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Alles wie gehabt
und trotzdem ganz anders - zum allerersten Mal fand das traditionelle Lesbenfrühlingstreffen
in den neuen Bundesländern statt. Spontan hatten sich auf dem letztjährigen
Abschlußplenum Rostockerinnen bereiterklärt, das vom Orga-Aufwand her
gigantische Treffen zu organisieren. Begeistert bejubelt von allen Anwesenden in
Bochum, die in überwältigender Mehrheit versicherten, auch wirklich nach
Rostock zu kommen.Tatsächlich fanden aber viel weniger Lesben, etwa 1200 im
Vergleich zu 2000 in Bochum, den Weg an die Ostsee.
Dieselben Gesichter immer wieder zu sehen, hat aber auch Vorteile...
Nur: Schwarze Gesichter waren nicht darunter. So bestätigten Lesben aus einigen
Städten, daß Freundinnen es vorgezogen hätten, keine persönlichen
Begegnungen mit Rechtsradikalen, Skinheads und Nazis zu haben. Seit dem brennenden
Asylbewerberheim in Lichtenhagen hat Rostock seinen Ruf weg. Das im Vorfeld sowohl
gelobte als auch kritisierte Schutzkonzept in enger Zusammenarbeit mit der Polizei
ging insofern auf, als nichts passierte. Die Veranstaltungsorte lagen alle zentral
in der Innenstadt. An Nazis erinnernde Jugendliche wurden vereinzelt gesichtet, aber
nicht als Bedrohung empfunden. Umgekehrt traf die Befürchtung einer ständigen
Polizeipräsenz in Uniform auch nicht ein.
Eine von allen Lesben als positiv und energiegeladen empfundene Demonstration
vom Stadthafen bis mitten in die Fußgängerzone war ein voller Erfolg und
hatte einige Außenwirkung. Viele Neugierige erkundigten sich, wogegen wir denn
demonstrierten. Das Plakat "Homo-Ehe Nein Danke - Wir scheißen auf euer
Ja-Wort" war für gaffende Heteras und -ros ein Grund zur völligen
Ratlosigkeit. Jetzt werfen wir ihnen ein Häppchen hin und sie wollen es gar
nicht? Die Plakatträgerin war gerne zur persönlichen Aufklärungsarbeit
bereit, wobei das Wort Wahlfamilien eine wichtige Rolle spielte.
Die leider immer wieder zeitgleichen Podiumsdiskussionen beschäftigten sich
diesmal mit den Fragen: "Brauchen Lesben Feminismus" und "Gewalt -
kein Thema für Lesben?" Beides konnte (wie sollte es auch) nicht abschließend
geklärt werden. Positiv fiel auf, daß insgesamt viele politische Workshops
angeboten wurden.
Das Musikprogramm war gespickt mit lesbischen Highlights, von Zrazy aus Irland über
Belladonna aus Marseille/Nürnberg bis hin zu Jan Allain, die ihre neue, völlig
lesbische CD mit dem schönen Titel "An Apple-Sized Golden Clitoris"
vorstellte.
Bei aller lesbischen Vielfalt gab es natürlich auch Kritik. Das fing gleich
auf dem Eröffnungsplenum an: Ein von der Orga aufgehängtes Transparent:
"Deutschland - Einig Lesbenland" sollte eigentlich zur Diskussion über
den Ost-West-Konflikt anregen. Doch das "Deutschland" in schwarz-rot-goldener
Schrift wurde von Lesben, die darin etwas ganz anderes sahen, kritisiert. Da einigt
lesbe sich doch gerne auf unverfänglichere (wenn auch schon etwas angeschimmelte)
Sprüche wie "Ja zur Frauenliebe". Auch gegen "Im Osten geht die
Sonne auf" konnte kein begründeter Einwand gefunden werden.
Der feministische Gottesdienst, den eine Pfarrerin öffentlich in einer Kirche
gab, fand unter den Lesben Anklang. Zeitgleich zum Abschlußplenum fand ein
weiterer Gottesdienst in Rostock statt, der das LFT zum Anlaß nahm, Homosexualität
zu thematisieren.
Auf dem Abschlußplenum ging es erstaunlich fröhlich und konstruktiv zu.
Ein Highlight war der schöne Versprecher der "Andersbehinderten".
Von einer Arbeitsgruppe wurde der Antrag eingebracht, die LFT-Finanzen immer offenzulegen,
was fast einstimmig angenommen wurde.
Der LFT-Verein rief zu Mitfrauschaft und damit Unterstützung der zukünftigen
Orga-Arbeit auf. 2002 wird das LFT in Hannover stattfinden, parallel zum schwul-lesbischen
"Tummelplatz der Lüste". Die hoffnungsvolle Orga-Gruppe, die schon
in Rostock durch sehr schöne Einheitswesten auffiel (Distel / FrauenLesben-Werkstatt
Hannover), hat sich dazu die Einrichtung eines "Zwischenraumes" überlegt.
Eine Arbeitsgruppe zu Transgender forderte in einer Resolution "für alle
offen (zu) sein, die sich als integralen Bestandteil des Kontinuums lesbischen Begehrens
und lesbischer Lebenswelten/Lebensfacetten verstehen, d. h. auch für transidentische
Lesben und Transgender, die sich mit lesbischen Inhalten identifizieren". Ihre
Ziele und die daraus folgenden Konsequenzen stellte die AG eindrucksvoll durch den
Auftritt eines "Trans-Mannes" bloß, der in 60 Sekunden zwölfmal
"ich" unterbrachte - und der am Ende protestierende Lesben anschrie, die
sich sein Gelaber nicht mehr anhören wollten: "Das ist dein Problem! Dann
geh doch!"
Für 2003 wurde Leipzig vorgeschlagen und begeistert angenommen. Zum Glück
kam der Moderatorin in den Sinn, die Leipziger Lesben sehen zu wollen. Dabei stellte
sich heraus, daß lediglich anwesende Lesben aus Erfurt und aus Dresden es gemeinsam
toll fänden, wenn es sozusagen zentral bei ihnen stattfände... Der schöne
Vorschlag "Ein LFT im Osten, eins im Westen" sollte noch einmal von der
Bevölkerungsverteilung her unter die Lupe genommen werden.
Und schon war alles wieder vorbei. Küßchen hier, Umarmungen allerseits,
bis in Hannover dann - spätestens. Neidisch winkten wir den Lesben im gecharterten
Reisebus aus NRW hinterher, die noch ein bißchen mehr LFT auf der langen Rückfahrt
vor sich hatten.
Irene Hummel |
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