Frauen + Auto = Frauenauto?  
  März 2004. Genfer Autosalon. Luxus pur so weit das Auge reicht. Luxus pur auch beim YCC (Your Concept Car), dem mit Spannung erwarteten ìFrauenauto" von Volvo. Bereits seit den 80er Jahren erforschen Mitarbeiterinnen der Schwedischen Nobelschmiede konsequent Käuferinnenbedürfnisse. Seit 2001 werkelt ein reines Frauenteam an einem entsprechenden Konzeptauto. Das rechnet sich: Schon jeder zweite Volvo ist in den USA fest in Frauenhand.
In der deutschen Autowerbung dagegen scheinen Frauen auf dem Fahrersitz nichts zu suchen zu haben. Zwar räkeln sie sich nicht mehr dünn beschürzt auf Motorhauben, dafür aber schminken sie sich schön, während der Gatte die Luxus-Limousine souverän durch die Nacht manövriert oder legen zärtlich ihre Hand auf seine, die den Steuerknüppel fest im Griff hat (Freud lässt grüßen!).

Köln. Fachhochschule für Design. Pause. Es surrt lebhaft wie in einem Bienenschwarm. Beim der Fachtagung bundesdeutscher Designerinnen unter dem Motto "Wa(h)re Diva" steht das Thema Automobil heute auf der Tagesordnung.
"Ford Ka!", schwärmt eine Teilnehmerin zwischen zwei Bissen in ein Stück Bienenstich. "Das beste Design, das ich in der letzten Zeit gesehen habe! Ein soooo schönes Auto für eine Frau!" Und mit einem Schmunzeln: "Es darf doch auch mal was rund sein!"
"Ich seh da keinen Unterschied!" erwidert eine Frau in mittleren Jahren trocken. Sie selbst fahre einen BMW, was angeblich ein Männerauto wäre, ein Freund einen Opel Corsa. ìIch kenn' jedenfalls Frauen, die fahren Porsche genau so gern wie Männer."
"Ein Auto ist primär ein Fortbewegungsmittel!", wirft einer der wenigen männlichen Teilnehmer in die Runde. Mit dem Rücken zur Fensterfront, vor der sich die Blechlawine überdimensionierter und teurer Stehzeuge türmt.
Das Automobil. Nie war es so statusschwanger wie heute. Sybs Bauer, Autoliebhaberin, Designerin und Mitinitiatorin des Kongresses: "Das Auto ist das wichtigste Markenprodukt, es ist das Produkt schlechthin. Über die Automarke findet die meiste Identifikation statt, es ist Imageträger für die eigene Persönlichkeit und ein Symbol für Freiheit und Abenteuer."
Freiheit und Abenteuer. Die sucht Mann laut Werbung entweder mit der Kippe im Mund auf dem Rücken der Pferde oder on the road, wie das Manager-Magazin vollmundig formuliert: Zu einem echten Kerl gehört auch ein echtes Auto. Wenn Sie also in Ihren Off-Roader steigen um ihr Dominanzgefühl auszuleben, geben Sie sich Ihren Gefühlen hin. Die Straße ist eines der letzten Männerreservate. Frauen haben dafür Verständnis.
Nein, meint Sybs Bauer, bei aller Liebe, dafür habe sie kein Verständnis. Sie glaubt nicht, dass Männer ein Reservat benötigen um ihren Spieltrieb auszuleben. Und Frauen wären auch nicht bereit, Männern das Auto oder die Strasse zu überlassen. "Schließlich sind wir alle auf das Auto angewiesen."
In Sachen Mobilität befinden die Frauen sogar auf der Überholspur. 7 Millionen mehr als bisher werden im Jahr 2020 hinter dem Steuer sitzen, so eine umfangreiche Studio von Shell.
Eine Käuferinnenklientel, die entdeckt werden will, findet denn auch Doris Kortus-Schultes, Professorin für Marketing an der Wirtschaftshochschule Niederrhein in Mönchengladbach. Sie hat sich an der Hochschule stark gemacht für ein ìKompetenzzentrum Frau und Auto", dem mittlerweile fächerübergreifend neben Marketing auch die Bereiche Design, Sozialwesen, Maschinenbau und Verfahrenstechnik angehören und Frauenwünsche erforschen.
"Im Automobilmarkt kann man hinsichtlich von Wachstum ganz klar die Frau identifizieren. Mehr junge Frauen machen den Führerschein, mehr ältere Frauen als früher haben Autos, fahren länger."
Ein großer Teil von ihnen entscheidet sich beim Fahrzeugkauf für einen Kleinwagen. Zum Beispiel für den kompakten Daihatsu Cuore. So ergab sich eine Kooperation mmit der deutschen Niederlassung des munteren Japaners in Tönisforst, die interessiert daran war, eine auf die Kundinnen zugeschnittene Marketingstrategie entwickeln zu lassen. Ein Novum in Autoland.
So machten sich fünf Studierendengruppen mit so klangvollen Namen wie "Die Frauenversteher" oder "Chicks on Wheels" ans Werk. Sogar ein eigener Videoclip wurde rund um Frauen(t)räume gedreht, wo sich die Fahranfängerin oder die Frau mit beim Picknick, beim Shoppen oder auf dem (kurzen) Weg zur Arbeit über den Kleinwagen als idealen Begleiter freut.
