Seit ihrem Coming-out 1993 gehört Maren Kroymann zu den beliebtesten und gerngesehensten Promis der Szene. Ulrike Anhamm unterhielt sich mit der Schauspielerin und Kabarettistin, die auch in diesem Jahr wieder beim Kölner CSD als Kommentatorin des Zuges zusammen mit Georg Uecker dabeisein wird.  
     
  Aufgrund des großen Erfolgs im letzten Jahr gibt es auch in diesem Jahr wieder eine Live-Übertragung des CSDs im WDR. Was wird anders sein?
Im letzten Jahr haben meine Freundin Claudia Müller und ich sehr viel im Vorfeld recherchiert; das macht sie dieses Jahr alleine, weil ich noch an einem anderen Projekt arbeite. Die Besetzung hat sich auch geändert: Hella von Sinnen ist nicht mehr dabei, dafür aber Bettina Böttinger.


Wo wir gerade bei Prominenten sind: Was sagst Du zu Ulrike Folkerts' Coming-out?
Klasse war das! Aber im Grunde medientechnisch gesehen ja die reine Farce. Es war eigentlich ein Outing, das von der Presse als Selbst-Outing verkauft wurde. Weil Outen ja out ist. Der Kölner Express hat einfach geschrieben, sie sei lesbisch, weil sie in der Jury des lesbsich-schwulen Grand Prix' sitzt.


Was ja keine hinreichende Bedingung ist, um lesbisch oder schwul zu sein. Dann aber kam die Bild-Zeitung mit einem angeblichen Coming-out. - Also, was ist passiert?
Die Bild-Zeitung hat dann einen draufgesetzt: Ein Photo von Ulrike beim lesbisch-schwulen Grand Prix, wie sie ihren Beifall entgegennimmt und darunter geschrieben: "Seht her, ich binís!" Sie hatte sich aber gar nicht zu diesem Thema geäußert. Die Bunte hat dann wiederum den Bild-Artikel verwurstet und dazugeschrieben: Es war gar nicht nötig, daß der Satz "Ich bin lesbisch" fiel. Dadurch hatte man beim oberflächlichen Lesen - und wer liest die Bunte nicht oberflächlich - den Eindruck, der Satz sei irgendwie gefallen. Weil er da als Zitat stand - wenn auch in der Verneinung. Ja, das dialektische Denken wird eben heutzutage von der Yellowpress vertreten! Jedenfalls lief die ganze Geschichte eher unter dem Motto ab: Halb zog sie (die Presse) sie, halb sank sie hin. Ich hoffe aber und glaube eigentlich auch, daß für Ulrike das ganze letztlich doch befreiend war. Und das ist ja das Wesentliche.


Du bist ja auch bei "Gisbert" dabei. Wie war die Arbeit?
Es hat total Spaß gemacht. HaPe liebe ich sowieso. Als wir beide noch bei Radio Bremen waren, lagen unsere Studios direkt nebeneinander, und das verbindet natürlich. "Gisbert" war im Vorfeld ein wenig umstritten, aber die Bücher fand ich wunderbar, und wie gesagt, die Stimmung und die Arbeit im Team war toll.


Dann gab es da noch eine Folge von "Gute Aussichten" mit Dir als lesbische und heiratswillige Frau. - Siehst Du Dich inzwischen als Aufklärerin für die homosexuelle Sache inder Heterowelt?
Nein, das ergab sich so. Der Regisseur von "Gute Aussichten" ist auch mein Regisseur von "Nachtschwester Kroymann". Und der hatte die Idee, einfach mal zwei Lesben einzubauen, die heiraten wollen. Also schrieb Wolfgang Menge, der Autor der Serie, dazu auch etwas. Der ist nun der Sache gegenüber sehr aufgeschlossen, aber ist es von Haus aus doch nicht so sein Thema. Daraufhin haben der Regisseur Thomas Nennstiel und ich uns noch einmal zusammengesetzt und ein paar Pointen eingebaut. Das ganze hat dann zwar einen etwas aufklärerischen Touch bekommen, aber nun müssen wir auch bedenken, daß die Geschichte kurz vor den Tagesthemen läuft, also auch von Menschen geguckt wird, die mit dem Thema vielleicht nicht so vertraut sind. Für viele war es wohl selbst in dieser am Mainstream ansetzenden Form noch sehr provozierend. Aber das ist dann ja okay. Ich selber habe aber überhaupt keine didaktischen Ambitionen. Bei meiner eigenen Sendung sollen die Leute lachen und überrascht werden.


