Starker Auftritt!  
  Maren Kroymann  
  Wenn Maren Kroymann mit ihrem Unterhaltungsprogramm "Gebrauchte Liederî auf der Bühne steht, sollte man das auf keinen Fall verpassen. Denn souveräner feministisch hat noch niemand die Schlagerwelt der Nachkriegs-Ära präsentiert.
Die hochkarätige Entertainerin und Sängerin interpretiert musikalische Hits der 50er und 60er Jahre und erklärt dazwischen ganz en passant und unterhaltsam diese "autobiographisch bedeutsamen Lieder" in ihrem gesellschaftshistorischen Kontext. Dabei gelingt ihr eine wundervoll reflektierte Schlagersoziologie, die mit den Geschlechterstereotypen im Musikbusiness spöttisch ins Gericht geht. Anne-K. Jung sprach mit der Künstlerin in ihrer Wahlheimat Berlin:


Nur wenige Frauen aus der deutschen Medien- und Unterhaltungsbranche haben sich öffentlich zu ihrem Lesbischsein bekannt. Maren Kroymann ist eine von ihnen. Sie war zudem die Erste aus dem ernsten Schauspielfach, die sich vor einem Millionenpublikum outete: 1993 ließ sie sich mit ihrer damaligen Lebensgefährtin für den "Stern" fotografieren. Dem spektakulären Coming-Out allerdings folgte ein Rückzug aus dem erfolgreichen Dasein als Serienschauspielerin. An die tragenden Rollen in so gefragten Vorabendserien wie "Oh Gott, Herr Pfarrer!" und "Vera Wesskamp" hätten sich leicht weitere anschließen können, aber der Fernsehkarriere stand unvermittelt die sexuelle Orientierung im Weg: In der Vorstellungswelt der heterosexuellen Produzenten war Maren als heterosexuelle Ehefrau und Mutter nun nicht mehr zu besetzen, die Aufträge blieben aus.

Maren Kroymann konnte dieser Entwicklung damals konsequent und kämpferisch begegnen, denn die geeignete Plattform für eine berufliche Umorientierung war bereits betreten: Schon eine Weile vor dem bewusst vollzogenen Coming-Out hatte sie beschlossen, sich nicht als "ewiges Serienmodell" zu etablieren, sondern sich verstärkt auch wieder ihrer kreativen Heimat zuzuwenden, dem Kabarett: " Mich reizte es damals" erinnert sie sich, "wieder etwas Eigenes, etwas aus eigener Feder machen zu können, unabhängig, kritisch und gerne auch mal böse. Zudem hat mich herausgefordert, dass das Kabarett hierzulande viel zu sehr ein ÇMännerfachí ist." Dabei hatte Maren eigentlich schon zehn Jahre zuvor das Gegenteil bewiesen, als ihr feministisch inspiriertes Schlagerparodie-Programm "Auf Du und Du mit dem Stöckelschuh" jahrelang die Theatersäle füllte. Ihre neue Satire-Show "Nachtschwester Kroymann" schaffte es nun sogar ins Spätprogramm des Ersten. Aber auch hier eckte die Streitbare mit ihrer Direktheit wohl zu sehr an: Ihre Spitzen gegen die ÇSchieflageí in der Machtverteilung zwischen den Geschlechtern gefielen an höherer Stelle nicht. Die "Nachtschwester" musste "Sabine Christiansen" den Sendeplatz überlassen und wurde ersatzlos gestrichen.

