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Irgendwann in
grauer Vorzeit, als der CSD noch politisch war und die Paradierenden ihre Botschaften
so fulminant inszenierten, wie hysterische Selbstverstümmler in den Tagen des
Ayatolla Khomeini, machte es noch Sinn, als Schwuler oder Lesbe daran teilzunehmen.
Das sagen zumindest die einen. Die anderen, die geneigt sind, selbst Big Brothers
Container-Humanexperimente zum Politikum hochzustilisieren, sagen mit messianisch
anmutender Mimik: Verkennt nicht die Sinnträchtigkeit arschwackelnder Fummeltrienen
und harleyfahrender Macho-Lesben. Dazwischen gondeln unterbezahlte Promis wie Maren
Kroymann und Dirk Bach hin und her, meckern und motivieren ein bißchen, zeigen
ihr strahlendes Rama-Familien-Gesicht oder die verschwörerische Randgruppenmaske.
Soweit meine bescheidene Charakterisierung der CSD-Clübchen.
Zu welcher Gruppe gehören Sie? In diesem Monat geht das muntere Treiben wieder
los, und inzwischen brüsten sich ja selbst spärlich bewohnte Ackerlandschaften
wie Ravensburg und Oldenburg, einen eigenen CSD zu haben, um weiterhin die Illusion
aufrechtzuerhalten, bei diesen Ortschaften handelte es sich um Städte. Die Problematik
beim CSD besteht jahrein, jahraus darin, daß mittlerweile ein gewisser Rechtfertigungszwang
der Veranstalter und Teilnehmer herrscht. Nicht nur, daß man der Hetero-Welt
verständlich machen muß, warum es notwendig ist, Innenstädte zu blockieren
und halbnackte Irrsinnige über die Straßen zu treiben, nein, inzwischen
müssen auch die Teilnehmer erklären, warum sie denn zum CSD erscheinen.
Daß es sich bei der Loveparade nicht um eine politische Veranstaltung sondern
um eine religiöse Wallfahrt handelt, deren hehres Ziel es ist, profane Grünanlagen
in heilige Urinarien zu verwandeln, hat die Stadt Berlin inzwischen bemerkt. Dieselbe
Degradierung findet beim CSD schon eine Weile statt. Der Vorteil ist nur, daß
Knackärsche und Transen bei der deutschen Durchschnittsoma besser im Kurs stehen
als kollabierende Raver auf Exstasy. Diesen Vorteil muß man natürlich
nutzen. Dennoch wäre es mitunter klug, vermeintlich politische Botschaften in
allgemein zugänglichere Formen zu fassen als in Phrasen wie "Ficken statt
Labern". Auch die Transparente mit der Aufschrift "Nur Frauenliebe ist
die wahre Liebe" sind mir vom letzten Jahr noch auf üble Weise präsent.
Möglicherweise wäre es konstruktiver, wenn die politischen CSD-Teilnehmer
die Transparente übernähmen, und alle anderen machen einfach ein nettes
Gesicht. Das würde nicht nur ungemein zur Imagepflege beitragen, es würde
mir auch erlauben, diesmal meine Schamesröte angesichts solcher Unparolen zuhause
zu lassen. Ich habe immer noch Vertrauen in den CSD als Politikum, denn ich denke,
der CSD war noch nie das, was er zu sein schien. Das sieht man ja bereits daran,
daß die Veranstaltung vor Sex nur so zu triefen scheint, unterm Strich aber
nur eine Handvoll Leute wirklich dazu kommt. Freuen wir uns also wieder auf drei
Monate Sein oder Schein.
Obsidia |
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