Für den Cuore (ital. Herz) entscheiden sich Frauen relativ emotionslos, fand Katja heraus, die als Projektteilnehmerin Befragungen auswertete: "Die Mehrzahl der Frauen kauft Autos weniger mit dem Herzen als mit dem Verstand. Käuferinnen legen vor allem Wert auf geringen Spritverbrauch oder niedrige Unterhaltskosten. Bei Männern könnte man dagegen ganz fies behaupten, sie kauften ein Auto, um damit anzugeben. Eins, wo die Leute hingucken. Die Marke oder die PS Zahl ist Männern wesentlich wichtiger als Frauen."
Aber nicht nur die Türen der Autos, sondern auch der Autohäuser sollten sich gezielter Frauen öffnen, meint die Studentin Jessika. Trotzdem ist sie skeptisch hinsichtlich eines Etiketts "Frauenautos". "Ich selbst fahre sehr gern Auto und mich erinnert das Wort zu sehr an das Klischee, Frauen könnten nicht fahren oder nicht einparken"
Und viele Mitstudierende, gesteht Katja, nähern sich in ihrem Autogeschmack doch sehr den "fiesen" Jungs an. Da darf es ruhig ein bisschen mehr sein, was PS und Ausstattung anbetrifft. "Da wird nicht einfach nur das günstigste Auto genommen oder auf den Spritverbrauch geachtet, wenn man das nötige Geld hat."
Wenn immer mehr Frauen Autos kaufen, sollten auch mehr Frauen Autos bauen. Bei den Fordwerke in Köln sind immerhin 9% Ingenieurinnen beschäftigt ñ ein höherer Anteil als an den entsprechenden Universitäten und FHs studieren. Gabriela Hahn, Dipl.-Ingenieurin für physikalische Technik, ist eine von ihnen.
"Das Thema Frauenauto ist für mich immer ein bisschen zweischneidig", meint auch sie. Noch denke man automatisch an die Frau mit Kindern und die entsprechende Ausstattung für Kindersitz oder großzügige Ablageflächen. Aber die Hälfte der Hälfte Bevölkerung habe sich längst von der klassischen Frauenrolle verabschiedet. ìViele Frauen sind heute berufstätig, legen täglich weite Strecken zurück und haben ganz andere Bedürfnisse, die befriedigt werden sollten." Ein bisschen schneller, ein bisschen sportlicher darf es für Hahn selbst denn auch sein, die in ihren Wagen alles an Sonderausstattung eingebaut hat, was lieferbar war.
Dr. Astrid Wagner, die im Werk für die Integration von Minderheiten wie AusländerInnen, Frauen oder Lesben und Schwule zuständig ist (Diversity), bringt es noch mal auf den Punkt: "Wir müssen einfach von unseren Klischees im Kopf abkommen, Frauen nur als Wesen zu sehen, die sich im Stöckelschuh und Minikleid ins Auto schwingen und dann auch nur bestimmte Fahrzeuge fahren."
Was alles zum ìFrauenauto" mutiert beweist Subaru. Nachdem in den USA sein Jeep Forester bereits zu 65 Prozent in Frauenhand ist, wurde er wegen der hohen Sitzposition und guten Übersichtlichkeit vom japanischen Management gleich als "das ideale Frauenauto" gepriesen.
Und wird der schnittige YCC von Volvo bald als Women's Car in Serie gehen?
Nein, nein, relativiert Tatiana Butovitsch-Temm, Public Relations-Frau von Volvo. "Es geht dabei um ein Unikat. Das heißt, es wurde nur ein Fahrzeug gebaut. Und in das werden dann alle Ideen gesteckt, die unser Team aus Ingenieurinnen, Designerinnen, PR-Frauen zum Your Concept Car hatte. Jetzt präsentieren wir es der Öffentlichkeit und hinterher wandert das Populärste daraus in die konkrete Produktion."
Bei Volvo und anderen Nobelmarken wie Mercedes oder BMW, weiß Butovitsch-Temm, ist die Premium-Käuferin noch anspruchsvoller als der Premium-Käufer: "Sie will die Power, die tolle Maschine, das Top-Design, den Status und viele Dinge mehr." Die Frau mit den lebhaften Augen schmunzelt beim nächsten Satz: "Sie will die Pedale des Autos erreichen und durch die Windschutzscheibe sehen können - und sogar beides gleichzeitig!"
Dann aber wieder sachlich: "Letztendlich wollen wir ein Auto, dass für beide Geschlechter das Beste bietet. Und wenn Volvo jetzt ein Fahrzeug von Frauen konstruieren lässt, dann soll es doch auch dem Mann das Leben leichter machen."
Wenn Männer umgekehrt doch auch gelegentlich so denken würden...
Butovitsch und ihr Frauenteam sind sich auf jeden Fall in einer Sache ganz sicher: Wenn sie die Erwartungen der Frauen erfüllen, werden sie die der Männer noch weit übertreffen.


Annelu Küsters
 
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