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Eine kleine
Hommage an eine unerreichte Berliner Party-Institution, die in diesem Herbst ihren
ersten runden Geburtstag feiert.
Man kann sich nur wundern: Da gibt es in der ach so kurzlebigen Berliner Partylandschaft
eine Veranstaltung, die seit fast einem Jahrzehnt jeden Sonntag mehrere Hundertschaften
standardtanzwütiger Hauptstadtbewohner mobilisiert. Macht summa summarum mehr
als ein halbes Tausend Abende ... und ich gestehe: Sehr viele davon habe ich miterlebt.
Denn würde das Café Fatal nicht süchtig machen, hätte es nie
sein zehntes Jahr ungebrochener Nachfrage gesehen. Schon drei Mal hat das Berliner
Homo-Stadtmagazin "Siegessäule" von ihren LeserInnen die beliebtesten
Szene-Orte wählen lassen. Die beiden letzten Male - 2000 und 2004 - räumte
das Café Fatal mit deutlichem Vorsprung den Preis in der Kategorie ÇBeliebteste
Party' ab.
Die Geschichte der Legende begann im Herbst 1994. Die Künstler des Varieté
Schwarzer Kanal suchten nach einer regelmäßigen Auftrittsmöglichkeit,
der Kreuzberger Kulturveranstalter "SO 36 e.V." mit eigenem Saal in der
Oranienstraße konnte ihnen diese bieten: Eingebettet in einen sonntäglichen
Tanztee mit Schlagermusik. Anfänglich gab es noch Kaffee und Kuchen, bald kam
eine kostenlose Tanzstunde zum Auftakt des Abends dazu. Das Basiskonzept blieb über
die Jahre im wesentlichen unverändert: Im Winter beginnt der Abend im Café
Fatal um 18 Uhr (im Sommer um 19 Uhr) mit einer etwa einstündigen Tanzeinführung,
danach gibt es zu Standard- und Latein-Tanzmusik ausreichend Gelegenheit zum Üben.
Zwischen 21 und 22 Uhr wird die Bühne zum Mittelpunkt: Varieté mit Artistik
und Kleinkunst oder ein musikalisches Bühnenprogramm unterhalten das Publikum,
bevor sich im Anschluss wieder der Plattenteller und die Tanzpaare drehen. Zu späterer
Stunde wird aus dem "Schlagerkarussell" dann immer mehr Disco, und das
Parkett ohnehin zu voll zum Paartanzen. Das kollektive Zappeln unter der Discokugel
findet pünktlich um 2 Uhr (früher schon um 1 Uhr) ein diktatorisches Ende:
Das grausame Saal-Licht und die Crew mit ihren großen Besen vertreiben selbst
die hartnäckigsten Gäste.
Dies alles vollzieht sich an einem Ort, an dem man Walzerdrehung und Wiegeschritt
zuallerletzt erwarten würde: Auf der Bühne des autonomen Kreuzberger SO
36 trieben in den wilden 80ern die Einstürzenden Neubauten Presslufthämmer
in die Wände, und auch heute noch sind Punkrock- und Independent-Konzerte das
zweite Standbein des Hauses. Dieser spannungsvolle Kontrast zwischen Ambiente und
Inhalt macht den ganz eigenen Charme der Veranstaltung aus. So sieht man allsonntäglich
zu den Klängen von Cindy und Bert oder Mireille Mathieu ein buntes Publikum
aller Altersstufen über die Tanzfläche wirbeln: Müslis und Punks,
Kleingruppen türkischer Mädels, lang- und kurzhaarige Nachwuchsleben, Drag
Kings und Transgender, schwule Tanzpaare mit Starallüren und viel Platzbedarf.
Dazwischen foxtrottet auch mal das ein oder andere ältere Ehepaar, das sich
entweder verlaufen hat oder aber als "Elternbesuch" offiziell mit hierher
geschleppt wurde.
Der schwullesbische Publikums- (und MitarbeiterInnen-) Anteil ist allenthalben hoch.
