Erinnerungen an das erste Mal  
  Rodrigo Gracías Film "Gefühle, die man siehtì  
  Wie gut, dass ab und an noch gestandene, reife Schauspielerinnen über 40 eine Chance erhalten, die sich vom 0815 -Durchschnitt abheben. Wie in Stephen Daldrys "The Hoursì sind die Protagonistinnen in "Gefühle, die man siehtì ziemlich einsam und unglücklich. Dass in einem amerikanischen Episodenfilm, der von fünf einsamen Frauen in Los Angeles erzählt, sogar ein lesbisches Paar vorkommt, gleicht dabei schon einer Sensation.

Wen wundert's, dass es die Produktion bei den prüden Amis nicht ins Kino geschafft hat, zumal Regisseur Rodrigo García mutig eine Szene eingebaut hat, die so manch fanatischen Lebensschützer sicherlich Zornesröte ins Gesicht treibt: Gemeint ist jene Sequenz, in der eine selbstbewusste attraktive Bankfilialleiterin (Holly Hunter) abtreibt, weil der farbige Erzeuger anderweitig verheiratet ist, kein Kind mit ihr will und ihr eigenes Lebensglück auch nicht unbedingt daran hängt.

- So verständlich die Entscheidung aus Sicht einer emanzipierten Frau, so provokant mag sie für manch konservativen Zuschauer wirken, zumal der Eingriff das demonstriert und bestätigt, was Alice Schwarzer schon in den Siebziger Jahren mit ihren Kampagnen vermittelte: Dass eine Schwangerschaftsunterbrechung - vom Facharzt vorgenommen - recht hurtig und harmlos verläuft, ohne dass die Patientin große Schmerzen auszustehen hätte, was ehrlich zeigt, dass die von der katholischen Kirche gern verbreiteten Schauermärchen nicht zutreffen.

Auch der beruflich erfolgreichen Ärztin Dr. Keener (Glenn Close), von der die erste Episode handelt, steht tiefe Melancholie ins Gesicht geschrieben. Verliebt in einen jüngeren Kollegen, der ihre Anrufe nicht beantwortet, bestellt sie eine Kartenlegerin, die ihr Ratschläge geben soll, aber doch nicht helfen kann: Ruhelos, unbefriedigt, unglücklich und ängstlich sei Dr. Keener. Erst später erfahren wir, dass Kartenlegerin Christine (Calista Flockhard) ihr Leben selbst nicht im Griff hat: Ihre Geliebte Lilly (Valerai Golino) liegt im Sterben. Gemeinsam lassen die Lesben ihr Liebesleben Revue passieren.

Zwar ist diese Geschichte sehr traurig, immerhin aber sind die Beiden das einzige glückliche Paar unter den vielen frustrierten Heteras, die entweder dem falschen Mann hinterher trauern, sich sehnlichst einen wünschen oder von den Männern enttäuscht werden, wie vor allem die blinde und scharfsichtige Carol (Cameron Diaz). So verzweifelt Lilly und Christine auch sind ob des unausweichlichen Abschieds, so schön sind doch ihre Erinnerungen, die ihnen niemand nehmen kann, und nach denen die bleiche Lilly geradezu süchtig ist. Im Gegensatz zu Meryl Streep, die in "The Hoursì nur Augen für ihren aidskranken Freund hat und darüber ihre Geliebte vernachlässigt, erzählt Rodrigo García von einer emotional tiefgehenden, intensiven lesbischen Liebe. Für einen US-Film in Starbesetzung ist das bemerkenswert.

Kirsten Liese

Bundesstart war am 17. April. Angelaufen ist der Film in Berlin und Stuttgart
 
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