Aber das Thema Homosexualität tauchte doch schon ziemlich oft auf in "Nachtschwester Kroymann"!
Ja, natürlich! Aber es ist immer die Frage, wie man so ein Thema in die Sendung reinbringt, ohne daß es vorsätzlich wirkt, bzw. wie dann gerne gesagt wird: "missionarisch". Der Satz, den ich mehr als einmal zu hören bekam, war: "Du mißbrauchst Deinen Sendeplatz, um für Dein Anliegen zu werben". Als ob irgendjemand einen krachledernen heterosexuellen Macho dafür rügen würde, daß er in den vielen Action- Western- und anderen Filmen für "sein Anliegen" wirbt. Beim Sender war man schon etwas angespannt nach meinem Coming-out. Tendenziell kriegte der Redakteur schon ein leichtes nervöses Zucken, wenn das Thema aufkam. Es macht es ja auch schwieriger, wenn man "out" ist - wenn also alle wissen, daß alle wissen, daß...


Das heißt, wenn man heimlich homosexuell lebt aber nach außen hin brav heterosexuell, erscheint es unaufdringlicher, diese Themen einzubauen?
Ja, bei mir ging es sogar soweit, daß bei feministischen, patriarchatskritischen undsoweiter Beiträgen mir immer indirekt, aber doch deutlich zugetragen wurde, man hätte doch Anstoß daran genommen, daß ich aufgrund meiner Sexualität und meines "Phallusverlustes" mich zu eindeutig in eine Richtung geäußert hätte. Da gibt es eben welche, die sind dann nicht mehr so locker. Ich habe mich aber davon im wesentlich nicht beirren lassen. Mein Argument ist einfach: Ich mache es so, wie es in meinem Leben vorkommt. Weil jeder Kabarettist und jede Kabarettistin davon lebt, daß er, bzw. sie ihre Sicht auf die Dinge widerspiegelt und die eigene Haltung dazu bringt. Gerade in diesem Beruf muß man auch offen oder "out" sein, weil Du Dich ja sonst permanent beschneidest. Du kannst ja dann nur noch eine ganz kleine Auswahl berücksichtigen, wenn Du den ganzen Bereich von Beziehung und Sexualität und was Du sonst noch erlebt hast, ausklammerst. Dann wird es letztlich sehr schmal. Gut, damit können manche leben. Für mich wäre das nichts. Deswegen ist das Coming-out auch beruflich wichtig, finde ich.


Überhaupt ist das ja auch wichtig für die eigene öffentliche Darstellung...
Genau, wenn Du als Künstlerin oder Schauspielerin in eine Talkshow gehst und permanent fürchten mußt "Hoffentlich kommt jetzt nicht die Frage dran...", da kannst Du nicht souverän-charmant, intelligent und geistreich parlieren und locker sein, was ja von Dir verlangt wird, sondern Du sitzt völlig verkrampft da und eierst herum. Das Coming-out befreit einfach, und es macht stärker.
? Aber gibt es nicht auch Situationen, in denen es das Leben schwieriger macht?
Natürlich, etwas davon habe ich ja eben schon beschrieben. Aber das Argument "Die macht ja nur etwas gegen Männer, weil sie lesbisch ist" ist dermaßen platt - damit kann man sich doch nicht ernsthaft auseinandersetzen.


