"Im Osten geht die Sonne auf" Ein erster Rückblick auf das LFT 2001 in Rostock

 
   
  Alles wie gehabt und trotzdem ganz anders - zum allerersten Mal fand das traditionelle Lesbenfrühlingstreffen in den neuen Bundesländern statt. Spontan hatten sich auf dem letztjährigen Abschlußplenum Rostockerinnen bereiterklärt, das vom Orga-Aufwand her gigantische Treffen zu organisieren. Begeistert bejubelt von allen Anwesenden in Bochum, die in überwältigender Mehrheit versicherten, auch wirklich nach Rostock zu kommen.Tatsächlich fanden aber viel weniger Lesben, etwa 1200 im Vergleich zu 2000 in Bochum, den Weg an die Ostsee.
Dieselben Gesichter immer wieder zu sehen, hat aber auch Vorteile...
Nur: Schwarze Gesichter waren nicht darunter. So bestätigten Lesben aus einigen Städten, daß Freundinnen es vorgezogen hätten, keine persönlichen Begegnungen mit Rechtsradikalen, Skinheads und Nazis zu haben. Seit dem brennenden Asylbewerberheim in Lichtenhagen hat Rostock seinen Ruf weg. Das im Vorfeld sowohl gelobte als auch kritisierte Schutzkonzept in enger Zusammenarbeit mit der Polizei ging insofern auf, als nichts passierte. Die Veranstaltungsorte lagen alle zentral in der Innenstadt. An Nazis erinnernde Jugendliche wurden vereinzelt gesichtet, aber nicht als Bedrohung empfunden. Umgekehrt traf die Befürchtung einer ständigen Polizeipräsenz in Uniform auch nicht ein.

Photo: Karin DauenheimerEine von allen Lesben als positiv und energiegeladen empfundene Demonstration vom Stadthafen bis mitten in die Fußgängerzone war ein voller Erfolg und hatte einige Außenwirkung. Viele Neugierige erkundigten sich, wogegen wir denn demonstrierten. Das Plakat "Homo-Ehe Nein Danke - Wir scheißen auf euer Ja-Wort" war für gaffende Heteras und -ros ein Grund zur völligen Ratlosigkeit. Jetzt werfen wir ihnen ein Häppchen hin und sie wollen es gar nicht? Die Plakatträgerin war gerne zur persönlichen Aufklärungsarbeit bereit, wobei das Wort Wahlfamilien eine wichtige Rolle spielte.

Die leider immer wieder zeitgleichen Podiumsdiskussionen beschäftigten sich diesmal mit den Fragen: "Brauchen Lesben Feminismus" und "Gewalt - kein Thema für Lesben?" Beides konnte (wie sollte es auch) nicht abschließend geklärt werden. Positiv fiel auf, daß insgesamt viele politische Workshops angeboten wurden.

Das Musikprogramm war gespickt mit lesbischen Highlights, von Zrazy aus Irland über Belladonna aus Marseille/Nürnberg bis hin zu Jan Allain, die ihre neue, völlig lesbische CD mit dem schönen Titel "An Apple-Sized Golden Clitoris" vorstellte.

Bei aller lesbischen Vielfalt gab es natürlich auch Kritik. Das fing gleich auf dem Eröffnungsplenum an: Ein von der Orga aufgehängtes Transparent: "Deutschland - Einig Lesbenland" sollte eigentlich zur Diskussion über den Ost-West-Konflikt anregen. Doch das "Deutschland" in schwarz-rot-goldener Schrift wurde von Lesben, die darin etwas ganz anderes sahen, kritisiert. Da einigt lesbe sich doch gerne auf unverfänglichere (wenn auch schon etwas angeschimmelte) Sprüche wie "Ja zur Frauenliebe". Auch gegen "Im Osten geht die Sonne auf" konnte kein begründeter Einwand gefunden werden.
Der feministische Gottesdienst, den eine Pfarrerin öffentlich in einer Kirche gab, fand unter den Lesben Anklang. Zeitgleich zum Abschlußplenum fand ein weiterer Gottesdienst in Rostock statt, der das LFT zum Anlaß nahm, Homosexualität zu thematisieren.

Auf dem Abschlußplenum ging es erstaunlich fröhlich und konstruktiv zu.
Ein Highlight war der schöne Versprecher der "Andersbehinderten".
Von einer Arbeitsgruppe wurde der Antrag eingebracht, die LFT-Finanzen immer offenzulegen, was fast einstimmig angenommen wurde.
Der LFT-Verein rief zu Mitfrauschaft und damit Unterstützung der zukünftigen Orga-Arbeit auf. 2002 wird das LFT in Hannover stattfinden, parallel zum schwul-lesbischen "Tummelplatz der Lüste". Die hoffnungsvolle Orga-Gruppe, die schon in Rostock durch sehr schöne Einheitswesten auffiel (Distel / FrauenLesben-Werkstatt Hannover), hat sich dazu die Einrichtung eines "Zwischenraumes" überlegt.
Eine Arbeitsgruppe zu Transgender forderte in einer Resolution "für alle offen (zu) sein, die sich als integralen Bestandteil des Kontinuums lesbischen Begehrens und lesbischer Lebenswelten/Lebensfacetten verstehen, d. h. auch für transidentische Lesben und Transgender, die sich mit lesbischen Inhalten identifizieren". Ihre Ziele und die daraus folgenden Konsequenzen stellte die AG eindrucksvoll durch den Auftritt eines "Trans-Mannes" bloß, der in 60 Sekunden zwölfmal "ich" unterbrachte - und der am Ende protestierende Lesben anschrie, die sich sein Gelaber nicht mehr anhören wollten: "Das ist dein Problem! Dann geh doch!"

Für 2003 wurde Leipzig vorgeschlagen und begeistert angenommen. Zum Glück kam der Moderatorin in den Sinn, die Leipziger Lesben sehen zu wollen. Dabei stellte sich heraus, daß lediglich anwesende Lesben aus Erfurt und aus Dresden es gemeinsam toll fänden, wenn es sozusagen zentral bei ihnen stattfände... Der schöne Vorschlag "Ein LFT im Osten, eins im Westen" sollte noch einmal von der Bevölkerungsverteilung her unter die Lupe genommen werden.

Und schon war alles wieder vorbei. Küßchen hier, Umarmungen allerseits, bis in Hannover dann - spätestens. Neidisch winkten wir den Lesben im gecharterten Reisebus aus NRW hinterher, die noch ein bißchen mehr LFT auf der langen Rückfahrt vor sich hatten.

Irene Hummel
 
     
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