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Die
1939 in Berlin als Renate Mille Geborene war von Beruf Schriftsetzerin; 35 Jahre
lang stand sie an der Setzmaschine. Obwohl sie (worauf sie sehr stolz war) nie einer
Partei oder sonstigen DDR-Massenorganisation angehörte, kam sie (was sie wiederum
sehr verwunderte) dennoch in verantwortungsvolle Positionen. So fungierte sie bis
1991 als Chefin vom Dienst der Tageszeitung "Tribüne". Von 1990 bis
1993 prägte sie als Redakteurin maßgeblich die erste DDR-Lesben- und Schwulenzeitung
"Die Andere Welt" mit. Dank ihrer dort erschienenen Glossen und Kurzgeschichten
wurde sie bundesweit zu zahlreichen Lesungen eingeladen. 1996 gewann sie den von
der Firma Reemtsma ausgeschriebenen lesbisch-schwulen Literaturwettbewerb "Alte
Hasen junges Herz" (Buchveröffentlichung im Albino-Verlag). Mit "Zuviel
DDR, zuwenig homosexuell (1994, PegasusDruck), "Verkehrsberuhigte Zone und weitere
Irrtümer" (1996, edition ost) und "Wie das Leben so schielt"
(1997, Querverlag) erschienen ihre Kurzgeschichten in Buchform; vertreten war sie
auch in Anthologien wie zuletzt dem lesbischen Satire-Buch "Sisters in Motion"
(2001, Querverlag). Sie arbeitete parallel als Autorin für Neues Deutschland,
Freitag, Junge Welt und Ossietzky, das Folgeblatt der Weltbühne, sowie kleinere
Zeitungen und Zeitschriften wie Blattgold (Berlin), Lambda-Nachrichten (Wien) oder
Rosa Zone/Queer (Dortmund/Köln). Ihre letzten Texte erschienen seit 1998 in
der sexualpolitischen Zeitschrift Gigi (Berlin). Zudem stand sie bis Mitte 2000 für
die Berliner Theatergruppen "Ostschwung" und "JORIS" auf der
Bühne, für welche sie auch Sketsche schrieb.
Gründungsmitglied war Anne Köpfer im Jahre 1991 auch beim Schwul-lesbischen
Informations- und Presseservice, aus dem 1993 der inzwischen als gemeinnützig
anerkannte Förderverein SCHLIPS e.V. entstand. Ein Großteil ihrer Honorare
floß als Spende direkt an diesen Verein, der insbesondere lesbisch-schwule
Medienprojekte unterstützt. Eine Förderung, die unter anderem die sexualpolitische
Zeitschrift Gigi betrifft. Das vom Förderverein des whk herausgegebene Blatt
bereicherte sie von der ersten Ausgabe an mit hintergründigen Geschichten und
auch Rezensionen. Als Zeitungsprofi las sie die Seiten diverser Ausgaben korrektur
-- auch auf Stilistik -- und stellte der Redaktion Hunderte Exemplare ihrer Bücher
als Aboprämie zur Verfügung.
Wer sie persönlich kannte oder sie bei Lesungen erleben durfte, wird sich gewiß
noch oft an die rauhbeinige Frau erinnern, eine skurrile kleine Person in Jeans,
T-Shirt und Turnschuhen mit dem nur vordergründig naiven Blick auf das, was
um sie herum geschah. Ihr Vertrauen zu bekommen war ein wertvolles Geschenk, denn
Anne Köpfer war menschenscheu und versteckte sich am liebsten hinter einer dunklen
Brille vor der Welt.
Jenen, die sie weniger gut oder gar nicht kannten, sei die Lektüre ihrer Geschichten
empfohlen, aus denen viel über sie und ihre Lebensumstände zu erfahren
ist. Als "Standardlesbenmodell" hat sie Frauen wie sich selbst mal beschrieben
-- "kurzhaarig, kleine Brüste, schmalhüftig". Sie sei nicht politisch,
behauptete sie stets. "Leider war ihr der Schwachsinn nicht auszureden",
um es mit einer ihrer bevorzugten Formulierungen zu sagen. Denn sie war der absolute
Gegenentwurf zum Heimchen am Herd, dachte und verhielt sich entsprechend, ohne das
als außergewöhnlich zu empfinden. Sie habe einen "gesunden Klasseninstinkt",
sagte ihre langjährige Lebenspartnerin einmal, da hätte sie sich geschmeichelt
gefühlt.
Anne Köpfers Leben war das einer DDR-Frau: typisch und untypisch zugleich. Der
Beruf, der Kollegenkreis war ihr Leben; die DDR mochte sie nicht sonderlich, denn
sie hatte ein feines Gespür für deren Schizophrenie. Aber jenen Staat,
in den sie 1990 gestoßen wurde, verachtete sie von ganzem Herzen: Er nahm ihr
den Arbeitsplatz, ihr über Jahrzehnte gewachsenes soziales Netz und nicht zuletzt
die ökonomische Selbständigkeit. Die aber war für sie das Hinterland
einer offen und offensiv lesbisch Lebenden, und als Ausdruck dafür findet man
in vielen ihrer Geschichten einen gewissen Hang zum Gelde wieder.
Wenn Anne beim Schreiben mit einer angefangenen Geschichte nicht weiterkam, fragte
sie oft resignierend: "Wen interessiert denn das?" Daß ihre kleinen
sarkastischen, ironischen, zuweilen auch bitterbösen Werke so manche/n interessierten,
hat sie nie glauben wollen. Es wird viele geben, die sie künftig vermissen werden:
die Geschichten und Anne Köpfer.
Eike Stedefeldt
Photo: privat |
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