SEX

 
   
  Dass Katholiken auf der Welt ziemlich unbeliebt sind, weiss heute jeder. Nicht zuletzt hat dies seinen Grund in dem starrköpfigen Festhalten der mythischen Frömmler an der Direktive, Sex solle vorwiegend zur Fortpflanzung stattfinden, und dann auch bitteschön in einer ordentlichen Ehe und mit ausgeschaltetem Licht.
Dass die blökenden Klerusfans damit der Naturhaftigkeit des Menschen wesentlich mehr Rechnung tragen als so mancher retro-besessene Wald- und Wiesenfreak, zeigt sich inzwischen an der Potenzpillenschwemme, die unsere Kultur gerade erleidet. Denn jeder der sich der Institution Ehe verschrieben oder den prophetischen Worten Al Bundys gelauscht hat, weiss, dass es keinen Spass macht, seinen Partner mehr als fünf mal in zwanzig Jahren zu begatten. Aber anstatt sich mit der Tatsache abzufinden, dass die Natur zur Knechtung des Menschen, und nicht auf sein Vergnügen angelegt ist, setzt die Industrie auf Dauererektionen und Immergeilheit per Medikation. Wie leicht das ist, hat Viagra exemplifiziert.
Ungeachtet der Tatsache, dass Männer ja angeblich sowieso vorwiegend mit ihrem Stengel denken und von daher eine ausreichende Durchblutung dieser Extremität gewährleistet sein sollte, setzen Viagra und Konsorten auf eine verstärkte Durchblutung des männlichen Schwellkörpers. Die wenig komplexe Sexualität des Mannes kommt der Pharmaindustrie vortrefflich entgegen, denn wie der Sexperte Irwin Goldstein so romantisch formulierte, kommt es auf eine "ausreichend längsachsige Steifheit" an, damit es auf dem Futon ordentlich rummst. Schlimm ist aber, daß es mit dem Einrennen offener Türen auf Seiten der männlichen Paarungsaktivität offenbar nicht getan ist.
Nun sollen auch noch Frauen herhalten um den letzten Rest an sinnvoller Beschäftigung durch hirnlosen Sex zu ersetzen. Das gilt für Heten wie für Lesben, nur wer 24 Stunden am Tag an Sex denkt, bewegt sich noch im unteren Durchschnitt.
Das weibliche Schuldgefühl wird kultiviert, keine[r] könne es ihr so recht besorgen, weil ihr Sextrieb einfach zu intellektuell und ihr Individualismus zu gross sei. Ab in die Hormonmast heisst es gleich, und das Pendant zur Schwellkörperpille heisst dann PT-141 und macht die Frau zu einem ewig pulsierenden Lustschlund. Interessant ist dabei das Evolutionsmodell, das sich in amerikanischen Labors herauskristallisiert, denn traditionellerweise werden neue Lustpillen erst an Rhesusaffen, dann an Männern und schliesslich an Frauen getestet. Womit wohl mehr als deutlich ist, dass die männlichen Chromosomen auf dem Weg zur Krone der Schöpfung offenbar auf der Strecke geblieben sind. Wenn dann erst mal jeder per Medikation auf Permasex eingestellt ist, wirdís doch auch nicht besser.
Dabei könnte es so einfach sein: Mangelnde Sexlust ist eine Zivilisationsbremse, der man widerstandslos Folge leisten sollte, schliesslich warten wir doch alle längst auf das schon von Hegel prophezeite Ende der Geschichte. Die hat sich doch eh totgelaufen und das bisschen Poppen bringt uns auch nicht mehr über die Runden. Und wer diesen Artikel nur wegen der Überschrift gelesen hat, sollte jetzt mal in sich gehen.
obsidia
 
     
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