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Interview

 

 
Sie haben die größte Fangemeinde in der Daily Soap "Marienhof" - und das, obwohl oder gerade weil sie die beiden Lesben Billie Vogt und Andrea Süßkind darstellen. Natalie Hartmann unterhielt sich mit den beiden Darstellerinnen Leonore Capell (Andrea ) und Katja Keller (Billie). Photos: Jovana Banjac, R.Reiter/ARD  
 

 

 

  Lespress: Leo, bevor Du 1995 im Marienhof eingestiegen bist, warst Du Moderatorin beim NDR u.a. die erste deutsche Sprecherin beim ORF. Wie schafft man das?

Leo: Nun, ich habe am "Theater an der Wien" eine Musicalausbildung gemacht und habe nebenher beim ORF als Praktikantin ein bißchen Geld verdient. Irgendwann gab es einen Aufruf und eine Sprecherin wurde gesucht. Alle sagten : "Hey, da mußt Du Dich bewerben!", was ich trotz einiger Bedenken dann gewagt habe und tatsächlich unter 800 Bewerberinnen den Job bekam.

Lespress: Dann hast Du zunächst eine journalistische Laufbahn eingeschlagen?

Leo: Nein, " journalistisch", würde ich nicht behaupten, meine Texte wurden ja geschrieben. Später beim NDR habe ich zum ersten Mal auch meine Texte selbst geschrieben, bzw. Moderation und Trailer selbst zu produziert. Ich hätte auch weiter richtig einsteigen können, der NDR hatte mir verschiedenes angeboten, aber dann wäre ich nur in diese Richtung gegangen und Schauspielerei wäre nicht mehr möglich gewesen.

Lespress: Du kommst ja aus einer schauspielenden Familie. Haben Deine Eltern Dir zu oder abgeraten?

Leo: Hm, also zur Schauspielerei haben meine Eltern mir abgeraten. Ich wollte erst Tierärztin werden und nicht zum Theater. Mit neun oder zehn Jahren habe ich dann am Ulmer Theater von Statisterie, Kinderchor bis über Ballett alles mögliche gemacht. Da habe ich Blut geleckt und bin gleich nach der Schule ins Ballett gegangen. Meine Eltern haben mir abgeraten:"Mensch, Kind, Du weißt doch, wie hart der Beruf ist. Die Selbstzweifel, die Konkurrenz usw.".
Ich habe sie überzeugt, als ich die Aufnahmeprüfung in Wien geschafft habe, da waren sie verblüfft.

Lespress: Wie bist Du dann nach der Sprecherinnen- und Moderatorinnenzeit im Marienhof gelandet?

Leo: Eigentlich auf dem natürlichsten Wege überhaupt, sprich durch eins der vielen Castings, die man als Schauspieler so macht. Irgendwann bekam ich dann eben auch eine Einladung zum Casting für die Rolle der Bettina im Marienhof. Es kam dann die übliche Absage: "Ja, dafür können wir Sie nicht gebrauchen, wir denken aber an Sie..." - hört man ja immer, aber tatsächlich wurde ich noch einmal eingeladen.

Lespress: Dann wurdest Du zur Quotenlesbe?

Leo: (lacht): Naja, erst wußte ich ja gar nicht, was mich erwartet. Es ging um die Rolle von Andrea Süsskind, die eine problematische Vergangenheit hinter sich hatte, von ihrem Stiefvater vergewaltigt wurde usw. Sie verliebt sich in einen Mann und konnte den nicht an sich ranlassen. Gemeinsam haben die beiden dann versucht zu ergründen, woran das liegt. Andrea hatte das so verdrängt, die Geschichte mit dem Stiefvater... Sie war dann eine Zeit lang relativ glücklich mit "Marco", dann kommt eben die Freundin auf den Plan, "Babette". Ich sag immer, sie hat sich sozusagen auf dem Standesamt für die Trautzeugin entschieden.

Lespress: Die "Phase" mit Babette ist ja nun schon lange vorbei, die Beziehung mit Billie läuft ebenfalls schon sehr lang - geht im "Tagesgeschäft" Marienhof mittlerweile nicht so einiges unter?

Leo: Ja und nein. Ich möchte schon mal was anderes drehen, also richtig mit einem Regisseur arbeiten. In einer Daily Soap, bei 25 Minuten am Tag, herrscht schon eine ziemliche Hektik. Oft schaue ich mir hinterher die Sachen an und denke: "Nee, das wolltest Du eigentlich anders machen." Es gibt schon einige Regisseure bei uns, die darauf eingehen, aber viele können einfach aus zeitlichen Gründen nicht, obwohl sie vielleicht gerne möchten. Auf der anderen Seite ist die Erfahrung, sprich die Kameraerfahrung, die man sammelt, wenn man vorher nur Theater gemacht hat, schon genial. Die nimmt einem niemand mehr, auch die Routine nicht. Gut, Du mußt schon aufpassen, daß Du nicht zu sehr in Routine abrutschst.

