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Aufgrund
des großen Erfolgs im letzten Jahr gibt es auch in diesem Jahr wieder eine
Live-Übertragung des CSDs im WDR. Was wird anders sein?
Im
letzten Jahr haben meine Freundin Claudia Müller und ich sehr viel im Vorfeld
recherchiert; das macht sie dieses Jahr alleine, weil ich noch an einem anderen Projekt
arbeite. Die Besetzung hat sich auch geändert: Hella von Sinnen ist nicht mehr
dabei, dafür aber Bettina Böttinger.
Wo wir gerade bei Prominenten sind: Was sagst Du zu Ulrike Folkerts' Coming-out?
Klasse war das! Aber im Grunde medientechnisch gesehen ja die reine Farce. Es war
eigentlich ein Outing, das von der Presse als Selbst-Outing verkauft wurde. Weil
Outen ja out ist. Der Kölner Express hat einfach geschrieben, sie sei lesbisch,
weil sie in der Jury des lesbsich-schwulen Grand Prix' sitzt.
Was ja keine hinreichende Bedingung ist, um lesbisch oder schwul zu sein. Dann
aber kam die Bild-Zeitung mit einem angeblichen Coming-out. - Also, was ist passiert?
Die Bild-Zeitung hat dann einen draufgesetzt: Ein Photo von Ulrike beim lesbisch-schwulen
Grand Prix, wie sie ihren Beifall entgegennimmt und darunter geschrieben: "Seht
her, ich binís!" Sie hatte sich aber gar nicht zu diesem Thema geäußert.
Die Bunte hat dann wiederum den Bild-Artikel verwurstet und dazugeschrieben: Es war
gar nicht nötig, daß der Satz "Ich bin lesbisch" fiel. Dadurch
hatte man beim oberflächlichen Lesen - und wer liest die Bunte nicht oberflächlich
- den Eindruck, der Satz sei irgendwie gefallen. Weil er da als Zitat stand - wenn
auch in der Verneinung. Ja, das dialektische Denken wird eben heutzutage von der
Yellowpress vertreten! Jedenfalls lief die ganze Geschichte eher unter dem Motto
ab: Halb zog sie (die Presse) sie, halb sank sie hin. Ich hoffe aber und glaube eigentlich
auch, daß für Ulrike das ganze letztlich doch befreiend war. Und das ist
ja das Wesentliche.
Du bist ja auch bei "Gisbert" dabei. Wie war die Arbeit?
Es hat total Spaß gemacht. HaPe liebe ich sowieso. Als wir beide noch bei Radio
Bremen waren, lagen unsere Studios direkt nebeneinander, und das verbindet natürlich.
"Gisbert" war im Vorfeld ein wenig umstritten, aber die Bücher fand
ich wunderbar, und wie gesagt, die Stimmung und die Arbeit im Team war toll.
Dann gab es da noch eine Folge von "Gute Aussichten" mit Dir als lesbische
und heiratswillige Frau. - Siehst Du Dich inzwischen als Aufklärerin für
die homosexuelle Sache inder Heterowelt?
Nein,
das ergab sich so. Der Regisseur von "Gute Aussichten" ist auch mein Regisseur
von "Nachtschwester Kroymann". Und der hatte die Idee, einfach mal zwei
Lesben einzubauen, die heiraten wollen. Also schrieb Wolfgang Menge, der Autor der
Serie, dazu auch etwas. Der ist nun der Sache gegenüber sehr aufgeschlossen,
aber ist es von Haus aus doch nicht so sein Thema. Daraufhin haben der Regisseur
Thomas Nennstiel und ich uns noch einmal zusammengesetzt und ein paar Pointen eingebaut.
