![]() |
||
Die Sexspielzeugmacherin | ||
---|---|---|
Die Werkstatt mit Ladenbereich der Sexspielzeugmacherin liegt in einem stillen Hinterhof in Berlin-Kreuzberg. Am Hof-Eingang ist das "PLAYSTIXX"-Logo in ein grob bearbeitetes Metallschild gehauen. Im hinteren Raum hängen fünfzig Paar schwarz und orange bemalte Liebeskugeln zum Trocknen. Vorn im Empfangsraum stehen Dildos und Vibratoren mit Namen wie "Delfin", "Banane", "Walfisch" und "Diva" in bunten Hundertschaften in einem Regal, das bis an die Decke reicht. Auf einer Theke liegt neben dem Telefon ein großformatiger in Leder eingebundener Terminkalender. ![]() Am Anfang unseres Gesprächs, in dem mir Stefanie Dörr in Rollkragenpullover und Bluejeans an dem kleinen Tisch gegenübersitzt, an dem sie normalerweise ihre KundInnen beim Kauf berät, ist viel von Geheimnis die Rede. Der dritte Werkstattraum darf zum Beispiel nicht betreten werden, weil die Dildomacherin die genaue Herstellung ihrer "art-erotic-toys" nicht preisgeben will. Aus ihrer Sicht sei es nicht nur für sie selbst, sondern auch für die KundInnen von Interesse, daß die Objekte der Lust ein Geheimnis umwehe. Begonnen hatte alles vor zehn Jahren mit ihrem Schritt nach Berlin. Zuvor hatte die aus einem Ort bei Stuttgart stammende Dörr Bildhauerei studiert. "Begegnung" nannte sie ihre Abschlußarbeit, eine zwiegespaltene Holzfigur. Mit einer Künstlerinnen-Gruppe stellte sie damals im "Bonner Frauenmuseum" aus und fühlte sich in der alten Bundeshauptstadt der feministischen Szene zugehörig, die "sehr politisch" war und in der Themen wie sexuelle Lust keine Rolle spielten. Die Entdeckung, daß ihre neue Berliner Mitbewohnerin einen Vibrator besaß, löste zuerst Befremden später Neugier bei ihr aus. Dörr traute sich nicht, die Zimmernachbarin darauf anzusprechen. In der Disco gestand sie einer Freundin, daß es sie anmachen würde, so etwas einmal selbst auszuprobieren und nennt das heute ironisch ihr zweites "Coming Out". Der erste Gang in den Sexshop kostete allerdings Überwindung und Monate des Zögerns. Der Schritt über die Türschwelle des Ladens gab das Gefühl "etwas absolut Verbotenes zu tun", vor allem weil sich hier ausschließlich männliche Käufer befanden, aber auch, weil Sexläden Anfang der Neunziger von Feministinnen wie Alice Schwarzer und der "PorNo"-Kampagne heftig attackiert wurden. In den Regalen fand Dörr dann große fleischfarbene Dildos aus hartem Plastik, die eine eher abschreckende Wirkung auf sie hatten. Ihr erstes Objekt der Begierde wurde nach längerem Suchen ein kleiner goldmetallener Dildo, ein sogenannter "Ladyfinger". "Dildos und Sexspielzeug", sagt Dörr heute, und überlegt eine Weile bevor sie fortfährt, "sind eine Möglichkeit, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Mit dem eigenen Körper oder mit dem einer anderen Person. Frau kann zum Beispiel herausbekommen, auf welche Art bzw. auf welche verschiedenen Arten sie einen Orgasmus bekommt und vor allem was ihr Spaß macht." Bei ihren ersten Experimenten mit verschiedenen Materialien kamen der frischgebackenen Dildodealerin ihre Erfahrungen als Bildhauerin zugute, vor allem "die Ausdauer, mit dem Widerstand, dem einem das Material entgegengesetzt, umzugehen". Nach einem Jahr des Herumprobierens hatte sie schon zahlreiche Bestellungen auf dem Tisch, denen sie damals gar nicht nachkommen konnte. ![]() Bei der Suche nach neuen Formen berät sich Stefanie Dörr mit den Erotikshop-InhaberInnen, befreundeten KünstlerInnen und ihrer vorwiegend weiblichen Klientel. Die Käuferinnen kommen beim ersten Besuch meistens zu zweit mit der besten Freundin oder als Liebespaar. Bevorzugtes Einsteigerinnen-Modell sind "Walfisch", "Delphin" oder "Welle" in mittlerer Größe. Bei den lesbischen Kundinnen seien die Dildos der Verkaufs-Hit unter den Toys, bei den Heteras dagegen die Vibratoren und Liebeskugeln. Auch beim Lesbenfrühlingstreffen wird Stefanie Dörr mit ihrem diesmal in orange und blau gehaltenen Verkaufsstand zur Gruppe der Ständelesben gehören. Ihre Spielzeuge kosten zwischen fünfzig und hundertdreißig Mark, sind geruchsneutral, abwaschbar, hautfreundlich und sogar kochfest. Spezial-Angebot ist ein Toy im "Exklusiv Design", bei dem man Schnecken, Muscheln, Doppeläxte, einen Ring oder andere private Erinnerungsstücke an das Bochumer LFT in die unverwüstliche Form eines transparenten Dildos einarbeiten lassen und später der neuen Flamme schenken (oder sich selbst neben das Bett stellen) kann. Eins von Dörrs eigenen Lieblingsstücken ist zur Zeit der "Packing-Dildo" mit angeschrägtem Sockel, der sich in die Hose "packen" läßt, um ein männliches Glied zu imitieren. Dies sei besonders bei Dragkings gefragt, bei Frauen also, die Spaß haben am Spiel mit männlichen Geschlechterrollen. Zu ihren wichtigsten Beraterinnen-Tipps am Verkaufstisch gehört, daß ein Toy einer Kundin nicht nur gefallen, sondern daß sie sich regelrecht von ihm angemacht fühlen solle. Cornelia Saxe (Photos: Annett Ahrends) "PLAYSTIXX"-Manufactur, Waldemarstr. 24, 10999 Berlin, Tel. 030/616 595 00 |
||