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Es begann in einer Londoner U-Bahn: Stephanie, die ein Praxissemester in London absolvierte,
befand sich gerade auf dem Heimweg, als Amanda die Bahn betrat, sich zu ihr setzte
und sie einfach fragte: "How was your day?"
Die beiden
verstanden sich auf Anhieb und verabredeten sich gar nicht erst großartig für
den nächsten Tag, sondern gingen direkt auf ein Bier in eine Kneipe in ihrer
Nachbarschaft. Es blieb natürlich nicht bei einem Bier, besonders, nachdem sich
im Laufe des Gesprächs herausstellte, dass beide "vom gleichen Ufer"
sind. Und so verlief der Abend dann noch ein wenig netter für die beiden. Relativ
schnell wurde beiden klar, dass sie ihre große Liebe gefunden hatten und genauso
schnell wurden sie sich der damit verbundenen Probleme bewusst. Noch konnten die
beiden zwar eine glückliche Zeit in London miteinander verbringen, aber Stephanie
musste nach Ende des Semesters zurück nach Deutschland. Amanda wiederum ist
Australierin, die als solche für zwei Jahre in Großbritannien arbeiten
darf, aber auch diese Zeit neigte sich inzwischen dem Ende, eine Rückkehr nach
Australien war unvermeidbar, wenn auch unvorstellbar für sie.
In Australien gibt es Stephanies Studiengang nicht, in Großbritannien konnten
beide nicht mehr bleiben, so dass Deutschland als zunächst einziges Land für
ein gemeinsames Leben in Frage kam.
Ein heterosexuelles Paar hat es in einer solchen Situation einfach: Der Gang zum
Standesamt hätte genügt, um Amanda eine Aufenthaltserlaubnis und relativ
zügig dann auch eine Arbeitserlaubnis in Deutschland zu ermöglichen. Aber
nun sind Amanda und Stephanie eben ein homosexuelles Paar, den Gang zum Standesamt
gibt es nicht für sie.
Auch alle Versuche, für Amanda einen Job in Deutschland zu finden, scheiterten,
denn die potentiellen ArbeitgeberInnen müssen in so einem Fall dezidiert nachweisen,
dass es keine deutschen BewerberInnen für diese Tätigkeit gibt mit gleicher
Qualifikation - ein aufweniges und langwieriges Verfahren, vor dem die meisten Firmen
zurückschrecken. Die Diskussion um "Greencards" für ausländische
Fachkräfte in der Computer-Industrie spiegelt die Situation recht deutlich wider.
Allein WissenschaftlerInnen und MusikerInnen haben aufgrund der besonderen Bewerbungssituation
noch eine gute Chance, hierzulande relativ unkompliziert an einen Job zu kommen.
Wer allerdings weder das eine, noch das andere ist, hat schlechte Karten.
Interimslösungen wie ein soziales Jahr oder ein Studium schieden bei Amanda
aufgrund ihres Alters aus, hier gibt es eine magische Grenze von 27 Jahren, und die
hatte Amanda überschritten.
Stephanie gibt nach diesen Rückschlägen jedoch nicht auf und erkundigt
sich bei der iaf, dem LSVD, dem Referat für gleichgeschlechtliche Lebensweisen
in NRW nach Alternativen. In Hessen und NRW gibt es zumindest die Möglichkeit
für homosexuelle Paare, eine Aufenthaltsgenehmigung für den Partner oder
die Partnerin zu erhalten. Die Voraussetzungen sind allerdings nicht ohne, denn die
deutsche Lebenspartnerin oder der Lebenspartner müssen nachweisen können,
dass sie erstens genug Geld verdienen, um eben zwei Menschen zu ernähren und
zweitens genügend Quadratmeter Wohnfläche vorweisen (Maßzahl in Köln:
12 qm pro erwachsene Person). Das ist für eine Studentin wie Stephanie mit einem
20-qm großen Zimmer ja nun erst einmal nicht so möglich. Aber sie hat
erstens das Glück, dass ihre Eltern in Hessen wohnen und zweitens, dass sie
bilderbuchhaft supportive sind. Die Eltern übernehmen also die Geld- und Quadratmeter-Frage.
"Meine Eltern haben immer gesagt, dass sie sich für meine Partnerin genauso
einsetzen, wie für die heterosexuellen PartnerInnen meiner Geschwister. Da gibt
es für sie keinen Unterschied. Und natürlich ist es auch von Bedeutung,
dass mein Vater am Ende seiner Beamtenkarriere steht und nicht am Anfang. Jetzt kann
er es sich leisten, sich quasi aus dem Fenster zu hängen", so Stephanie.
Um eine homosexuelle Beziehung zu "beweisen", bedarf es in der Regel eines
Partnerschaftsvertrages, der so früh wie möglich abgeschlossen werden sollte.