Das ganze hat dann zwar einen etwas aufklärerischen Touch bekommen, aber nun
müssen wir auch bedenken, daß die Geschichte kurz vor den Tagesthemen
läuft, also auch von Menschen geguckt wird, die mit dem Thema vielleicht nicht
so vertraut sind. Für viele war es wohl selbst in dieser am Mainstream ansetzenden
Form noch sehr provozierend. Aber das ist dann ja okay. Ich selber habe aber überhaupt
keine didaktischen Ambitionen. Bei meiner eigenen Sendung sollen die Leute lachen
und überrascht werden.
Aber das Thema Homosexualität tauchte doch schon ziemlich oft auf in "Nachtschwester
Kroymann"!
Ja, natürlich! Aber es ist immer die Frage, wie man so ein Thema in die Sendung
reinbringt, ohne daß es vorsätzlich wirkt, bzw. wie dann gerne gesagt
wird: "missionarisch". Der Satz, den ich mehr als einmal zu hören
bekam, war: "Du mißbrauchst Deinen Sendeplatz, um für Dein Anliegen
zu werben". Als ob irgendjemand einen krachledernen heterosexuellen Macho dafür
rügen würde, daß er in den vielen Action- Western- und anderen Filmen
für "sein Anliegen" wirbt. Beim Sender war man schon etwas angespannt
nach meinem Coming-out. Tendenziell kriegte der Redakteur schon ein leichtes nervöses
Zucken, wenn das Thema aufkam. Es macht es ja auch schwieriger, wenn man "out"
ist - wenn also alle wissen, daß alle wissen, daß...
Das heißt, wenn man heimlich homosexuell lebt aber nach außen hin
brav heterosexuell, erscheint es unaufdringlicher, diese Themen einzubauen?
Ja, bei mir ging es sogar soweit, daß bei feministischen, patriarchatskritischen
undsoweiter Beiträgen mir immer indirekt, aber doch deutlich zugetragen wurde,
man hätte doch Anstoß daran genommen, daß ich aufgrund meiner Sexualität
und meines "Phallusverlustes" mich zu eindeutig in eine Richtung geäußert
hätte. Da gibt es eben welche, die sind dann nicht mehr so locker. Ich habe
mich aber davon im wesentlich nicht beirren lassen. Mein Argument ist einfach: Ich
mache es so, wie es in meinem Leben vorkommt. Weil jeder Kabarettist und jede Kabarettistin
davon lebt, daß er, bzw. sie ihre Sicht auf die Dinge widerspiegelt und die
eigene Haltung dazu bringt. Gerade in diesem Beruf muß man auch offen oder
"out" sein, weil Du Dich ja sonst permanent beschneidest. Du kannst ja
dann nur noch eine ganz kleine Auswahl berücksichtigen, wenn Du den ganzen Bereich
von Beziehung und Sexualität und was Du sonst noch erlebt hast, ausklammerst.
Dann wird es letztlich sehr schmal. Gut, damit können manche leben. Für
mich wäre das nichts. Deswegen ist das Coming-out auch beruflich wichtig, finde
ich.
Überhaupt ist das ja auch wichtig für die eigene öffentliche Darstellung...
Genau, wenn Du als Künstlerin oder Schauspielerin in eine Talkshow gehst und
permanent fürchten mußt "Hoffentlich kommt jetzt nicht die Frage
dran...", da kannst Du nicht souverän-charmant, intelligent und geistreich
parlieren und locker sein, was ja von Dir verlangt wird, sondern Du sitzt völlig
verkrampft da und eierst herum. Das Coming-out befreit einfach, und es macht stärker.
? Aber gibt es nicht auch Situationen, in denen es das Leben schwieriger macht?
Natürlich, etwas davon habe ich ja eben schon beschrieben. Aber das Argument
"Die macht ja nur etwas gegen Männer, weil sie lesbisch ist" ist dermaßen
platt - damit kann man sich doch nicht ernsthaft auseinandersetzen.
Aber die, die so etwas vertreten, sitzen doch zum Teil in entscheidenden Positionen.
Richtig, Du mußt eben etwas subtiler vorgehen, um den Vorurteils-Fallen auszuweichen
und den Kritikern keine Vorlage zu liefern.
