Die Satirikerin Anne Köpfer verstarb am 8. September in Berlin an den Folgen ihres Krebsleidens. Sie wurde nur 62 Jahre alt.

 
   
  Anne Koepfer, Photo: privatDie 1939 in Berlin als Renate Mille Geborene war von Beruf Schriftsetzerin; 35 Jahre lang stand sie an der Setzmaschine. Obwohl sie (worauf sie sehr stolz war) nie einer Partei oder sonstigen DDR-Massenorganisation angehörte, kam sie (was sie wiederum sehr verwunderte) dennoch in verantwortungsvolle Positionen. So fungierte sie bis 1991 als Chefin vom Dienst der Tageszeitung "Tribüne". Von 1990 bis 1993 prägte sie als Redakteurin maßgeblich die erste DDR-Lesben- und Schwulenzeitung "Die Andere Welt" mit. Dank ihrer dort erschienenen Glossen und Kurzgeschichten wurde sie bundesweit zu zahlreichen Lesungen eingeladen. 1996 gewann sie den von der Firma Reemtsma ausgeschriebenen lesbisch-schwulen Literaturwettbewerb "Alte Hasen junges Herz" (Buchveröffentlichung im Albino-Verlag). Mit "Zuviel DDR, zuwenig homosexuell (1994, PegasusDruck), "Verkehrsberuhigte Zone und weitere Irrtümer" (1996, edition ost) und "Wie das Leben so schielt" (1997, Querverlag) erschienen ihre Kurzgeschichten in Buchform; vertreten war sie auch in Anthologien wie zuletzt dem lesbischen Satire-Buch "Sisters in Motion" (2001, Querverlag). Sie arbeitete parallel als Autorin für Neues Deutschland, Freitag, Junge Welt und Ossietzky, das Folgeblatt der Weltbühne, sowie kleinere Zeitungen und Zeitschriften wie Blattgold (Berlin), Lambda-Nachrichten (Wien) oder Rosa Zone/Queer (Dortmund/Köln). Ihre letzten Texte erschienen seit 1998 in der sexualpolitischen Zeitschrift Gigi (Berlin). Zudem stand sie bis Mitte 2000 für die Berliner Theatergruppen "Ostschwung" und "JORIS" auf der Bühne, für welche sie auch Sketsche schrieb.

Gründungsmitglied war Anne Köpfer im Jahre 1991 auch beim Schwul-lesbischen Informations- und Presseservice, aus dem 1993 der inzwischen als gemeinnützig anerkannte Förderverein SCHLIPS e.V. entstand. Ein Großteil ihrer Honorare floß als Spende direkt an diesen Verein, der insbesondere lesbisch-schwule Medienprojekte unterstützt. Eine Förderung, die unter anderem die sexualpolitische Zeitschrift Gigi betrifft. Das vom Förderverein des whk herausgegebene Blatt bereicherte sie von der ersten Ausgabe an mit hintergründigen Geschichten und auch Rezensionen. Als Zeitungsprofi las sie die Seiten diverser Ausgaben korrektur -- auch auf Stilistik -- und stellte der Redaktion Hunderte Exemplare ihrer Bücher als Aboprämie zur Verfügung.

Wer sie persönlich kannte oder sie bei Lesungen erleben durfte, wird sich gewiß noch oft an die rauhbeinige Frau erinnern, eine skurrile kleine Person in Jeans, T-Shirt und Turnschuhen mit dem nur vordergründig naiven Blick auf das, was um sie herum geschah. Ihr Vertrauen zu bekommen war ein wertvolles Geschenk, denn Anne Köpfer war menschenscheu und versteckte sich am liebsten hinter einer dunklen Brille vor der Welt.

Jenen, die sie weniger gut oder gar nicht kannten, sei die Lektüre ihrer Geschichten empfohlen, aus denen viel über sie und ihre Lebensumstände zu erfahren ist. Als "Standardlesbenmodell" hat sie Frauen wie sich selbst mal beschrieben -- "kurzhaarig, kleine Brüste, schmalhüftig". Sie sei nicht politisch, behauptete sie stets. "Leider war ihr der Schwachsinn nicht auszureden", um es mit einer ihrer bevorzugten Formulierungen zu sagen. Denn sie war der absolute Gegenentwurf zum Heimchen am Herd, dachte und verhielt sich entsprechend, ohne das als außergewöhnlich zu empfinden. Sie habe einen "gesunden Klasseninstinkt", sagte ihre langjährige Lebenspartnerin einmal, da hätte sie sich geschmeichelt gefühlt.

Anne Köpfers Leben war das einer DDR-Frau: typisch und untypisch zugleich. Der Beruf, der Kollegenkreis war ihr Leben; die DDR mochte sie nicht sonderlich, denn sie hatte ein feines Gespür für deren Schizophrenie. Aber jenen Staat, in den sie 1990 gestoßen wurde, verachtete sie von ganzem Herzen: Er nahm ihr den Arbeitsplatz, ihr über Jahrzehnte gewachsenes soziales Netz und nicht zuletzt die ökonomische Selbständigkeit. Die aber war für sie das Hinterland einer offen und offensiv lesbisch Lebenden, und als Ausdruck dafür findet man in vielen ihrer Geschichten einen gewissen Hang zum Gelde wieder.

Wenn Anne beim Schreiben mit einer angefangenen Geschichte nicht weiterkam, fragte sie oft resignierend: "Wen interessiert denn das?" Daß ihre kleinen sarkastischen, ironischen, zuweilen auch bitterbösen Werke so manche/n interessierten, hat sie nie glauben wollen. Es wird viele geben, die sie künftig vermissen werden: die Geschichten und Anne Köpfer.

Eike Stedefeldt
Photo: privat
 
   
   
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