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Als ich Freitagmittag
vom Einkaufen zurück kam, saß meine Frau schon in der Küche. "Was,
schon Wochenende?", begrüßte ich sie mit einem Bussi. "Besser!",
grinste meine Frau breit, "es ist doch Pfingsten und mein Chef muss seine Enkel
beaufsichtigen - ich habė die ganze nächste Woche frei!". Befriedigt trank
sie einen Schluck Tee. "Wir könnten spontan zum Lesbenfrühlingstreffen
fahren, dann sind wir weg!" "Wie - weg?" Den unheilvollen Unterton
in der Stimme meiner Frau verstand ich nicht. "Ich meine ja nur ... z.B. hat
Deine Mutter angerufen, sie möchte gerne an die Adria gefahren werden, in ihrem
alten Mercedes." "Was?", fragte ich entgeistert, "sie fährt
doch seit fünf Jahren mit dem Zug!" Meine Frau grinste: "Der Zug ist
ihr zu voll an Pfingsten, sagt sie. Sie möchte, dass wir sie abholen und mit
ihr nach Riccione an den Strand fahren. Sie lädt uns auch ins Hotel ein, bis
nach ihrem Geburtstag. Deine Mutter hat mehrfach betont, dass es ihr 81. Geburtstag
ist und niemand weiß, was die Zukunft bringt!" Na toll. Zukunft? Strand?
"Ich wollte doch noch vier Kilo abnehmen, damit ich mich am Strand in meinem
Camouflage-Bikini zeigen kann", sagte ich. "Na, das ist noch Dein geringstes
Problem!", antwortete meine Frau. "Jedenfalls haben vorhin auch noch Flo
und Conny hier Sturm geklingelt, und wollten dich sofort abholen und einspannen.
Du hast wohl irgendwann mal versprochen, bei den Vorbereitungen für ein Fest
mit zu helfen. Die beiden waren schon sehr fleißig und haben allerhand Zeug
in den Hinterhof geschleppt." Als ich aus dem Küchenfenster schaute traf
mich fast der Schlag: Überall waren Holzbohlen aufgestapelt, es sah aus wie
in einem Baumarktlager.
Aber zuerst rief ich meine Mutter an. Ich erwähnte das Lesbenfrühlingstreffen,
meine Mutter konterte, was das denn solle, es sei doch schon fast Sommer. Dann hörte
ich mir zum hundertsten Mal an, dass meine Mutter noch vor zehn Jahren 1000 Kilometer
am Stück gefahren sei und dass es für uns Kleinwagenfahrerinnen ein Vergnügen
sein müsse, mit ihr in ihrem Mercedes an die Adria zu fahren. Im übrigen
würde ich den Mercedes später mal erben. Ich wusste nicht weiter und holte
in meiner Verzweiflung meine Frau ans Telefon. Sie hatte wie immer einen besänftigenden
Einfluss auf meine Mutter und malte ihr am Telefon allerlei Horrorszeniarien von
feiertagsbedingten Endlos-Staus und streikenden Autostrada-Mautposten. "Kind,
du bist ja so vernünftig!" rief meine Mutter laut ins Telefon. "Wir
telefonieren nach den Feiertagen, vielleicht klapptės mit unserer Fahrt ja zu meinem
Geburtstag, da ist ja dann auch Schlager Grand Prix und wir bewegen uns antizyklisch!"
Meine Frau grinste, als sie den Telefonhörer aufgelegt hatte: "Schlager
Grand Prix - Deine Mutter ist ja immer gut informiert - aber was meint sie mit antizyklisch?"
Das war mir in diesem Moment egal, denn aus dem Küchenfenster konnte ich beobachten,
wie Nachbar Andi meine Gartenbank, meinen Tisch und meinen Kübel mit der Riesenpalme
vom sonnigen Rasenstück in die allerschattigste Ecke des Hinterhofs verschleppte.
Nachbarin Conny und ihre Liebste Flo wuchteten im Gegenzug die Holzbohlen auf den
Rasen. "Mach ja keinen auf Blockwärtin!", rief mir meine Frau nach,
als ich aus der Wohnung stürmte.
Gewohnheitsrechte sind dazu da, von jungen lesbischen Nachbarinnen gebrochen zu werden.
Was sollte ich Conny erzählen, dass die Riesenpalme einst als Babypalme schon
auf dem sonnigen Rasen stand, als sie, Conny, so jung war wie jetzt ihr gemischtes
Zwillings-Pärchen? Die beiden Kleinen begrüßten mich vor Freude juchzend,
als ich wutschnaubend in den Hinterhof polterte. Mein Zorn verpuffte urplötzlich.
