lespress 0598    
  Love forever - sex once a year
Aus dem Lesbenalltag
     

Das Bemerkenswerte an lesbischen Beziehungen ist: Sie werden so schnell gemütlich. Kaum sind die ersten aufregenden Zeiten vorüber, schnappt die Symbiosefalle zu.  

  Doch der Reihe nach:    

  Ein One-Night-Stand, einmal wiederholt, ist eben kein  
  One-Night-Stand mehr, sondern gedeiht zur Affaire. Auch schön! Verspricht eine Menge Herzflattern und Begehren. Dieses köstliche Stadium bezieht einen Großteil seiner Würze aus dem Umstand, daß in der Regel eine der beiden "eigentlich" in festen Händen ist. Die unterschiedlichen Interessen aller Beteiligten und der ausgeprägte Drang von Lesben, es allen recht machen zu wollen, garantieren Spannung, Drama, Dynamik, heimlichen Sex und Versöhnungssex - kurzum eine muntere und höchst libidinöse Phase. Kann natürlich nicht ewig halten. Zumal Trennungen zwischen Lesben gerne länger dauern als die eigentliche Zeit der Beziehung, und das hält keine Affaire aus. Doch das ist ein anderes Thema.
 






    Ist hingegen keine feste Partnerin vorhanden, weder bei  












  der einen, noch bei der anderen, und haben sich beide recht lieb auch über die pure Begierde hinaus, dann muß von Affaire gar nicht lang geredet werden. Was die zwei Noch-Singles aus Koketterie zwar gern tun, aber nichts daran ändert, daß stramm auf den süßen, dieses Mal natürlich ganz andersartigen Neubeginn einer Beziehung hingearbeitet wird. Denn: Lesben wollen ja doch immer gleich heiraten. Das zumindest behaupten die losen Buben aus der Schwulenszene. Ein bißchen kess, diese Behauptung, denn immerhin sind es die Jungs, die landauf, landab von der Homoehe schwärmen, während unsereins diesem patriachalen "Rechtsinstitut" zutiefst mißtraut! Aber es ist doch was dran an dem Klischee, wenngleich eher auf der romantischen, denn auf der rechtstheoretischen Ebene. Ein Leben zu zweit, durch Dick und Dünn, gemeinsam Reisen, Lieben, Lachen, Musikhören und Nähe pur. Die Kleinanzeigen der 90er sind genauso voller Romantik wie die aus früheren Zeiten. Und wetten, daß die kleinen wilden Chiffres ("ich will Sex und sonst gar nichts") davor auch nicht gefeit sind?  

    Halten wir fest: Die beiden Single-Lesben treffen sich zusehends




























  öfter, tun so, als sei"s nur eine Affaire, sie begehren sich, fahren neugierig in die ersten gemeinsamen Ferien und kommen, schwupp, als Paar zurück. Ab sofort sieht frau sie nur noch zu zweit. Sie ziehen in eine gemeinsame Wohnung. Sie gehen gemeinsam zum Badminton. Sie singen im selben Chor das selbe Lied.
Eine Weile später, kann auch Jahre dauern, und jede macht dann doch mal etwas für sich. Alte gute Freundinnen bekommen endlich wieder eine Chance! Die Symbiosefalle scheint knapp überwunden, da lauert schon die nächste Gefahr: Das LBT-Syndrom! Der Lesbische Bett-Tod - so unbeliebt wie unvermeidlich. Schon im frühen Beziehungsstadium latent wirksam, meist jedoch schlau abgewehrt durch Übersprungshandlungen, verschafft er sich nun freie Bahn. Lesben in Langzeitbeziehungen geben freimütig zu: "Sex? Naja, einmal im Quartal vielleicht. Bei vielen fängt es doch schon nach einem halben Jahr an, kuschelig zu werden. Na und?"

    Von wegen "na und"! Das wird sich noch zu einer richtigen Krise  












  auswachsen. Die eine nörgelt über die "Geißel Sex" und wünscht sich Frieden im Bette, die andere will denn doch noch mal was vor ihrem Ableben erleben. Nie eingestandene Wünsche umschweben mit einem Mal das sonst so souveräne Paar. Nähe- und Distanz-Fachliteratur stapelt sich auf Nachtkonsölchen und Küchentischen, eine lesbische Paartherapie wird vorsichtig angepeilt, ein Verwöhn-Wochenende in Aussicht gestellt. Denn selbstverständlich darf die Beziehung nicht auf"s Spiel gesetzt werden.
Nunmehr befinden wir uns also in einem Stadium, das sich auch leicht als die Quadratur des Kreises bezeichnen ließe. Gerade dann, wenn die Beziehung so richtig klasse ist, verdampft das letzte Restchen Lust.










       

  Was tun? Die offene Zweierbeziehung leben?    
  Generationen von Lesben winken resigniert ab: Schwestern, das klappt nicht! Eine von beiden wird sich in nullkommanichts wieder verheiraten wollen. Sich klar und deutlich trennen? Nach so vielen Jahren der Gemeinsamkeit? Um dann wohlmöglich immer wieder von Neuem zu beginnen? Leichen pflastern ihren Weg ("Aus dem Tagebuch einer Verführerin")... Welch" quälende Perspektive.
Das Problem einfach zu ignorieren, ist unrealistisch, denn wenn Lesben einmal ins Diskutieren kommen, streben sie auch eine Lösung an. Es fehlen Vorbilder aus dem alltäglichen Umfeld. Das krisengeschüttelte Paar kann sich nicht ständig auf Gertrude Stein und Alice B. Toklas besinnen und an Natalie Barney"s Umgangsformen ergötzen; es benötigt taugliche Ratschläge aus dem Hier und Jetzt.
 

    Die eine greift zur "Lespress" und studiert die Kleinanzeigen: "Das Bett ist leer, der  
    Kühlschrank voll; ich weiß, das ich das ändern soll." Genau den Zustand will sie verhindern. Die andere rezitiert: "Kein Feuer, keine Kohle kann brennen so heiß, als heimliche Liebe, von der niemand nichts weiß". Das wirkt ein bißchen lächerlich als Reanimation, aber immerhin schmunzeln beide über die Unschuld längst vergangener Tage.
Für eine Weile, kann auch Jahre dauern, beschließen sie, keine voreiligen Schritte zu unternehmen.
Es wurde ihre allergemütlichste Zeit.
 

  Carolina Brauckmann  
     
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