mich ein kleines Vermögen gekostet hat. Aber ich wollte es unbedingt.

Neben all diesem Hickhack: "Both sides" hat etwas besonderes - woran liegt das?
Nun, ich glaube, das war einer der Momente, wo alles stimmte. Das Publikum hat unser Konzept völlig verstanden. Es mochte einfach unsere Idee, die Grenzen musikalisch zu überschreiten. Es hat auch mitgemacht bei so einfachen Dingen wie "Bitte seid nicht so laut; wir machen eine Aufnahme". Und deshalb klingt es so, als seien 200 verschworene Gäste bei einem Konzert; in der Tat waren es 2000!

Du lebst seit nunmehr 15 Jahren (Herzlichen Glückwunsch!) mit Deiner Partnerin zusammen; Ihr beide habt eine gemeinsame Tochter. - Hat das Dein Leben verändert?
Ohja! Völlig! Aber es war auch ein langer Prozess, bis wir dahinkamen. Wir haben sehr lange gesprochen über unsere Pläne - und dies ist etwas, das ich im Prinzip von allen, die Kinder in die Welt setzen oder großziehen wollen, erwarte. Und es hat sehr lange gedauert, bis wir da miteinander klar waren. Aber dann tauchte auch der richtige Mann auf - und es funktionierte.
Die Geburt war noch einmal eine andere Geschichte. Es sah lange so aus, als ob ein Kaiserschnitt nötig sei, er war es dann aber nicht. Aber ich war dabei. Und als eine der Hebammen mich anstieß und meinte: "Na, nun gucken Sie sich mal Ihr Kind an", da habe ich den Blick über die Schulter der anderen Hebamme gewagt. Und die drehte sich einfach um und fragte mich "Und wer sind Sie?" - Da war ich dann schon perplex und konnte nichts anderes sagen als "Es ist meine Tochter!", woraufhin die völlig verwirrte Hebamme zwischen meiner Partnerin und mir hin- und herblickte und schließlich nichts mehr sagte.
Tja, das hat mir noch einmal klargemacht: es gibt keinen Begriff für eine wie mich. Aber es muss ja auch keinen geben.
Ich hoffe jedenfalls, dass unsere Tochter Esmé mit uns gemeinsam glücklich wird; einen Song für sie gibt es ja auf der neuen CD....


Wie sehen Deine/Eure Zukunftspläne aus?
Nun, ich mag Schottland sehr. Meine Partnerin ist zudem diejenige, die den größten Anteil an unserem Lebensunterhalt bestreitet, und ihr Job ist in Schottland. Aber es gibt natürlich auch die Möglichkeit, in die USA zu ziehen. Wir werden sehen.
Auf der anderen Seite leben wir hier wirklich ganz prima; wir haben ein nettes Haus mit einem wunderschönen Garten außerhalb Glasgows; für mich ist es nur eine halbe Stunde Fahrt in die Innenstadt in mein Büro - was will ich mehr?

Und ich möchte sozusagen meine Basis in Deutschland aufbauen - ich liebe meine deutschen Fans! Die Auftritte auf den CSDs in Köln und Berlin waren für mich so etwas wie "coming home". Sie waren sogar wichtiger für mich als der Auftritt beim Mardi Gras in London. Ich denke, die Leute hier haben verstanden, dass ich "eine von ihnen" bin.

Was macht Dich interessanter als Stars wie - sagen wir mal Tina Turner oder auch k.d.lang?
Ich glaube, ich bin nach wir vor noch "auf dem Teppich", und ich behaupte: Ich kann in den ZuhörerInnen noch eine bestimmte Saite zum klingen bringen, die sie bislang vielleicht noch nicht entdeckt haben oder die sonst stumm ist. Ich weiß allerdings immer noch nicht, wie und warum das so funktioniert. Es funktioniert eben.
Und das lasse ich mir nicht durch Marketing-Strategen kaputtmachen.







Discographie:
1990: The same Sky, Capitol
1993: Gods Home Movies, mca records
2000: Both Sides, randan records
2001: Hindsight...it's a wonderful thing, pläne

Horse im Netz:
www.horse-randan.com
 
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