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Gleiche Rechte
wie Ehepaare sollen Lebenspartnerschaften durch ein Gesetz erhalten, das die rot-grüne
Koalition im Herbst vom Bundestag verabschieden lassen will. Die Opposition soll
gezwungen werden, ihre Blockadehaltung aufzugeben. Nach langer Sendepause meldeten
sich Anfang Juni Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) und der Parlamentarische
Geschäftsführer der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen,
Volker Beck, unisono zu Wort. "Wir sollten bekennen, dass wir für eine
Gleichstellung eintreten", so die Ministerin.
Unverständnis, Enttäuschung, Frust ó nicht viel Freundlichkeit hatten lesbisch-schwule
Interessenverbände in den vergangenen Monaten für die Bundesregierung übrig.
Kein Wunder, denn die versprochene weitere Ausgestaltung der Lebenspartnerschaft
und die Umsetzung eines Antidiskriminierungsgesetzes (ADG) blieb Rot-grün trotz
aller Absichtserklärungen schuldig, insbesondere die zuständige Bundesjustizministerin
Brigitte Zypries schien die Vorhaben mit spitzen Fingern anzufassen. Pünktlich
zum Start der CSD-Saison brach sie ihr Schweigen: "Lesbische und schwule Paare
sind in Deutschland eine soziale Wirklichkeit. Deshalb werden wir ihnen auch, soweit
dies verfassungsrechtlich mit dem besonderen Schutz von Ehe und Familie vereinbar
ist, dieselben Rechte gewähren wie Ehepaaren", erklärte die Ministerin
im Interview der "Berliner Zeitung". Homosexuelle werden in Deutschland
noch immer sozial und rechtlich diskriminiert, betonte sie. Wer homosexuellen Paaren
zum Beispiel beim Unterhalt dieselben Pflichten wie Eheleuten abverlange, müsse
ihnen unter dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gleichbehandlung auch dieselben
Rechte zukommen lassen.
Zeitgleich kündigte Beck gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa) die
Novelle für die Lebenspartnerschaft an, die die Koalition ohne den Bundesrat
beschließen kann. Nach der Sommerpause solle dann ein Ergänzungsgesetz
zur steuer- und beamtenrechtlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften
vorgelegt werden, das der Zustimmung des Bundesrats bedarf.
Was wird Gesetz?
Weil die Koalition die rechtliche Gleichbehandlung weiter vorantreiben wolle, "werden
wir auch bei lesbischen und schwulen Paaren das Verlöbnis zulassen. Daraus folgt
etwa das Recht, in Strafverfahren gegen den Partner die Aussage zu verweigern. Sollten
sich die Verlobten trennen, können sie auch zivilrechtliche Ansprüche stellen",
führte Brigitte Zypries aus. Außerdem soll das eheliche Güterrecht
auf Lebenspartnerschaften übertragen werden. Damit gilt automatisch die Zugewinngemeinschaft,
wenn das Paar nicht Gütertrennung vereinbart. So wird im Fall der Trennung das
während der Beziehung erwirtschaftete Vermögen geteilt. Hier soll künftig
auch der Versorgungsausgleich greifen: "Genauso wie bei gescheiterten Ehen müssen
Lesben und Schwule im Falle einer Trennung den ehemaligen Partner versorgen."
Wegfallen soll dagegen die notariell beglaubigte Trennungserklärung, wie bei
Ehepartnern soll eine einfache Trennungserklärung ausreichen. Zur Gleichstellung
gehört auch, dass LebenspartnerInnen künftig Witwenrente beziehen können.
Das führe aber nur zu minimalen Mehrausgaben, da bei Homopaaren in der Regel
beide PartnerInnen arbeiten und eigene Rentenansprüche erwerben würden,
sagte Zypries.
Wer darf adoptieren?
Wichtig insbesondere für lesbische Paare mit Kindern: Die Stiefkindsadoption,
vielfach von Lobbyistinnen gefordert, soll die familienrechtliche Absicherung der
Kinder verbessern. "Die Koalition hat sich darauf geeinigt, dass Homosexuelle
das leibliche Kind ihres Lebenspartners adoptieren können", so die SPD-Politikerin,
die offenbar dazu gelernt hat: "Vor allem für lesbische Paare ist das wichtig,
wenn eine der beiden Frauen ein Kind bekommen will. Dann kann künftig die Partnerin
das Kind adoptieren." Auch Kinder aus einer heterosexuellen Vergangenheit bekommen
so eine zweite Mutter. Wenn die Bio-Mutter stirbt, kann das Kind weiter mit ihrer
Co-Mutter leben, was bisher nicht möglich war. Durch die Adoption reihen sich
Kinder als Verwandte ersten Grades in die Erbfolge ein.
Die gemeinsame Adoption soll Homopaaren allerdings weiterhin verwährt bleiben.