Eine Mindestzeit der Beziehung wird nicht explizit gefordert, es scheint allerdings
einen unausgesprochenen Bewertungsparameter zu geben. Stephanie und Amanda konnten
ihre gemeinsame Zeit schließlich auf 20 Monate "raufrechnen", zwei
Jahre scheinen allerdings eine Beziehung so richtig "echt" zu machen, wie
ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde Stephanie später mitteilt.
Nächst Hürde: Krankenversicherung. Die hätte die Ausländerbehörde
nämlich dann auch gern. - Wer versichert eine Frau wie Amanda, die zunächst
ohne Job als Lebenspartnerin einer Studentin nach Deutschland kommt? "Das war
gar nicht so einfach, zudem waren wir etwas geschockt, als sich herausstellte, dass
Frauen wesentlich mehr zahlen müssen als Männer", erwähnt Stephanie.
Aber auch hier werden die beiden schließlich fündig. Es gibt zumindest
eine Versicherung in Deutschland, die bereit ist, Amanda zu versichern, wenn sie
nach Deutschland kommt.
"Wir hatten dann irgendwann alle Dokumente beisammen und haben den Antrag bei
der Botschaft in London abgegeben - und dann ging das große Warten los."
- Amandas Aufenthaltserlaubnis in Großbritannien lief bis dahin nur noch wenige
Monate.
Aber die Signale aus der Botschaft verhießen nichts Schlechtes; eine Botschaftsangestellte
ließ am Telefon durchblicken, dass sie schon einmal einen "solchen"
Fall gehabt hätten, die Entscheidungsfindung also nicht so neu sei. Aber Stephanie
und Amanda war schon klar, dass es hier um Ermessungsfragen und nicht um schlichte
Muss-Entscheidungen ging. Und sie wussten, dass dieser Verwaltungsakt Monate in Anspruch
nehmen würde. Schließlich muss die Deutsche Botschaft in London vorprüfen,
den geprüften Antrag nach Deutschland an die entsprechende Ausländerbehörde
schicken, die widerum prüfen muss, ob alles in Ordnung ist, die geprüften
Unterlagen zur Unterschrift an das Regierungspräsidium weiterleiten muss und
dann schließlich das entscheidende Signal mit den unterschriebenen Dokumenten
nach London geben kann.
Bedenken wir die Gründlichkeit der jeweiligen Behörden, können wir
uns die Geschwindigkeit dieses Vorgangs schon vorstellen.
Kurz vor Ablauf von Amandas Aufenthaltsgenehmigung in Großbritannien macht
Stephanie sich schließlich auf in die deutsche Behördenlandschaft, um
nachzufragen, wie es denn nun so steht. - Und erfährt, dass erstens eigentlich
alles geregelt sei und zweitens der entscheidende Mitarbeiter in Urlaub war, nun
aber alles flink nach London gefaxt werde und damit alles in Ordung sei.
Amanda könne nun einfach ihr Visum in London am nächsten Tag abholen. Das
allerdings klappte nun doch nicht so schnell, die britischen Behörden erwiesen
sich genauso umständlich wie die deutschen. Ausrede hier: Das auswärtige
Amt müsse das noch prüfen (Herr Kinkel lässt grüßen).
Inzwischen hatten die beiden nur noch 48 Stunden Zeit, bevor Amandas Aufenthaltsgenehmigung
in Großbritannien ablief. Um weitere Komplikationen zu vermeiden, beschlossen
die beiden, Amanda zumindest mit einem Touristenvisum nach Deutschland einreisen
zu lassen und dann abzuwarten.
Zwei Wochen später schießlich war das Visum da, Amanda konnte sich in
London ihren - wie sie es so treffend bezeichnet - "dyke-stamp" abholen
und damit beruhigt nach Deutschland reisen. Jetzt darf sie also in Deutschland sein
aufgrund einer genehmigten gleichgeschlechtlichen Beziehung, aber arbeiten darf sie
hierzulande natürlich noch lange nicht.
Wären Stephanie und Amanda nicht in der glücklichen Lage, von Stephanies
Eltern unterstützt zu werden, könnten sie sich selbst diesen Status nicht
leisten - der Schwarzarbeit sind somit im Prinzip Tür und Tor geöffnet.
Die Krankenversicherung ist da übrigens nicht so zimperlich: sie fragt nicht
nach, woher das Geld für die Beiträge eigentlich kommt, Hauptsache, es
wird pünktlich bezahlt.
Seit Oktober 1999 darf Amanda zumindest für ein Jahr in Deutschland bleiben,
was dann passiert, ist ungewiss: Eventuell versuchen Stephanie und Amanda doch noch,
nach Australien zu ziehen - mit Behördenhürden hüben wie drüben
kennen sie sich ja schon hinreichend aus.
Ulrike Anhamm (Text + Photos)
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