Aber Maren Kroymann wäre nicht sie selbst, wenn sie nicht frei nach dem Motto "Durchhalten lohnt!" ihr Schicksal in die eigenen Hände genommen und ihr entertainerisches Können erneut in die Wagschale - sprich: auf die Bühne - geworfen hätte. Im Sommer 2000 startete ihr musikalisches Soloprogramm "Gebrauchte Lieder" in der Berliner Kultlocation "Bar jeder Vernunft". Für die instrumentale Begleitung hat sie sich von den Geschwistern Pfister deren musikalischen Leiter Jo Roloff "ausgeliehen", mitsamt seiner Band. Die "Gebrauchten Lieder" sind im Grunde eine "gesungenen Autobiographie": Gekonnt zum Vortrag gebrachte Hits der 50er und 60er - Schlager, Country, Rock und Pop - die die heute 53-Jahrige "irgendwann einmal sehr gebraucht" hat. Darunter so illustre Evergreens wie "You donít have to say you love me" von Dusty Springfield, "Treat Me Nice" von Elvis Presley, "Downtownî von Petula Clark, der Grand-Prix-Siegertitel 1964 "Non ho líetáî von Gigliola Cinquetti, und viele andere Titel von Tom Jones, Hank Williams, Udo Jürgens oder Caterina Valente. Was diese Lieder mit Zeitgeschichte, Geschlechterstereotypen, männlichem oder weiblichem Gestus zu tun haben, erklärt die Entertainerin mit viel Humor und analytischem Vermögen in ihren Überleitungen. Ihr reichen dabei Cowboyhut, Cowboystiefel und ein Whiskeyglas als Accessoirs, um sich "ein Stück von der dominierenden Männererotik der Rockín Roll-Ära zu holen". Marens Gesangskunst, verwoben mit einem souverän feministischen Blick auf das Showbiz der vergangenen Jahrzehnte, kommt gut an - im Februar dieses Jahres gingen die "Gebrauchten Lieder" in der "Bar jeder Vernunft" in eine seltene vierte Wiederaufnahme.

Maren hat einen ihrer Tricks verraten: "Ich tue im Programm so, als ob die fortschrittliche Sichtweise für alle im Saal ganz selbstverständlich ist. Innerlich stimmt das Publikum zu, denn Menschen sehen sich immer gern so gespiegelt, als wären sie tolerant, aufgeklärt und weltoffen." Das funktioniert auch in der Provinz, wo Maren Kroymann ebenso gern auftritt wie in den Metropolen. Und überhaupt versteht sie kaum, wie sie es davor so lange ohne Live-Publikum ausgehalten hat. "Im Fernsehen ist die Resonanz des Publikums natürlich wenig fassbar, dagegen sind die Bühnenauftritte gut für die Seele und wohltuend reell. Du bist glücklich, wenn die Leute glücklich aus dem Saal gehen." Und sie genießt es auch, sich musikalisch und künstlerisch weiterzuentwickeln. "Meine Stimme hat sich seit den ersten Auftritten verbessert, das Programm hat sich rundgespielt, die Begleitung ist klasse ... das Niveau hält stand! Den eigenen Ansprüchen genügen zu können, das macht zufrieden. Wenn ich auf diese letzten Jahre zurückblicke, ziehe ich eine enorme Stärke daraus, dass ich es geschafft habe, nicht weggekickt zu werden, mich zu behaupten."

Der Preis der Wahrheit, Photo: Hessischer RundfunkIhre Beharrlichkeit adelt nicht nur, sie hat sich überdies ausgezahlt: Von den Bühnenbrettern, die ihr so viel bedeuten, ist Maren Kroymann inzwischen auch wieder zu Fernsehprojekten zurückgekehrt. Lange ausgebliebene Rollenangebote purzeln nun wieder: Von der RTL-Sitcom "Mein Leben und ich", in der sie die Mutter der jugendlichen Titelfigur verkörpert, werden im Herbst 26 Folgen neue Folgen zu sehen sein. Und mit noch einem weiteren Fernsehprojekt ist Maren Kroymann gerade beschäftigt: In Frankfurt/M. dreht sie derzeit unter der Regie von Christine Kabisch für einen ARD-Fernsehfilm - in der Hauptrolle. In "Preis der Wahrheit" (geplanter Sendetermin: 17. Dezember, Hauptabendprogramm) verkörpert sie eine selbstbewusste und im Beruf erfolgreiche Archäologieprofessorin, Ehefrau und Mutter, die aus heiterem Himmel dahinterkommt, dass ihre Vorzeige-Ehe doch nicht ganz so makellos war und dass ihr Mann seit Jahren mit einer anderen Frau ein Doppelleben führt. Das Drehen ist anstrengend, macht ihr aber riesigen Spaß. "Ich habe mich so sehr gefreut, dass sich jemand getraut hat, mich wieder auf diese Art zu besetzen ... in einer ganz ähnlichen Frauenfigur wie damals vor meinem Coming-Out," gibt Maren Kroymann ihren Gefühlen über die Rolle Ausdruck. Es mag dabei kein Zufall sein, dass die Produktionskette in den entscheidenden Positionen mit Frauen besetzt ist, von der zuständigen Redakteurin beim Sender über die Drehbuchautorin bis hin zur Regisseurin. Der Anstoß für Marens Engagement kam also von Frauen in der Branche, und sie haben sich durchgesetzt.