Laut Zypries stehe dem ein von Deutschland ratifiziertes Übereinkommen des Europarates
entgegen, das nur Ehepaaren die Adoption erlaube. Die Ministerin wird dabei wohl
auch eine Völkerrechtsvereinbarung zur gegenseitigen Anerkennung von Angelegenheiten
des Familienstandes aus den 1950er Jahren im Hinterkopf gehabt haben, auf die die
Stiefkindsadoption zurückgeht. Danach soll es nur möglich sein, das leibliche
Kind der PartnerIn zu adoptieren. Klar ist: Zypries grenzt einen Teil der Kinder
von gleichgeschlechtlichen Paaren aus. Die betroffenen Kinder haben zum Beispiel
keine Versorgungs- und Unterhaltsansprüche gegenüber dem Co-Elternteil.
"Für das gemeinsame Adoptionsrecht gibt es bislang noch keine politische
Mehrheit. Hier muss noch Überzeugungsarbeit geleistet werden", kommentierte
Volker Beck in einer von den Grünen verbreiteten Erklärung. Und der Lesben-
und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) meint: "Das kann nicht im Sinne des
Kindeswohls sein. Damit würden neue Ungerechtigkeiten geschaffen. Wir wollen
beim Adoptionsrecht eine Lösung, die den Lebensrealitäten gleichgeschlechtlicher
Familien mit Kindern umfassend gerecht wird." Die Ministerin betont dagegen:
"Gerade in diesem Bereich kann der Gesetzgeber nur so weit gehen, wie die gesellschaftliche
Akzeptanz reicht."
Andererseits rechnet Zypries bei der Debatte um die Novelle nicht mehr mit solch
einem konservativen Aufschrei wie 2001, als die Unionsparteien mit einer Verfassungsklage
gegen die Lebenspartnerschaft Sturm gelaufen waren: "Die Akzeptanz von lesbischen
und schwulen Paaren hat zugenommen." Vor diesem Hintergrund will Rot-Grün
auch einen neuen Gesetzentwurf zur steuerlichen Gleichstellung von Lebensparterschaften
wagen. Dazu wird jedoch die Zustimmung des Bundesrates benötigt. Seinerzeit
war dies am Widerstand der unionsgeführten Länder gescheitert. Politisch
mache eine neue Gesetzesinitiative Sinn, so Zypries. "Sollte die Unionsmehrheit
im Bundesrat dann erneut ein Veto einlegen, wird deutlich, wer die Gleichbehandlung
homosexueller Paare blockiert." Das Bundesverfassungsgericht habe den Gesetzgeber
mit seinem Urteil vom Juli 2002 über die Verfassungsmäßigkeit des
eheähnlichen Rechtsinstituts "geradezu ermutigt, Schwulen und Lesben mehr
Rechte zu geben." Schließlich ist die Novelle auch deshalb nötig,
um Musterverfahren in Karlsruhe vorzubeugen.
Man wolle die Union und die FDP "zwingen, im Bundesrat Farbe zu bekennen",
so Volker Beck zu dpa. Tatsächlich kündigten CDU und CSU nach dem neuerlichen
Vorstoß an, alles, was im Bundesrat verhindert werden könne, auch zu verhindern.
Denn das zustimmungspflichtige Ergänzungsgesetz soll auch das Standesamt als
bundeseinheitlich zuständige Behörde ein- und die Gleichstellung im Einkommens-,
Erbschaftssteuer- und Beamtenrecht herbeiführen. Trotz der vollen Pflichten
von Ehegatten würden zahllose Konsequenzen der Unterhaltsverpflichtungen im
Sozialversicherungs-, Steuer- und Beamtenrecht bisher fehlen, heißt es in der
Erklärung der bündnisgrünen Fraktion. "Das ist nicht fair. Es
muss der Grundsatz gelten: Gleiche Pflichten, Gleiche Rechte!" forderte Beck
und verwies auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom Frühjahr 2004, das
LebensparterInnen dieselben Gehaltszuschläge zubilligt wie Eheleuten. Damit
sei " die Richtung vorgeprägt, in die der Gesetzgeber gehen muss".
Jetzt würden Benachteiligungen gegenüber der Ehe aufgehoben. Alles andere
als Gleichberechtigung sei Diskriminierung. Die Koalition setze ihre Politik des
Abbaus von rechtlichen Diskriminierungen der Lesben und Schwulen konsequent fort,
meinte Beck, der wegen der Untätigkeit der Bundesregierung in dieser Frage selbst
in die Kritik geraten war.