Dabei war das Café Fatal ursprünglich gar nicht als schwullesbische Veranstaltung
vorgesehen. Aber genau diese Bande eroberte sich "das Fatal" im Handumdrehen
... und behauptet ein Jahrzehnt später noch immer fest die Stellung. Offenbar
traf die Idee eines Tanztees mit Varieté und Schlagerdisco exakt die Bedürfnisse
der Berliner Homoszene, die seit Anfang der 90er zuhauf in die Tanzschulen drängte,
um Paartanz zu erlernen. Denn im Fatal kann man lustvoll Schwoofen, Schauen, Flirten
... und für die Jungs gilt eben nicht die sonst im Nachtleben verbreitete Waschbrettbauch-Diktatur.
Hier findet Camp und Glamour statt und ein fast schon Çfamiliäres' Miteinander,
bevor am Montag Morgen wieder der stressige Alltag in der bösen Welt da draußen
beginnt. So ist es auch wenig erstaunlich, dass man über Jahre vielfach dieselben
Gesichter sieht, die sich zum Ausklang des Wochenendes im SO 36 einfinden: Der Tanztee
hat ein treues Stammpublikum. Schon manche Bekannte raunte mir zu vorgerückter
Stunde erleichtert ins Ohr: "Weißt du, ich war gerade zwei Tage bei meiner
Familie in Westdeutschland. (Bedeutungsschwere Pause.) Ich bin direkt vom Bahnhof
hergefahren."
Und nicht nur das Publikum kommt immer wieder, auch die illustre Schar der Bühnengäste
tritt gerne mehrfach an: Die Berliner Schlagerkultband "Die Kusinen" zum
Beispiel bringt regelmäßig den Saal zum schwingen und singen. Lang ist
die Liste der Szene-KünstlerInnen, die neben den vielen Artisten das Fatal-Programm
bestritten und bestreiten: Malediva, die Popette Betancour, Duotica, die dänischen
Jodeladies, Ades Zabel und die Teufelsberger, Dragperformer Dredd und die Kingz of
Berlin, Louey Moss und Band, der Kabarettist Kay Ray, die legendären Babes on
Orgel und viele andere mehr.
Dass diese Party - in der wir uns bewegen wie in unserem Wohnzimmer - doch irgendwie
Kultstatus zu bekleiden scheint, wird mir immer dann kurz bewusst, wenn sich Prominenz
blicken lässt. Jean-Paul Gaultier und Jimmy Sommerville waren schon da, ebenso
Gitte, Superstar-Elli und Kabarett-Nudel Sissy Perlinger. Mary alias Georg Preuße
schwingt hin und wieder in Zivil das Tanzbein. Und die Fußballweltmeisterinnen-Dichte
ist mitunter auch recht hoch. Nicht etwa, dass es darauf ankäme - schließlich
sind wir hier in Kreuzberg und nicht in Schwabing. Daher bleiben die Stars zumeist
auch unerkannt ... oder aber nonchalant-lässig unbeachtet.
Der größte Fatal-Fan, den ich kenne, ist übrigens meine amerikanische
Freundin Cathrine, die ein Studienjahr in Berlin verbrachte und heute der Liebe wegen
in Montréal lebt: Aus lauter Café-Fatal-Sehnsucht hört sie auch
in ihrer frankokanadischen Wahlheimat nur noch deutsche Schlager ... und verzweifelt
regelmäßig an der Paartanz-Muffeligkeit ihrer Landsleute. Was haben wir's
gut.
Anne-K. Jung |
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Café
Fatal Jubiläumsparty
Wann: Sonntag 10.10.04 ab 20. 00 Uhr
Wo: Kino International, Karl-Marx-Allee 33, 10178 Berlin-Mitte
Die TanzenthusiastInnen der Republik sollten sich diesen Termin vormerken: Das Café
Fatal feiert seinen zehnten Geburtstag mit einer berauschenden Ballnacht im Kino
International - grandioses Architektur-Juwel und DDR-Premierenkino. Mit mindestens
zwei Tanzflächen, den DJ Allstars des Café Fatal und einer breiten
Beteiligung der befreundeten Bands und KünstlerInnen. Überraschungs-Stargäste
nicht ausgeschlossen.
Alle Mitfeiernden erwartet somit ein standesgemäßes Dankeschön der
Veranstalter für lange Jahre der Treue.
(Karten gibt's im Vorverkauf zu einem echten 'Dankeschön'-Tarif, immer am Sonntag
im Café Fatal, Oranienstr. 190, 10999 Berlin-Kreuzberg) |
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