Das Schwierige ist, etwas, das offensichtlich noch nicht selbstverständlich
ist, so zu verkaufen, als ob es selbstverständlich sei. Ich will ja, offen gesagt,
in der Tat meinen Sendeplatz nutzen, um dieses Thema mal eben nicht zu verschweigen.
Und das tue ich auch. So habe ich zum Beispiel einmal in Nachtschwester Kroymann
ein lesbisches Paar eingebaut, das auch ganz klar als solches zu erkennen war. Nur
das Lesbischsein wurde als solches nicht thematisiert, es war einfach integriert.
Da gab es dann überhaupt keine Probleme. Nun kann ich ja auch durchaus kritisch
mit einem Homo-Thema umgehen. Der lesbische Wein hat mich mal zu meinem schwulen
Golf inspiriert und meiner bisexuellen Saftpresse (die sich mal so rum, mal so rum
dreht).
Ist es nicht merkwürdig, daß nach Hella von Sinnens und Deinem Coming-out
so gut wie nichts mehr kam von anderen Prominenten?
Ja, ich dachte damals auch, ich würde damit etwas auslösen. Es ist wirklich
armselig, denn je weniger es machen, desto mehr werden diejenigen, die es machen,
in diese Schiene reingepreßt. Hella muß eh den Nobelpreis und ëne Goldmedallie
und was auch immer bekommen dafür, weil sie die allererste war und eine richtige
Identifikationsfigur ist. Und es wäre soviel leichter, wenn ein paar andere
folgen würden, damit auch die Vielfalt sichtbar wird.
Haben die Kolleginnen denn Angst vor einem Karriereknick?
Ich fürchte schon. Dabei verstehe ich gar nicht, wieso die so verzagt sind,
denn seit '93 hat sich doch viel verändert. Wir haben zum Beispiel eine Regierung,
in deren Koalitionsvertrag die rechtliche Gleichstellung steht; es gibt in Hamburg
eine wenn auch nur symbolische aber immerhin offizielle "Ehe" für
Homosexuelle. Das Thema ist viel mehr auf dem Tapet, und es ist sozusagen ein politisch-korrektes
Mainstreamthema geworden. Man muß also wirklich nicht mehr so eine Angst haben;
und wenn es einen günstigen Zeitpunkt gibt, dann ist es jetzt mit dieser Regierung.
Es haben sich ja auch noch andere geoutet, zum Beispiel gerade anläßlich
des Grand Prixí die junge Seriendarstellerin Meike Gottschalk. Deren direktes und
einfaches Coming-out ist nun leider völlig untergegangen unter der großen
"Skandal"-Nachricht über Ulrike. Ich finde es prima, daß sie
das gemacht hat. Es kriegt langsam etwas normales. Zudem kommen in vielen Daily Soaps
mittlerweile auch lesbische Figuren vor.
Man
könnte es also durchaus mal probieren und gucken, was dann so passiert. Diesen
Schritt habe ich ja auch gemacht. Sicher gab es einige Leute, die mir daraufhin bestimmte
Rollen nicht mehr geben wollten, das will ich gar nicht leugnen. Aber es hat mich
nicht umgebracht. Ich habe danach andere Sachen gedreht und andere Rollen angeboten
bekommen. Diese Mutter-Geschichte in Serien wie "Oh Gott, Herr Pfarrer"
oder "Vera Wesskamp" wollte ich persönlich auch gar nicht mehr weitermachen.
Deswegen empfinde ich es nicht als Verlust.
Es ist eben nicht immer wichtig, daß einen jemand nicht mehr mag. Oftmals muß
man ja von dieser Person oder diesem Personenkreis auch gar nicht mehr gemocht werden.
