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Leben
und arbeiten im Süden, unweit des Meeres und doch abseits ausgetretener Touristenpfade
ó Isolde Fiedler hat sich den Standardtraum der Nordeuropäerin erfüllt.
Sie erstand ein Grundstück auf Mallorca, gründete mit anderen Frauen die
Asociation "Valle de la Luna" ("Tal der Mondin", wie die feminisierte
Übersetzung ins Deutsche lautet) und feiert in diesem Jahr das zehnjährige
Bestehen (Salud!) dieses, inzwischen auch international beliebten Frauenortes in
der Nähe des malerischen Städtchens Soller. "Ich habe noch keinen
Tag bereut, nach Mallorca gegangen zu sein", erklärt die 59-Jährige
überzeugend. Und verhehlt bei aller spürbaren Begeisterung nicht, dass
es auch in diesem lokalisierbaren Paradies von 7000 Quadratmetern, auf dem u.a Hunde,
Katzen, Pfauen, Chinchillas und schwarze Schwäne zwischen den Casitas (kleinen
Häusern) ihr artgerechtes Dasein genießen, Widrigkeiten des Alltags zu
bewältigen gilt. Eine davon ist die Schlammschlacht, die lokale Medien im Sommer
vergangenen Jahres gegen das "Valle de la Luna" zum Programm erhoben. Allerdings,
ohne letztlich nennenswerten Schaden verursacht zu haben, wie Isolde zufrieden resümiert.
So schnell hätte sie sich ihren wahr gewordenen Traum auch kaum zerstören
lassen. Doch von Anfang an:
Begonnen hat alles 1974, denn in jenem Sommer verbrachte die Therapeutin aus Hamburg
ihren ersten Urlaub auf der Baleareninsel, die schon zu jener Zeit zweigeteilt erschien.
Der Süden galt seiner günstigen Preise und überdimensionierten Hotelanlagen
wegen als Refugium für deutsche Putzfrauen, der Nordwesten als Geheimtipp für
IndividualistInnen. Isolde kam, sah und verfiel in heftige Zuneigung. "Seit
damals verfolgte mich die Insel. Ich wollte dort leben und arbeiten." Doch erst
1988 verwirklichte die Mutter und Großmutter ihren Traum: Mit einem alten Wohnmobil
als provisorischem Domizil, ihrer letzten Arbeitslosenhilfe im Portemonnaie und einigen
Werkzeugen im Gepäck machte sie sich auf den Weg. Immer der Sonne
entgegen. Mit verschiedenen Jobs und dem Verkauf von selbst hergestelltem Kunsthandwerk
hielt sich die Wagemutige über Wasser, bis "ein glücklicher Umstand"
sie in die Lage versetzte, ihr Traumgrundstück Son Violeta oberhalb des hübschen
Hafens Port Soller zu erstehen. Mit der anschließenden Vereinsgründung
wurde festgeschrieben, was auch heute noch Isoldes Hauptanliegen ist: einen Kunst-
und Kulturaustausch auf Mallorca ausschließlich unter Frauen zu ermöglichen.
Die Idee kommt an. Frauen und Lesben aus ganz Europa, den USA und Japan treffen sich
im "Valle de la Luna", um zu malen oder zu töpfern, um Spanisch oder
Segeln zu lernen, oder um sich einfach eine Auszeit zu nehmen. Reiselustige, denen
das nötige Kleingeld für einen Aufenthalt im Süden fehlt, haben die
Chance, sich als Helferinnen Kost und Logis zu erarbeiten. "Diese Senioras können
je nach Unterkunft, Zelt oder Zimmer, mit einer bestimmten Stundenzahl durch Mithilfe
die Unkosten begleichen", erklärt Isolde und weist ausdrücklich darauf
hin, dass diese Möglichkeit auch für erwerbslose Frauen besteht. Wer Unterstützung
vom Arbeitsamt bezieht kann über den EU-Antrag 302/303 bis zu drei Monate im
europäischen Ausland auf Jobsuche gehen. Die Zahlungen laufen weiter. "Helferinnen
sind immer herzlich willkommen", so Isolde. Das gilt besonders für den
kommenden Sommer und die Vorbereitungen auf die große zehn-Jahres-Fiesta. Aber
auch zwischen den Jahren hat Mallorca seinen Reiz, wie schon die Schriftstellerin
George Sand wusste, die im unweit von Soller gelegenen Kloster Valldemossa 1938 ihren
inzwischen legendären Winter mit dem kränklichen Komponisten Frederic Chopin
verbrachte.