Warum, denkt sie, werden ihr jetzt wieder verstärkt Fernseh-Rollen angeboten? "Dafür gibt es sicher mehrere Gründe. Ganz bestimmt hat das Bühnenprogramm etwas damit zu tun. Ich bin in den Feuilletons vorgekommen, und zwar in einem ernst zu nehmenden Genre. Inzwischen werde ich offenbar als eine souveräne Künstlerpersönlichkeit wahrgenommen, die sich entwickelt hat und die immer wieder für eine Überraschung gut ist. Das hat auch das Fernsehen wieder auf mich aufmerksam gemacht." Im übrigen konstatiert sie einen weitaus offeneren Umgang mit Homosexualität in der Branche als zum Zeitpunkt ihres Coming-Outs: "Heute - nach Homoehe-Debatte und Wowereits Selbst-Outing - ist es für kultivierte Menschen eher peinlich, jemanden wegen der sexuellen Orientierung zu ächten."

Dass natürlich auch der persönliche Typ bei Besetzungsfragen eine Rolle spielt, gibt Maren Kroymann unumwunden zu: "Offenbar taugt mein Typ für so Einiges, mit der Ehefrau-Mutter-Figur als Schwerpunkt. Darüber beschwere ich mich nicht, das passt ganz gut!" Unvermeidlich meine Frage nach ihrer Meinung zu dem Ausbleiben von guten Filmrollen für ihre Schauspielkollegin Ulrike Folkerts, charmant und mit fachlichem Einblick ihre Antwort: "Ulrike verkörpert ganz wunderbar den etwas Çbutcherení, herberen, französischen Typ. Und eine Schauspielerin muss man nach ihrem Typ besetzen, nicht dagegen. Im Hinblick auf Ulrike hat die Filmbranche - über den Tatort hinaus - dieses Potential bislang noch nicht gesehen oder sehen wollen, ein großer Fehler. Es müssen endlich andere Frauenfiguren her!"

Marens nächstes Erscheinen auf der Mattscheibe wird allerdings weniger mit "Typen" und "Rollen" zu tun haben. Anlässlich des Kölner CSD sendet das WDR-Fernsehen am 6. Juni eine einstündige Sendung zum "Gay Pride", in der sich Reportagebeiträge mit Live-Aufzeichnungen während der Parade abwechseln. Mit dem Kulturzeitmoderator Gerd Scobel an ihrer Seite, wird Maren Kroymann die Talkmasterin und Gastgeberin für allerlei InterviewpartnerInnen sein und das CSD-Geschehen sachkundig begleiten. Denn das lässt sich die willensstarke Entertainerin nicht nehmen: Unermüdlich und unverwechselbar in der Öffentlichkeit zu stehen für die feministische und schwul-lesbische Sache. Wir ziehen den Hut, Maren!

Maren Kroymann on stage:
28. Juni, Stadttheater Lübeck
2. Juli, "Sommerblut"-Kulturfestival", Limelight, Köln
4. Juli, Heilbronner Kulturtage

Maren Kroymann on disc:
"Gebrauchte Lieder", Hörkunst/Indigo, 16,99 Euro [Abbildung!]

Photos. J. Rakete, Hessischer Rundfunk
 
  zurueck zum Inhalt  

www.lespress.de
© 2003: lespress-Verlag, Dyroffstr. 12, 53113 Bonn