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Die BerlinerInnen lieben sie, die RheinländerInnen entdecken sie als Geburtstagsgeschenke
und "Benefiz-Futter" mit außergewöhnlicher Provokanz. Und die
haben sie auch. Ihre Tanzcomedy ist modern, ambitioniert, schräg, krokant, tragisch-komisch,
ohne Worte - queergedacht und grotesk gemacht.
Wenn
ich auf die Bühne gehe, bin ich keine abstrakte Kunstfigur, sondern ein Narr,
ein Schalk, der den normalisierten Menschen ein bisschen kitzelt unter der Hirndecke.
Das habe ich schon gerne als Kind probiert, obwohl ich nie wusste, ob ich dafür
eine Backpfeife kriege dafür oder nicht", grinst Charla. "Die skurrilen
Erlebnisse im Alltag, die absurden Gefühle, die man zu seinem Leben hat, von
denen man aber kaum reden mag, weil man sie nicht in Worte fassen kann - all das
verarbeiten wir zu bewegten Bildern" erklärt Eva Hass (Luna Luder).
Sie war es, die Charla Drops in der von ihr geführten Frauenkneipe Orlanda quasi
entdeckte. Das 1979 von Eva in Berlin Kreuzberg gegründete Orlanda war übrigens
bundesweit das erste Frauenlokal, dessen Fenster nicht verhangen waren und das keine
Türsteherin hatte. Außerdem gab es dort eine Bühne - und das Glück,
dass Charla einen ungewöhnlichen Mut hatte, der sie jagte und dem sie folgte:
Theater und Tanz miteinander zu verbinden. Die Qualität ihres ersten
Auftritts überzeugte und Eva war begeistert. Sie stieß als Förderin,
später als Regisseurin und Bühnenpartnerin hinzu, denn sie erkannte das
Talent der Vollblutkomödiantin sofort.
1982 schloss das Orlanda seine Pforten. Charla und Eva gründeten mit zwei schwulen
Künstlern das Theater UNART. Manch heutige Kleinkunstgröße vertrat
sich dort die noch ungelenken Füße auf der Bühne. Denn die UNART-GründerInnen
wurden durch ihre Dauerbrenner-Programme zum Geheimtipp subkultureller Angelegenheiten
Berlins.
Im Laufe der Jahre entstanden Programme mit so erfrischenden Namen wie "Die
Kunsthure im Einsatz", "Tarnung vor dem Hunde", "Rührí meine
Urne um" und "HalsüberKopf". "Wir waren zur richtigen Zeit
mit den richtigen Ideen am richtigen Ort", erinnern sich Charla und Eva. "Außerdem
haben wir durch unsere Arbeit eine Menge Frauen ermutigt, auf die Bühne zu gehen.
Und sie hat inspiriert zu Diplomarbeiten: "Dürfen Frauen lustig sein?"
ist
eine davon. "Wir bekamen Anfang der Neunziger Anfragen, ob wir zu diesem Thema
einen Vortrag halten können. Das war für uns schon sehr befremdlich, weil
diese Frage für uns gar nicht existent war." Mut zur Hässlichkeit
zu zeigen, provokant zu sein, Tabus zu brechen, war für Frauen "damals"
tatsächlich noch nicht selbstverständlich - für Charla Drops und Eva
Hass allerdings ein Muss auf der Bühne.
13 Jahre führen sie das Theater ihrer Wahl, mit all seinen Zwängen und
Notwendigkeiten, mit Verantwortung und manch anderer Verrenkung und schenkten dem
Publikum manch unvergesslichen Abend.
Die örtliche Gebundheit, ihre Liebe zum UNART erwies sich als Karrierefalle.
Ein Touren mit kontinuierlichen Auftritten in andere Städte Deutschlands ließ
sich nicht organisieren. Die sehr erfolgreichen Festivalauftritte in Finnland, Budapest,
Spanien und der Schweiz spiegeln aber die komödiantische Kraft des Duos.
Der Wirtschafts- und Kulturkollaps, der nach dem Mauerfall in Berlin viele Einzelhändler,
Selbstständige und Lebenskünstler in Gras beißen ließ, fügte
auch dem so lange erfolgreich ohne Subventionen geführten Theater Schaden zu.
Der Antrag auf Spielstättenförderung wurde abgelehnt. 1996 finden sich
dann zwei Nachfolger, die ganz im Trend der Zeit auf Mischfinanzierung und Sponsoring,
etc. setzen. Aber wie es manchmal so ist im Leben, funktioniert diese Umstrukturierung
aus allerlei Gründen nicht. Das Unart muss schließen, die Spielstätte
ist fort. Heute befindet sich dort ein türkisches Kulturzentrum, und Charla
und Eva haben im Anblick des neuen Etablissements wahrscheinlich so manche Träne
verdrückt.
Charla und Eva leben seitdem in Köln. Dort gründeten sie zusammen mit Kara
Pientka und Sia Korthaus "Sappho lacht", eine der nettesten und sehenswertesten
Produktionen der letzten Jahre in der Szene.
Nun ruft Berlin, und Charla Drops und Luna Luder kommen gerne. Für das Jahr
2000 bieten sie ein "Best-of-Programm" mit dem Titel "Mir nach! Ich
folge Euch!" im BKA an. "Wir erleben nach drei Jahren Berlinabstinenz eine
ungehemmte und brilliante Zusammenkunft von Freunden und Feinden, und die Power unserer
Exklusivität zieht hier - auch ohne Kleinkunstpreise - Menschen jeglicher Couleur
in ihren Bann" freuen sich die beiden. Und eine junge Gästin flüstert:
"Sie sind besser als je zuvor, sagt meine Tante, aber wie, das kann man nicht
beschreiben, das muss man gesehen haben."
Also: schauen Sie selbst...
ufa
Auftritte im BKA vom 28. Juni bis 9. Juli 2000, mittwochs und sonntags um 21.00 Uhr,
freitags und samstags als Sommernachtsvorstellung um 22.00 Uhr, Mehringdamm 34, Berlin
Kreuzberg, Tel.: 030-2022007 |
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