Und ehrlich, es würde keine aus einer prominenten Rolle in einer bekannten Serie
entlassen, wenn herauskäme, daß sie lesbisch ist. Wir haben aufgrund unseres
Bekanntheitgrades ja auch eine gewisse starke Position, und aus dieser Position heraus
können wir durchaus politisch taktieren und Themen plazieren. Diese Lust, die
eigene Popularität als Stärke zu begreifen und zu nutzen, die ist, glaube
ich, noch nicht so richtig vorhanden. Wir sind doch nicht nur Opfer, reflexhafte
Wesen, sondern auch aktive handelnde Menschen und ab einem bestimmten Punkt der Popularität
auch Menschen mit Einfluß.
Nun wurde "Ellen" in den USA aber abgesetzt nach Ellen DeGeneresí Coming-out...
Ja, aber die Serie hatte doch ohnehin schon ihren Zenit überschritten. Dann
gab es durch diese Coming-out-Episoden nochmal einen Peak nach oben, aber im Grunde
ging es doch schon vorher dem Ende zu. Grundsätzlich gehört aber auch Ellen
DeGeneres auf ein Denkmal!
Könnte die Zaghaftigkeit vieler Kolleginnen nicht auch am mangelnden Rückhalt
in der Szene liegen?
Was ist eigentlich die Szene oder die Communitiy, oder wer leistet Lobbyarbeit und
wie? Da gibt es einmal Medien wie Euch, aber sonst bündelt ja kaum jemand etwas.
Und Anne Heche, die Freundin von Ellen DeGeneres, wurde in der US-community nun überhaupt
nicht mit offenen Armen aufgenommen; die Reaktion war eher: "Naja, die ist doch
ne Männerfrau und so eine Designer-Tussi". Dabei ist die doch sofort rausgegangen
und in die Bresche gesprungen. Bei mir war ja noch relativ viel Zeit vergangen -
zwei Jahre -, bis ich an die Öffentlichkeit ging, und ich konnte mir überlegen,
wie ich das mache.
Bei ihr dagegen, die sich Knall auf Fall verliebt hatte und einfach damit rauskam,
war das vielen suspekt. Für viele Lesben, die quasi versteckt leben, ist es
auch eine Provokation, wenn da eine im Prinzip Heterofrau kommt und sich als Lesbe
outet. Das wird dann offensichtlich als Bedrohung empfunden.
Es gibt also einen Unterschied zwischen Frauen, die als "Ur-Lesben"
- versteckt oder offen - schon immer "dabei" waren und Frauen, die aus
der Hetero-Welt die communitiy betreten?
Was das Coming-out angeht, bestimmt. Wir langjährige Heteros haben dabei oftmals
einen völlig politschen, demokratischen Ansatz: "Es kann doch nicht angehen,
daß wir jetzt diskriminiert werden!" Wir standen ja auch nicht in unserer
Kindheit, Jugend und Pubertät unter dem Druck, unsere Sexualität verstecken
zu müssen und agieren deshalb sozusagen aus einer gewissen Naivität heraus
völlig selbstverständlich. Aber es ist umgekehrt ein Irrsinn, zu glauben,
das Lesbischsein könnte akzeptiert werden ohne diese Phase der Vorsätzlichkeit.
Es muß eben erst viele einzelne geben, von denen man es ganz persönlich
weiß, ehe es tatsächlich überflüssig wird, es zu sagen - und
erst dann ist es selbstverständlich.
Hast Du eigentlich eine Traumrolle?
Eine Mischung aus Seinfeld, Frazier, Ellen und Absolutely Fabulous
Bis die deutsche TV-Landschaft ihrem nordamerikanischen Vorbild gefolgt ist,
vergeht aber in der Regel schon eine gewisse Zeit...
Klar müssen wir noch ein paar Jahre die komischen Putzfrauen undsoweiter spielen,
aber dann sind wir sicherlich auch hier soweit. Nun suche ich natürlich auch
etwas, was ich machen kann und andere nicht machen - also nicht das Segment von Uschi
Glas oder Christiane Hörbiger oder Senta Berger. Und es wäre schon ein
Traum, so etwas zu machen.
Wir drücken Dir die Daumen. |
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