Aber die, die so etwas vertreten, sitzen doch zum Teil in entscheidenden Positionen.
Richtig, Du mußt eben etwas subtiler vorgehen, um den Vorurteils-Fallen auszuweichen und den Kritikern keine Vorlage zu liefern.
Das Schwierige ist, etwas, das offensichtlich noch nicht selbstverständlich ist, so zu verkaufen, als ob es selbstverständlich sei. Ich will ja, offen gesagt, in der Tat meinen Sendeplatz nutzen, um dieses Thema mal eben nicht zu verschweigen. Und das tue ich auch. So habe ich zum Beispiel einmal in Nachtschwester Kroymann ein lesbisches Paar eingebaut, das auch ganz klar als solches zu erkennen war. Nur das Lesbischsein wurde als solches nicht thematisiert, es war einfach integriert. Da gab es dann überhaupt keine Probleme. Nun kann ich ja auch durchaus kritisch mit einem Homo-Thema umgehen. Der lesbische Wein hat mich mal zu meinem schwulen Golf inspiriert und meiner bisexuellen Saftpresse (die sich mal so rum, mal so rum dreht).


Ist es nicht merkwürdig, daß nach Hella von Sinnens und Deinem Coming-out so gut wie nichts mehr kam von anderen Prominenten?
Ja, ich dachte damals auch, ich würde damit etwas auslösen. Es ist wirklich armselig, denn je weniger es machen, desto mehr werden diejenigen, die es machen, in diese Schiene reingepreßt. Hella muß eh den Nobelpreis und ëne Goldmedallie und was auch immer bekommen dafür, weil sie die allererste war und eine richtige Identifikationsfigur ist. Und es wäre soviel leichter, wenn ein paar andere folgen würden, damit auch die Vielfalt sichtbar wird.


Haben die Kolleginnen denn Angst vor einem Karriereknick?
Ich fürchte schon. Dabei verstehe ich gar nicht, wieso die so verzagt sind, denn seit '93 hat sich doch viel verändert. Wir haben zum Beispiel eine Regierung, in deren Koalitionsvertrag die rechtliche Gleichstellung steht; es gibt in Hamburg eine wenn auch nur symbolische aber immerhin offizielle "Ehe" für Homosexuelle. Das Thema ist viel mehr auf dem Tapet, und es ist sozusagen ein politisch-korrektes Mainstreamthema geworden. Man muß also wirklich nicht mehr so eine Angst haben; und wenn es einen günstigen Zeitpunkt gibt, dann ist es jetzt mit dieser Regierung. Es haben sich ja auch noch andere geoutet, zum Beispiel gerade anläßlich des Grand Prixí die junge Seriendarstellerin Meike Gottschalk. Deren direktes und einfaches Coming-out ist nun leider völlig untergegangen unter der großen "Skandal"-Nachricht über Ulrike. Ich finde es prima, daß sie das gemacht hat. Es kriegt langsam etwas normales. Zudem kommen in vielen Daily Soaps mittlerweile auch lesbische Figuren vor.
Man könnte es also durchaus mal probieren und gucken, was dann so passiert. Diesen Schritt habe ich ja auch gemacht. Sicher gab es einige Leute, die mir daraufhin bestimmte Rollen nicht mehr geben wollten, das will ich gar nicht leugnen. Aber es hat mich nicht umgebracht. Ich habe danach andere Sachen gedreht und andere Rollen angeboten bekommen. Diese Mutter-Geschichte in Serien wie "Oh Gott, Herr Pfarrer" oder "Vera Wesskamp" wollte ich persönlich auch gar nicht mehr weitermachen. Deswegen empfinde ich es nicht als Verlust.
Es ist eben nicht immer wichtig, daß einen jemand nicht mehr mag. Oftmals muß man ja von dieser Person oder diesem Personenkreis auch gar nicht mehr gemocht werden.
Und ehrlich, es würde keine aus einer prominenten Rolle in einer bekannten Serie entlassen, wenn herauskäme, daß sie lesbisch ist. Wir haben aufgrund unseres Bekanntheitgrades ja auch eine gewisse starke Position, und aus dieser Position heraus können wir durchaus politisch taktieren und Themen plazieren. Diese Lust, die eigene Popularität als Stärke zu begreifen und zu nutzen, die ist, glaube ich, noch nicht so richtig vorhanden. Wir sind doch nicht nur Opfer, reflexhafte Wesen, sondern auch aktive handelnde Menschen und ab einem bestimmten Punkt der Popularität auch Menschen mit Einfluß.