Lespress: Verliert Ihr nicht die Freude am Spielen, wenn Ihr unter so einem Zeitdruck produziert?

Leo: Manchmal kriecht man schon auf dem Zahnfleisch, und wenn dann eine Szene so geschrieben ist, daß es einem keinen Spaß macht, dann fällt es mir echt schwer und ich gehe nur sehr widerwillig dran.

Katja: Oder die Szenen werden anders umgesetzt, als wir uns das vorgestellt haben. Wir gehen ja die Szenen vorher oft genug durch, und man hat dann gewisse Bilder im Kopf:"Das möchte ich so machen und das so...". Dann kommst Du ins Studio und der Regisseur sagt: "Du stehst da und Du da...". Und wir haben vielleicht gedacht, wir stehen ganz nah beieinander oder so.

Leo: Da wird man schon mal bockig.

Katja: Oder wenn man am Stück zu lange dreht! Letztes Jahr gab es mal eine Phase, da haben wir von Juli bis Oktober gedreht und gerade mal drei Wochen Pause gehabt, dann ging es weiter bis zu Winterpause. Man sieht sich jeden Tag, man dreht jeden Tag, man ist jeden Tag Billi und Andrea. Ich hatte kaum noch Privatleben und war selten in Hamburg. Da hab ich echt fast gekotzt und wollte nicht mehr.

Lespress: Katja, wie bist denn Du eigentlich in den Marienhof gekommen?

Katja: Ich habe keine klassische Schauspielausbildung, sondern an der State School of Music, Dance and Drama in Hamburg eine Musicalausbildung gemacht. Dann war ich als Musikerin unterwegs, bin bei einem Freund in einer neuen Agentur eingestiegen. Tja, und irgendwann bin ich zu einem Casting geschickt worden, als der Marienhof einen eher dunklen Typ angefragt hat; den blonden Typ gab's ja schon.

Leo: Du weißt schon, daß im griechischen Drama die Blonden die Helden und die Dunklen die Bösen waren...

Lespress: Der Marienhof scheint sich zumindest in diesem Fall nicht am klassischen Drama zu orientieren...Nochmal zu Dir, Katja: Du hast ja mal mit Udo Lindenberg als Katja Okay die Platte "Coming Out" gemacht. Bist Du noch aktiv in der Musikbranche?

Katja: Die Musik ist mein wirkliches Wollen und Schaffen - mein Baby. Da kann ich selber kreativ sein, aus eingener Initiativer heraus eben mein Ding machen. Eine Rolle ist vorgeschrieben, und die muß ich mit meiner Persönlichkeit füllen. Die Musik dagegen ist ganz und gar "Pur Katja". Am 26. März habe ich mit meiner Band "Venus" eine Single rausgebracht, namens "Mister, Mister". Es geht halt auch mal um einen Mann. In "Coming out" habe ich mich ja deutlich geäußert, wie ich da so drauf bin. Und die Leute, die Katja Okay kennen, werden das auch verstehen.

Lespress: Als Du bei Folge 699 in dem Marinehof eingestiegen bist, hast Du da überhaupt gewußt, worum es geht?

Katja: Eigentlich weniger. Um die Zeit habe ich kaum TV gesehen. Für das Casting habe ich mich natürlich informiert und mir das angeschaut . Und ich merkte, daß es in dieser Daily auch schon um wirkliche Geschichten geht, daß von Kamera und Regie her einfach bessere Bilder gemacht werden. Nicht nur Fresse eins und Fresse zwei, sondern auch mal Kamerafahrten - alles natürlich im Rahmen einer Daily Soap.

Lespress: Wie habt Ihr beiden Euch denn nun auf die Rolle vorbereitet?

Leo: Als ich hörte, daß es in diese Richtung geht und ich das machen wollte, habe ich nur gedacht:"Super!" Denn bei einer Daily oder Soap ist es oft so, daß der Charakter sehr viel Ähnlichkeit mit einem selbst hat. Hier gab's endlich eine gewisse schauspielerische Herausforderung.
Also bin ich in Wien in eine Lesbenbuchhandlung gegangen und habe unter anderem auch Eure Zeitschrift gefunden. Und habe mir nen Stapel mitgenommen und mich mit einer lesbischen Kollegin in Wien unterhalten.

Katja: Ich war in Hamburg auch schon immer auf der Piste und habe im "Camelot" als Thekenschlampe gearbeitet. Viele meiner Freundinnen sind lesbisch. Für "Coming out" hat Angelina Maccarone, die Autorin und Regisseurin ("Kommt Mausi raus") mit mir zusammen getextet. Das alles gehört zu meinem Alltag. Die Rolle von Billi ist so angelegt, daß sie mit 14 schon wußte, daß sie lesbisch ist. Billi steht zu ihrem Lesbischsein und hat da kein Problem mit. So bin ich auch an die Rolle rangegangen. Für einen Mann ist es wahrscheinlich etwas anderes, einen Schwulen zu spielen. Wir Frauen haben ein ganz anderes Verhältnis untereinander, viel zärtlicher. Ich kann mich erinnern, als ich 13 war, war ne Mädchen- oder Frauenfreundschaft im Prinzip wie eine Beziehung. "Willste mit mir gehen? Du bist meine beste Freundin." Bei Männern gibt es diese Zärtlichkeiten nicht, diese Nähe und diese Vertrautheiten, die es bei Frauen von Natur aus gibt.