Dass Eia-Poppeia-Bemutterungs-Hormone auch bei manch mittelalterlicher Lesbe wie
mir sofort besänftigend ins Blut ausgeschüttet werden, wie körpereigene
Endorphine bei Schwerst-Unfall-Verletzten, erstaunt mich immer wieder.
Die Kids waren zweckmäßig in dem Laufstall untergebracht, den ich Conny
zu Weihnachten geschenkt hatte, denn allerlei gefährliche Gerätschaften
lagen bei den Holzbohlen: Bohrmaschine, Kreis- und Stichsäge ...
"Klasse, dass du mithilfst", begrüßte mich Conny. "Können
wir Strom aus eurer Küche ziehen? Bis zu uns in den 2. Stock reicht die Kabelrolle
nicht".
Nachbar Andi saß derweil im Schatten unter meiner Riesenpalme auf meiner Gartenbank,
schwenkte seine Flasche Bier und kommentierte: "Viel besserer Platz für
die Bank. In unserem Alter ist zuviel Sonne gar nicht gut für die Haut!"
Ich war sprachlos: Widerstand schien zwecklos! Wir Frauen arbeiteten, solange das
Tageslicht reichte, den Rest des Freitags bis in den Abend hinein.
Nachbar Andi saß dabei, hatte inzwischen wegen der kürzeren Wege seinen
Kasten Bier unter meine Gartenbank gestellt und gab die üblichen männlichen
guten Ratschläge. Meine Frau lieh uns sogar die ererbte Wasserwaage ihres Vaters.
Das Ergebnis war überwältigend, wenn ich auch hin- und wieder bedenkenträgerinenhaft
murmelte: Wir hätten uns vorher die Erlaubnis vom Hausverwalter holen sollen
...
Samstagnachmittag war es dann soweit: Strahlender Sonnenschein, Hinterhoffest! Unser
selbstgezimmerter, kleiner, feiner Abenteuerspielplatz sah aus wie ein Mini-Fort
für Nachwuchs-Cowgirls- und -boys und wurde mit entsprechendem Gejohle begrüßt
und in Besitz genommen. Erstaunlich, wieviele Kinder inzwischen in lesbischen Haushalten
lebten. "Mit diesem Klasse Natur-Spielplatz solltest Du einen Regenbogen-Kindergarten
aufmachen!", schlug Connys schwuler Therapeut vor. Conny war von der Idee begeistert:
"Das wär geil, als Ich-AG, so als Tagesmutter, mittags gibtķs Veggie-Burger
...", strahlte sie. Ich bekam vor Entsetzen Schluckauf: ein Regenbogen-Kindergarten
ist nicht gerade das, was geräuschsensible Schreiberinnen gern vor ihrem Fenster
haben ...
Doch alles in allem war das Hinterhoffest schön, die Kuchen lecker, die Stimmung
gut. Gegen Abend läutete mein Handy. "Überraschung - kannst Du mal
bitte rauskommen und mir aus dem Auto helfen, ich parke vor eurer Haustür!".
Meine Mutter!
"Ich bin die fast neue Autobahn gefahren, es war unterwegs wunderbar, alles
voller Staus, genau wie es meine schlaue Schwiegertochter voraus gesagt hat!"
begrüßte meine Mutter mich freudestrahlend. "Ich musste nur das Lenkrad
festhalten, allerdings bin ich jetzt acht Stunden unterwegs, bis Riccione schaffe
ich es heute nicht mehr", kam sie meinen zu erwartenden Vorwürfen zuvor.
Ich geleitete meine Mutter, die wie immer kunterbunt gekleidet war, aber diszipliniert
ihren Spazierstock mit sich führte, in den Hinterhof. Die ersten Regenbogen-Lampions
waren entzündet worden, Nachbar Andi machte sich nützlich und versuchte,
an die Umgebung angepasst mittels einer Kochschürze voller lila Lesbenzeichen,
das Geschehen am Grill zu leiten.
In der Nähe des Hofgullis bewachten einige junge kernige Lesben ein kleines
Lagerfeuer, meine Frau saß mit der Gitarre vor dem selbstgezimmerten Mini-Blockhaus,
umringt von Kindern, denen sie "We are Family" mehrstimmig als Kanon beizubringen
versuchte. Vöglein zwitscherten possierlich und in der milden Abendluft schwebten
verlockende Düfte.
Meine Mutter strahlte: "Kind, das ist aber schön hier, das Lesbenfrühlingstreffen,
fast wie früher beim Bund deutscher Mädchen!"
Braxxl |
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