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(Porno)-Filme,
in denen es zwei heterosexuelle Frauen miteinander treiben, um Männer zu stimulieren,
gibt es viele. Und tatsächlich gestehen in "Kissing Jessica" auch
zwei Typen dass sie Sex zwischen Frauen sehr aufregend finden. Aber es ist eine der
guten Nachrichten, dass die Komödie von Jennifer Westfeldt und Heather Juergensen
weit davon entfernt ist, Kerle aufzugeilen. Und eine weitere, dass die Geschichte
nicht völlig an den Haaren herbei gezogen ist. Zwar werden nur wenige Heteras
in der Realität auf die Idee kommen, mit einer Frau zu schlafen, aber wie oft
hören wir heterosexuelle Freundinnen sagen, dass sie gerne lesbisch wären,
weil sie sich mit Frauen emotional soviel besser verstehen als mit Männern und
im Grunde sogar die Meinung teilen, dass Frauen und Männer nicht zueinander
passen.
Eben diese Erfahrung war offenbar Ausgangspunkt für das gleichnamige New Yorker
Off-Broadwaystück, das dem Drehbuch voranging. "In Wahrheit ist es doch
so: Zwischen Freundinnen existiert eine einzigartige Bindung und besondere Intimität.
Dieser Umstand führt die meisten von uns Frauen irgendwann zu der Frage, was
denn diese Beziehung nun so unterscheiden soll von jener zum Lover, Partner oder
gar Ehemann. Und oft lautet die Antwort: Der einzige Unterschied ist der nicht vorhandene
Sex miteinander": So argumentieren Westfeldt und Juergensen im Presseheft. Wie
um herauszufinden, ob es wirklich von Geburt an so etwas wie eine festgelegte sexuelle
Veranlagung gibt, spielen sie das Experiment einfach einmal durch. Und siehe da:
Nachdem vor allem die jüdische Titelheldin ihre Hemmungen überwindet und
sich nicht länger ziert, haben die Zwei mehr Lust, als sie es für möglich
gehalten hätten. — Und zwar ohne Dildos und Vibratoren! Um möglichen Enttäuschungen
vorzubeugen: "Kissing Jessica" entwickelt sich nicht zu einer klassischen
Coming-Out-Geschichte. Der Film will nicht mehr sein als ein vergnügliches,
unterhaltsames Feel-Good-Movie. Feministische Grundsätze kommen nicht zum Tragen.
Die Handlung ist ziemlich simpel: Redaktionsassistentin Jessica (Jennifer
Westfeldt) — mit schulterlangem Haar, biederen Klamotten und bravem Mädchencharme
alles andere ein Typ, auf den Lesben abfahren - muss den Spott ihres Chefs und Ex-Lovers
Josh (Scott Cohen) ertragen, der ihr eine triste, altjüngferliche Zukunft voraussagt.
Und ihre Mutter (Tovah Feldschuh) hält unentwegt Ausschau nach netten Schwiegersöhnen.
So gerät Jessica in Torschlusspanik und blättert in Kontaktanzeigen. Weil
sich unter den diversen männlichen Kandidaten nur exzentrische Spinner und eitle
Tröpfe finden, beschließt sie den Aufbruch zu neuen Ufern und gerät
an die attraktive Galeristin Helen (Heather Juergensen). Anfänglich plaudern
und gackern die beiden Frauen zwar nur darüber, wie dick man Lippenstift aufträgt
oder wie hässlich ein Mann sein muss, damit er sexy ist. Doch dann wird die
Affäre ernster als geplant und beiden wird klar, dass auch beim Sex das Geschlecht
so ziemlich das Unwichtigste ist. Regisseur Herman-Wurmfeld füllt die spitzzüngigen
Dialoge mit flotten Bildern und fährt ein ganzes Typenarsenal hormon- und karrieregetriebener
Männer auf, an denen sich die beiden selbst nicht fehlerfreien Frauen kräftig
abarbeiten dürfen.
Mag das politisch korrekte, wenn auch etwas offene Ende etwas enttäuschend
wirken, wenn Jessica einer Rückkehr in die Heterowelt nicht abgeneigt scheint:
Dass sich die Wege zwischen den Heldinnen wieder trennen, heißt noch lange
nicht, dass Frauenbeziehungen keine Chance haben. Immerhin nimmt das Drehbuch hetero-
und homosexuelle Beziehungen gleichermaßen ernst. Entsprechend flirtet Jessica
in der vorletzten Szene wieder mit ihrem Ex-Lover, Helen aber scheint den Frauen
treu zu bleiben. Mehr noch: Sie steht — so ließe sich spekulieren - vielleicht
wirklich am Anfang eines richtigen Coming Outs, beendet sie doch die Affäre
mit Jessica, weil sie das Gefühl hat, bei ihrer Freundin stelle sich kein echtes
sexuelles Verlangen ein.
Zudem sei daran erinnert, dass es beileibe andere weitaus ärgerlichere Filme
über frustrierte Singlefrauen gibt - etwa "Bridget Jones" alias Renée
Zellweger, die sich nicht entblödete, sich in ein lächerliches Bunny-Kostüm
zu zwängen und ihrem chauvinistischen Traummann (Hugh Grant) hinterher zu rennen.
Da loben wir uns Jessica und Helen, die eher Singles bleiben, bevor sie sich auf
faule Kompromisse einlassen. Zudem ist der Mut von Juergensen und Westfeldt zu bewundern.
Als sie merkten, dass das Studio ihre Geschichte banalisieren wollte, kauften sie
die Rechte zurück und co-produzierten den Film selbst für sage und schreibe
unter eine Millionen Dollar. Das soll ihnen erst einmal jemand nachmachen!
Kirsten Liese
Der Film hatte am 25. Juli Bundesstart und läuft noch in zahlreichen deutschen
Großstädten |
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