Plädoyer für Zivilcourage:  
  Rosenstraße  
  Lang ist es her, dass zuletzt ein Film von Margarethe von Trotta ins Kino kam: "Das Versprechen", Eröffnungsfilm der Berlinale 1995, war nicht der einzige Film, den die Kritik zu Unrecht heftig verurteilte. Sie warf der Regisseurin vor, einen Film über die deutsch-deutsche Geschichte gedreht- und diese obendrein überflüssigerweise mit einer privaten fiktiven Liebesgeschichte unterfüttert zu haben, an der sie selbst - in Paris lebend - gar nicht partizipiert habe. Doch nicht konkret dieser Misserfolg bedingte die lange Pause, während der nur einige Produktionen für das Fernsehen (u.a. "Die Jahrestage" nach Uwe Johnson) entstanden, als vielmehr die langen Recherchen und der Kampf um Fördermittel zur Realisierung der "Rosenstraße".

Bereits während der Dreharbeiten von "Das Versprechen" nämlich hatte Volker Schlöndorff, Trottas Ex-Ehemann, versucht, dieses Projekt anzuschieben. Doch als Margarethe von Trotta das Drehbuch fertig hatte, und das Studio Babelsberg es bei verschiedenen Förderungen einreichte, wollte es niemand fördern. Erst 1999, als die deutsche Komödienzeit ein wenig abflaute, fanden sich Interessenten, die sich für eine Realisierung der "Rosenstraße" stark machten. Dass dieser Film erst vergleichsweise spät gedreht werden konnte, hat dabei sicherlich noch einen anderen gewichtigen Grund: Vor 1998 wäre ein Film, der Deutsche im Zweiten Weltkrieg einmal nicht ausschließlich als Täter, sondern auch als Opfer zeigt, kaum denkbar gewesen. Insofern ist es eine wahre und couragierte Pioniertat der mittlerweile 61-jährigen Berlinerin, ein Stück deutscher Widerstandsgeschichte zu entdecken und zu inszenieren, und zwar wiederum auf der Folie einer fiktiven Geschichte.

Auf profunder Basis jahrelanger Recherchen erinnert die "Rosenstraße" als ein Plädoyer für Zivilcourage an Hunderte von mutigen Frauen, die im Februar 1943 in der Berliner Rosenstraße am Hackeschen Markt gegen die Deportation ihrer jüdischen Angehörigen aus sogenannten Mischehen demonstrierten, die in dem ehemaligen jüdischen Versorgungsamt interniert waren. Erst leise, dann immer lauter skandierten die mutigen Frauen "Ich will meinen Mann wiederhaben", und bedrängten auf die Weise das Wachpersonal, das Warnschüsse abgab und die Demonstrantinnen zunächst gewaltsam zurückdrängte. Doch die Frauen ließen sich nicht einschüchtern und aus der Ruhe bringen, so dass am Ende tatsächlich geschah, was niemand für möglich gehalten hätte und einem Wunder gleichkam: Die Nazis ließen die Männer frei!

Zum Glück hat sich Margarethe von Trotta trotz wiederholter Schmähungen als feministische Frauenfilmerin seitens männlicher Kritiker, die vor allem ihre lesbische Liebesgeschichte "Heller Wahn"(1982) - für mich eine ihrer schönsten und subtilsten Regiearbeiten - aufs Abfälligste und Hämischste verrissen, sich nicht einschüchtern lassen, deutlich vor Augen zu führen, dass dieses Wunder "Rosenstraße" ganz und allein dem Mut und dem Engagement von Frauen zu verdanken war. Während die nämlich ihr eigenes Leben bei den Protestaktionen aufs Spiel setzten, gaben viele "arische" Männer dem Drängen der Nationalsozialisten nach und reichten feige die Scheidung von ihren jüdischen Frauen ein. Einen solchen Fall konstruiert der Film am Beispiel der kleinen Ruth (Svea Lohde), deren Vater sich aus dem Staub macht, während die Mutter in der Rosenstraße gefangen gehalten und ins KZ deportiert wird.

Diese Geschichte von dem Mädchen, das auf der vergeblichen Suche nach seiner Mutter während der Proteste in der Rosenstraße auf die deutsche Musikerin Lena Fischer (Katja Riemann) trifft, die wiederum dort für das Leben ihres Mannes (Martin Feifel) kämpft und der mutterlosen Ruth das Leben rettet, erzählt die Regisseurin aus der Perspektive der inzwischen 90-jährigen Lena (Doris Schade) in Rückblenden. Anlass dieser Lebenserinnerungen ist ein Besuch von Ruths Tochter Hannah (Maria Schrader), die sich aus New York nach Berlin aufgemacht hat, um die Vergangenheit ihrer Mutter (Jutta Lampe) zu erforschen, die sich nach dem Tod ihres Mannes in tiefem Schmerz verzehrt und sich in extremer Weise auf ihre jüdisch-orthodoxe Religion besinnt.
"Rosenstraße" ist großes Gefühlskino, einfühlsam und mit großen SchauspielerInnen, zu denen in kleineren Rollen auch Jutta Wachowiak und Martin Wuttke zählen, inszeniert. Zwar gibt es ein paar Mängel - einen zu fetten Soundtrack in der ersten halben Stunde und bisweilen unstimmige Bilder von einem äußerst dilettantisch geigenden Martin Feifel - , aber die sind im Grunde marginal.

Kirsten Liese


Rosenstraße. D 2003, Regie und Buch: M. v. Trotta, D: K. Riemann, M. Schrader, M. Feifel, H.-J. Vogel, u.a. 135 Min. Start: 18. September
 
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