Konservativer Familienbegriff
Der Gegenwind aus den Unionsreihen ließ nicht lange auf sich warten: "Vorschläge,
die homosexuelle Partnerschaften weitestgehend der Ehe angleichen wollen, widersprechen
unserer Werteordnung und setzen das falsche Signal", kommentierte die Bayerische
Justizministerin Dr. Beate Merk die Pläne. Angesichts der demografischen Entwicklung
müsse "unser Engagement der Unterstützung und Stärkung des sozialen
Herzstücks unserer Gesellschaft gelten. Das sind Ehe und Familie." Merk
wies darauf hin, dass das bisherige Gesetz den Paaren ausreichend Möglichkeiten
eröffne, ihre vermögensrechtlichen Angelegenheiten zu regeln. Da in Bayern
Lebenspartnerschaften vor einem Notar zu schließen sind, sei eine umfassende
notarielle Beratung garantiert.
Die familienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Eichhorn,
attestiert: "Die Vorschläge von Frau Zypries führen zur weiteren Aushöhlung
des Schutzes von Ehe und Familie. Die demografische Entwicklung in Deutschland erfordert
eine Stärkung von Ehe und Familie und nicht die Ausweitung von Rechten für
gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften." Im Gegensatz zur eingetragenen
Lebenspartnerschaft sei die Ehe ihrem Wesen nach auf Elternschaft ausgerichtet und
damit von erheblicher Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft.
Dies rechtfertige die bevorzugte Stellung der Ehe und stelle keine Diskriminierung
von Lesben und Schwulen dar.
Derzeit lebten in jeder sechsten gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft Kinder,
führt der rechtspolitische Grünen-Sprecher, der Münchener Bundestagsabgeordnete
Jerzy Montag, als Gegenargument an. "Auch diese Kinder haben einen Anspruch
auf eine umfassende rechtliche Absicherung. Sie dürfen finanziell und rechtlich
nicht länger schlechter gestellt werden."
Keine zusätzlichen Privilegien für lesbische und schwule Paare, sondern
eine Förderung für alle Familien mit Kindern fordern die Lesben und Schwulen
in der SPD. Dort, wo Kinder erzogen werden, sei staatliche Hilfe vonnöten, betont
die stellvertretende Bundesvorsitzende, Sarah-June Jäckel. Sie versucht, der
Diskussion eine andere Richtung zu geben: "Unser Ziel ist nicht primär
die steuerliche Gleichstellung mit Ehepaaren ó im Gegenteil. Nicht gerechtfertigte
Vorrechte wie das Ehegattensplitting gehören beseitigt."
Und das ADG?
Das für Lesben und Schwule wichtige ADG streifte die Ministerin am Rande: Die
rechtlichen Diskriminierungen wolle die Koalition mit der Novelle des Lebenspartnerschaftsgesetzes
weiter abbauen. "Bei der sozialen Diskriminierung setze ich darauf, dass sich
die Gesellschaft weiter verändert und öffnet", erklärte sie.
Schon in ihrer bebuhten Rede beim Kölner CSD 2003 hatte sie gerufen: "Mir
ist eine tolerante, weltoffene und diskriminierungsfreie Gesellschaft wichtig ó und
dazu gehört auch die Gleichstellung der Lesben und Schwulen. Ihre Anliegen unterstütze
ich deshalb politisch und rechtlich. Was die Ziele anbelangt, so sind wir uns weitgehend
einig. Aber über die richtige Politik für dieses Ziel, über den richtigen
Weg zu diesem Ziel müssen wir diskutieren."
Die Pflicht zum Gesetz durch die EU-Vorgaben spielte im Interview keine Rolle. Schließlich
ist dieses Thema seit wenigen Wochen sehr viel unangenehmer als die Lebenspartnerschaft:
Brigitte Zypries beharrte auch gegenüber Lesben und Schwulen stets, die maßgeblichen
EU-Richtlinien "eins zu eins" zu übersetzen. Damit würde anders
als bei den Überlegungen ihrer Vorgängerin Herta Däubler-Gmelin (SPD)
das Merkmal sexuelle Orientierung beim zivilrechtlichen Aspekt außen vor bleiben.
Widerspruch erntete sie ausgerechnet von SPD-Parteichef Franz Müntefering, der
die Richtlinien-Umsetzung über das Merkmal ethnische Herkunft hinaus ergänzen
will. Dabei geht es um Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts, des Alters, der
Behinderung, der Religion und eben auch der sexuellen Orientierung. Bei der Bundeskonferenz
sozialdemokratischer Frauen hatte Müntefering für die großzügige
Regelung plädiert ó und seiner Ministerin damit einen Korb gegeben. Seine Initiative
stößt bei Rot-grün auf breite Zustimmung und der SPD-Bundestagsabgeordnete
Sebastian Edathy forderte gar, seine Partei müsse mit dem Thema Diskriminierungsschutz
"offensiver umgehen".
Die plötzliche öffentliche ministerielle Rede über die Lebenspartnerschaft
wird vor diesem Hintergrund erklärbar: Auch hier schwebte die Niederlage über
Zypries, da die Koalition sich mehrfach klar positioniert hat. Doch ob, was lange
währt, am Ende auch wirklich gut wird, ist im Bundesgesetzblatt nachzulesen.
Sabine Röhrbein |
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