Lespress: Habt ihr nicht die Befürchtung, auf die Rolle der Lesbe festgeschrieben zu sein?

Leo: Das ist das kleinere Problem; ich glaube eher, daß man den Stempelaufdruck "Marienhof" erhält. Da muß man aufpassen, sich rechtzeitig abseilen und genug andere Sachen machen oder sich nicht zu sehr von der Presse ausschlachten lassen in Sachen "Marienhof". Aber was den Lesbenstempel angeht: Ich habe tatsächlich eine Zeit lang gedacht, ich müßte mit meinem Verlobten eine Menge Stories machen...mittlerweile brauche ich das nicht mehr. In meinem Leben sind viele Frauen, aber alle wissen, daß ich nicht lesbisch bin.

Katja: Bei Jounalisten fällt mir auf, daß sie oft fragen: "Bist Du in Wirklichkeit auch lesbisch?". Ich habe schon oft geantwortet: "Wenn Du jetzt einen Schauspieler interviewen würdest der einen Hetero spielt, würdest Du ihn dann auch fragen, ob er im wirklichen Leben heterosexuell ist?". Oder ich sage: "Leck mich am Arsch, von mir aus bin ich bi.".


Lespress: Leo, findest Du die Geschichte Deiner Rolle im Marienhof realistischer als die der Homos in anderen Serien?

Leo: Ja, denn ich weiß, wie die Redaktion arbeitet und wie die Autoren drauf sind. Nicht nach dem Motto: "Machen wir mal ne lesbische Geschichte.", sondern die recherchieren richtig. Wir sind mittlerweile das Traumpaar des Marienhofs und bekommen die meiste Fanpost. Und das finde ich toll.

Katja: Bei den Fans merke ich, daß Billi bei den ganz jungen eine Vorbildfunktion hat, weil sie keine Probleme mit ihrem Coming out hat. Ich find' ganz schön, daß sie zu ihrem eigenen Coming-Out motiviert werden.

Lespress: Dann nehmt Ihr ja fast eine pädagogische Rolle ein.

Leo: Ja, und ich bin dann manchmal auch ganz hilflos, wenn ich Briefe von 13, 14jährigen bekomme, die nicht wissen, wie sie es ihren Eltern sagen sollen. Ich schreibe natürlich zurück, aber manchmal hat man gar nicht die Zeit, da näher drauf einzugehen.

Katja: Ich habe in meinem Fanclub einige Lesben, und ich habe den Wunsch geäußert, solche Briefe weiterleiten zu können, weil mir oftmals die Zeit fehlt. Es ist jetzt eine richtige kleine Gemeinschaft entstanden. Es gibt jetzt bald einen homosexuellen Marienhof-Fanclub, der von zwei Frauen gegründet wird. Da kann dann ein richtiger Austausch stattfinden, besonders auch für junge Mädchen, die ja in der deutschen Fernsehlandschaft keine Vorbilder haben. So Heteroschinken interessiert ein lesbisches Paar einfach nicht. Der "Marienhof" geht da sehr verantwortlich mit um, soweit das eben in einer Daily möglich ist.

Lespress: Wie reagiert die Öffentlichkeit auf Euch?

Leo: Wenn ich durch München spaziere, wird mir manchmal von Jugendlichen "Lesbe" hinterher gerufen wird. Das finde ich schon erschreckend.

Katja: Ich war mal im Atlantik-Hotel in Hamburg auf dem Klo, und da kam ne ältere Dame auf mich zu und fragte: "Sie sind doch die Billi aus dem Marienhof? Sie machen das ganz toll." und schaute mich mit ganz verliebten Augen an. Das finde ich klasse, daß einen auch Heterofrauen so verschwärmt anschauen. Oder daß man auf der Straße gegrüßt wird, weil die Leute denken, daß sie einen wirklich kennen.

Lespress: Ein bißchen berühmt zu sein, tut also selbst als vermeintliche Lesbe immer noch gut....
Leo: Ich antworte mit meinem Lieblingsspruch: "Versuche die Sterne zu erreichen, und bleibe mit den Füßen am Boden."

Fanclub-Adressen:
Leonore Capell, c/o Anke Sauter, Hans-Sachs-Weg 12, 7255 Metzingen
Katja Keller: c/o Sonja Krauß, Hufner Str. 119, 22305 Hamburg
 
     
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