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Obwohl der Tod
unausweichlich ist, integrieren wir ihn nicht in unser Leben. Wir lernen laufen,
sprechen, tanzen, Computer bedienen, Auseinandersetzung ó doch das Ereignis im Leben,
das uns alle betrifft, lernen wir erfolgreich zu verdrängen. Bis wir mit dem
Tod konfrontiert sind, manchmal unvorhergesehen, selten absehbar, doch irgendwann
immer. Sei es durch den Verlust geliebter Personen, sei es dass wir uns selber unserer
Endlichkeit stellen müssen.
Sterben und Tod sind angstbesetzt. Das Sterben entzieht sich unserer Kontrolle, und
den Tod, in den wir gehen, kennen wir nicht.
Wer Angst vorm Sterben hat, hat eigentlich Angst vorm Leben, sagt die Ärztin
Elisabeth Kübler-Ross, die sich Zeit ihres Lebens in ihren Studien und ihrem
Lebenswerk dem Sterben gewidmet hat. Nun steht sie selber an der Schwelle zum Tod.
Der Regisseur Stefan Haupt hat Elisabeth-Kübler Ross gefilmt, hat sie über
ihr Leben berichten lassen, lässt sie erzählen wie sie 1926 als das erste
Mädchen von Drillingen zur Welt kam. Untergewichtig und kaum überlebensfähig,
so wie ihre eineiige Schwester Erika. Nur Eva, die letzte, wog 2,5 kg mehr als ihre
Schwestern. Fotografien zeigen die drei, Hand in Hand, durch gleiche Kleidung zu
Spiegelbildern ihrer selbst geklont. Die Suche nach der eigenen Identität wurde
zu Elisabeths Leitmotiv. Verlangten die Eltern von ihr, das Erdbeerbeet zu jäten,
jätete Elisabeth den Gemüsegarten. Und das Mädchen, das heiraten und
Hausfrau werden sollte, machte eine akademische Ausbildung und wurde Ärztin.
Eine unbequeme Ärztin, eine die Fragen stellte, eine die sich mit dem Sterben
befasste, deren obere Priorität nicht war, Leben zu verlängern sondern
es den Patienten zu ermöglichen ein ganzheitliches, selbstbestimmtes Leben zu
führen ó bis zum Ende. Sie spricht mit den Sterbenden, spricht mit ihnen über
den Tod, über Ängste und Loslassen können. Sie stellt den Tod nicht
in eine Ecke sondern lockt ihn hervor. Macht ihn begreifbar für Sterbende und
Angehörige. Sie kidnappt Sterbende aus dem Krankenhaus, um ihnen ihren Wunsch
auf einen Tod im vertrauten Kreise zu erfüllen. Sie gibt Seminare über
Sterbebegleitung, wird Psychiaterin, schreibt Bücher (u.a. Interview mit Sterbenden),
reist durch die Welt, baut Zentren auf für Seminare und Workshops, macht spirituelle
Erfahrungen, kämpft für einen Hospiz für an Aids erkrankte Kinder.
Ihre Arbeit ist ihr Leben, für ihre Arbeit verlässt sie die Familie.
Lange Kamerafahrten an vorbeirauschenden Landschaften ó übertrieben unterlegt
mit verlorenem Saxophongesang oder kirchlichem Bach ó , dokumentieren Elisabeths
Ortswechsel, von der Schweiz in die USA, von New York, nach Chicago, Esconido , Virginia.
Und dann der Vogelkäfig und immer wieder der Vogelkäfig, auf den sie heute
von ihrem Krankenbett aus blickt. Die ehemals aktive Frau ist immobil ó krank durch
mehrere Schlaganfälle und einem Unfall liegt Elisabeth-Kübler-Ross in einem
Pflegeheim, ist halbseitig gelähmt. "Ich will so lange durchhalten, wie
ich mich selber baden und mir den Hintern abwischen kann", sagt Elisabeth. Sie
kann vom Leben nicht loslassen, sagt ihre Schwester.
Kann sie nun oder kann sie nicht? Was hat das viele Sterben sehen mit dieser Frau
gemacht? Diese Fragen kann der Film nicht beantworten, so persönlich redet Elisabeth
nicht. Wirkt unberührbar, souverän, oft humorvoll. Eine, die immer für
andere da war. Sie erzählt lieber von den Dingen, die sie noch lernen muss,
bevor sie gehen kann. Und dass sie sich freut, freut darauf, eines Tages durch die
Galaxien zu tanzen.
Dagmar Trüpschuch |
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