lespress 0498  

Miss Marple

     

Madam Sir,

Der Göttin sei dank -- es regnet draußen, wie aus Eimern. Und dabei ist ja Frühlingsanfang. Nicht daß ich da was gegen hätte, aber seit ungefähr nach Weihnachten,...na ja mit Respektabstand ab Silvester stehen alle Frühlingsutensilien im Kaufhaus herum und suggerieren uns, daß der Wetterbericht der Privatsender sofort Sonnenschein mit 35 C verkündet, wenn ich jetzt dieses oder jenes jahreszeitlich gestylte Accessoire käuflich erwerbe. Und kaum ist der Winterschlußverkauf vorbei, erdreistet sich das Werbefernsehen den Vorschlag zu unterbreiten, jetzt auch zum Osterfeste nur das Beste zu schenken. Meine Damen und Herren, jetzt reicht es aber. Vielleicht sollten wir uns darauf einstellen, daß es zum Pfingstfest demnächst auch "Kleinigkeiten, die von Herzen kommen" geben wird. Ich denke an Tauchausrüstungen für die Liebste oder auch eine Urlaubsreise zum Almauftrieb derPfingstochsen.


Denken wir mal nach, wie könnte das denn weitergehen. Nach Weihnachten (das übliche) und Silvester (mir graut vordem 31.12.99) kommt der WSW. Am 14.2. ist Valentinstag. Aber das ist wohl eher etwas für Ferreroküßchenfressende Reiheneckhausgatteriche. Dann geht´s weiter mit Frühlingsanfang (dämliche Tulpensträuße und Spitzenunterwäsche mit Fliederduft), Ostern (Urbi et Orbi und diese bemalten Fruchtbarkeitssymbole), und schließlich hätten wir dann den 30.4. - genauer gesagt, die Nacht auf den 1.5. Das ist jetzt ja wieder eher ein Tag nach unserem Geschmack. Falls die Industrie diese Marktlücke jenseits der Esoterikmessen bemerken sollte, so schlage ich hier einen ADAC-Trip in unser schönes Glastonbury vor. Und Sainsbury resp. bei Ihnen Aldi, bietet ab dem 25.4. 10 Uhr Qualitätspendel und Heilende Kristalle an, neben der Kühltheke und nur, solange der Vorrat reicht.


Am 1.5. geht´s direkt mit dem Tag der Arbeit weiter. Da empfehle ich als Eventgeschenk vielleicht einen 3 -Tage-Aushilfsjob als Baggerfahrerin - überreicht mit freundlichen Grüßen von Ihrem Arbeitsamt.
Mit anderen Worten entwickelt sich derJahresablauf zu einem Lustwandeln an den scharfkantigen Abgründen der modernen Dienstleistungsgesellschaft. Ich weiß, ich quatsche heute wild durcheinandender - aber ist Ihnen das auch aufgefallen mit dieser zunehmenden Freundlichkeitsoffensive im Einzelhandel etc.? Früher zum Beispiel, wenn ich da ein Problem mit unserem Telephon hatte, wußte ich genau: Marple, wußte ich, gehe nie montags zum Büro der British Telecom. Denn die Tante hinter dem Schalter war (natürlich war sie auch lesbisch, das wußten in Milchester alle) , aber sie war eben am Wochenende in London gewesen und hatte dort weiß der Himmel welche dubiosen Kontakte gepflegt, unter denen sie entweder bis Geschäftsschluß litt, oder sie telephonierte selber stundenlang (mit eben diesen Kontakten und einem überirdischen Lächeln) und ignorierte die Kundschaft.


Heute lächelt sie den ganzen Tag mit oder ohne London, und ich garantiere Ihnen: das war kein Verkaufstraining, sondern bei dieser Ausgabe der Gattung Verkäuferin hat sich bewiesen, daß British Telecom mit Drogen arbeitet, um aufsässiges Personal zu sedieren. Anders ist es nicht zu erklären, daß unser Faxgerät auch nicht schneller repariert wird als früher, sondern lediglich die freundlich transzendente Untätigkeit des Personals mit einer Art bizarrem Buddhismus unter Drogeneinwirkung erkauft wird und somit das Faxgerät sozusagen positiv vibrierend defekt bleibt - aber alle eine gute Zeit haben.


Übrigens, kennen sie schon den neuesten Skandal im Zusammenhang mit dem Diana-Tourismus: Da hat doch tatsächlich eine Doppelgängerin der Princess of Wales vor dem Kaufhaus Harrods beteuert, der Unfall in Paris sei nur ein Werbung für Sicherheitsgurte gewesen, und ihr und Dodi ginge es prächtig, und sie würden bald heiraten. Sie wurde natürlich sofort verhaftet und am gleichen Tage zu ihrer gerechten Strafe verurteilt: Sie muß nun drei Wochen auf der Mülldeponie zubringen, auf der die 250.000 Tonnen verrotteter Blumen vor sich hingammeln, die vor dem Kensington Palast weggeräumt wurden. Im Gestank diverser biologischer Vorgänge muß sie nun die Plastikfolien von den übelriechenden Sträußen trennen - und zwar ohne Mundschutz und Handschuhe, um so einen Beitrag zum Umweltschutz im Vereinigten Königreich zu leisten. Inspektor Craddock hat´s in der SUN gelesen und mir alles brühwarm erzählt, und die SUN hat ja bekanntlich immer recht.
Bis zum nächsten Mal.


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