Nun wurde "Ellen" in den USA aber abgesetzt nach Ellen DeGeneresí Coming-out...
Ja, aber die Serie hatte doch ohnehin schon ihren Zenit überschritten. Dann gab es durch diese Coming-out-Episoden nochmal einen Peak nach oben, aber im Grunde ging es doch schon vorher dem Ende zu. Grundsätzlich gehört aber auch Ellen DeGeneres auf ein Denkmal!


Könnte die Zaghaftigkeit vieler Kolleginnen nicht auch am mangelnden Rückhalt in der Szene liegen?
Was ist eigentlich die Szene oder die Communitiy, oder wer leistet Lobbyarbeit und wie? Da gibt es einmal Medien wie Euch, aber sonst bündelt ja kaum jemand etwas. Und Anne Heche, die Freundin von Ellen DeGeneres, wurde in der US-community nun überhaupt nicht mit offenen Armen aufgenommen; die Reaktion war eher: "Naja, die ist doch ne Männerfrau und so eine Designer-Tussi". Dabei ist die doch sofort rausgegangen und in die Bresche gesprungen. Bei mir war ja noch relativ viel Zeit vergangen - zwei Jahre -, bis ich an die Öffentlichkeit ging, und ich konnte mir überlegen, wie ich das mache.
Bei ihr dagegen, die sich Knall auf Fall verliebt hatte und einfach damit rauskam, war das vielen suspekt. Für viele Lesben, die quasi versteckt leben, ist es auch eine Provokation, wenn da eine im Prinzip Heterofrau kommt und sich als Lesbe outet. Das wird dann offensichtlich als Bedrohung empfunden.


Es gibt also einen Unterschied zwischen Frauen, die als "Ur-Lesben" - versteckt oder offen - schon immer "dabei" waren und Frauen, die aus der Hetero-Welt die communitiy betreten?
Was das Coming-out angeht, bestimmt. Wir langjährige Heteros haben dabei oftmals einen völlig politschen, demokratischen Ansatz: "Es kann doch nicht angehen, daß wir jetzt diskriminiert werden!" Wir standen ja auch nicht in unserer Kindheit, Jugend und Pubertät unter dem Druck, unsere Sexualität verstecken zu müssen und agieren deshalb sozusagen aus einer gewissen Naivität heraus völlig selbstverständlich. Aber es ist umgekehrt ein Irrsinn, zu glauben, das Lesbischsein könnte akzeptiert werden ohne diese Phase der Vorsätzlichkeit. Es muß eben erst viele einzelne geben, von denen man es ganz persönlich weiß, ehe es tatsächlich überflüssig wird, es zu sagen - und erst dann ist es selbstverständlich.


Hast Du eigentlich eine Traumrolle?
Eine Mischung aus Seinfeld, Frazier, Ellen und Absolutely Fabulous


Bis die deutsche TV-Landschaft ihrem nordamerikanischen Vorbild gefolgt ist, vergeht aber in der Regel schon eine gewisse Zeit...
Klar müssen wir noch ein paar Jahre die komischen Putzfrauen undsoweiter spielen, aber dann sind wir sicherlich auch hier soweit. Nun suche ich natürlich auch etwas, was ich machen kann und andere nicht machen - also nicht das Segment von Uschi Glas oder Christiane Hörbiger oder Senta Berger. Und es wäre schon ein Traum, so etwas zu machen.


Wir drücken Dir die Daumen.