So zurückgezogen wie die große Autorin lebte Isolde allerdings
von Anfang an nicht. Sie machte sich präsent, nahm Kontkat zu SpanierInnen auf
und bemühte sich um Integration. Das erleichterte die Gründung des "Valle
de la Luna" erheblich. Im Macho-Land Spanien stoßen Frauenprojekte nicht
immer auf Gegenliebe. Isoldes Projekt aber wurde akzeptiert. "Da mich die Leute
aus Porto Soller und Soller schon vorher als in Frauenzusammenhängen aktive
Lesbe wahrgenommen haben, war ihnen der Aufbau des Frauenortes auch nicht suspekt,"
so Isolde. Stress gab es aber im vergangenen Jahr mit der Tourismuspolizei und den
lokalen Zeitungen. Auf Grund einer anonymen Anzeige wegen illegaler Vermietung machte
ein mallorquinischer Inspektor dem Mondinnen-Tal seine Aufwartung. "Der hat
Schwierigkeiten mit einem Ort nur für Frauen und ist zudem noch homophob",
stellt Isolde klar. In seiner Wahrnehmung wurde das "Valle de la Luna"
flugs zum "Lesbennest". Der eifrige Beamte unterrichtete einen Reporter
der Tageszeitung Diario Mallorca von den "skandalösen Vorfällen",
und der freute sich über eine auflagenstarke Geschichte ó Wahrheitsgehalt uninteressant.
Bei seinen Recherchen stieß er auch auf die Webseite des "Valle"
und hier auf eine Verbindung zu Horizont-Reisen, einem Reiseveranstalter in Oldenburg,
der sich auf lesbisch-schwule Ferien spezialisiert hat. Damit war dem Journalisten
klar: Im "Valle de la Luna" wird Sextourismus für Lesben betrieben.
Frei nach dem Motto: Was den Heteros ihr Pattaya ist den Homos ihr Mallorca. "Da
der Artikel im Sommerloch erschien, haben andere Zeitungen wie Ultima Hora und El
Pais den Schwachsinn übernommen. Das hat erst Recht hohe Wellen geschlagen",
erzürnt sich Isolde. Doch hat sie auch viel Solidarität erhalten, MallorquinerInnen
äußerten Bedauern über den versuchten Rufmord und boten Unterstützung
an, darunter auch MitarbeiterInnen vom spanischen Roten Kreuz. Die pflegen mit Isolde
seit Jahren eine gute Kooperation. Da es auf Mallorca keine Frauenhäuser gibt,
bringt die in Frauenfragen engagierte Präsidentin der karitativen Organisation
des öfteren misshandelte Frauen im "Valle de la Luna" unter. Unterstützung
erfuhren Isolde und ihr Team auch von den Frauen der Lesbengruppen Ben Amics und
Arco Iris, mit denen das "Valle" ebenfalls einen guten Kontakt pflegt.
Letztlich überwiegt in Isoldes Wahrnehmung das Positive der erlebten Solidarität
die negativen Gefühle während der Hetzkampagne. So leicht lässt sie
sich ihren Traum nicht mies machen - ihr lokalisierbares Paradies unweit des Meeres.
In diesem Sinne: Salud! Und auf die nächsten zehn Jahre.
Britta Lübbers
Weitere Infos: www.vallemallorca.de |
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