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Mit Glanz und Gloria
zog am 1. März die 25. Mardi-Gras-Parade durch Sydney. Der Schock durch die
Pleite der Mardi-Gras-Organisation im vergangenen Jahr war heilsam. Weniger glückselige
Selbstbespieglung, dafür mehr politischer Witz und beißende Satire auf
gesellschaftliche Umstände kennzeichneten die Geburtstagsparade der australischen
Lesben- und Schwulenbewegung.
Zum 15. Mal wurde die Parade von den "Dykes on Bikes" eröffnet. Im
nächtlichen Sydney donnerten die barbusige Lederlesben, butche Frauen in Holzfällerhemden
und aufgedonnerte "Lipstick Girls" auf ihren Harleys und Hondas unter dem
Jubel der 250 000 Besucher die Oxford Strasse hinauf. Die erstmalige Teilnahme eines
kleinen Kontingents schwuler Motorradfahrer nahmen die Lesben solidarisch und selbstbewusst.
"Das war lange überfällig. Aber wir kennen unseren Platz. Wir sind
die ersten und wir sind glücklich, die Zuschauer anheizen zu dürfen",
sagte "Dykes on Bikesî-Präsidentin Janet Parkins. Don Quirk, Vorsitzender
der schwulen "Roadrunner" betonte respektvoll, sie hätten lange gezögert,
an der Parade teilzunehmen. "Wir wollten der Tradition der "Dykes on Bikes'
nie Konkurrenz machen." Jedoch sei der Neubeginn des Mardi Gras Anlass gewesen,
doch in der Parade mitzufahren.
Lesben mit Kind, Kegel und Gummipuppe waren in der Parade sichtbar wie selten zuvor.
Der "Neue Mardi Gras" war dominiert von schwul-lesbischen Organisationen
und nicht mehr diktiert von Sponsoreninteressen und dem Drang nach selbstgefälligem
Glitter und Glamour des "Alten Mardi Gras". Kaum eine der 140 Gruppen in
der Parade war einem Geschlecht alleine vorbehalten. Selbst bei "Leather Pride"
marschierten ledrige und gummige lesbische und bisexuelle Frauen mit und ein in Zellophan
verpackter schwuler Mann auf dem Wagen der Fetischliebhaber ließ sich zur schaurigen
Freude der Zuschauer von einer Frau auspeitschen.
Fast
am Ende der Parade sorgten die "Dykes on Pushbikes" in Kittelkleidern mit
ihren Fahrrädern für einen Kontrapunkt zu ihren röhrenden Geschlechtsgenossinnen
an der Spitze des Zuges. Auch die unvermeidlichen, aufgedonnerten Drag Queens mit
falschen Atombusen bekamen Konkurrenz: nicht wenige Lesben zogen blank und tanzten
fröhlich "Oben ohne" durch die kühle Nacht.
Völlig unanhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung war die klare
Botschaft des 25. Mardi Gras gegen einen Krieg gegen den Irak. Einen Riesenapplaus
erhielt die Truppe "Madam Saddam und ihre Waffen der Massenverführungen".
Einem Saddam-Hussein-Darsteller im Elvis-Kostüm folgten Scheichs und ein Pappmaché-Panzer
mit einer überaus fröhlichen Drag Queen als Kommandantin. Aber auch sehr
viele Einzelpersonen in der Parade hatten ihre Kostüme mit Anti-Kriegs-Statements
versehen. Und wenn das "Kostüm" nur aus einem knappen Höschen
bestand, war das "No War" mit Schminke und Lippenstift halt auf den nackten
Körper gemalt.
Die
kontroverseste Gruppe waren die "Raelian"-Sekte, die unter dem Motto "Haltet
die Gene in der Familie" für menschliches Klonen warben. Völlig unpolitisch
aber überaus witzig waren die Frauengruppe "Die falsche Nase der Nicole
Kidman". Die für ihre Rolle als Virginia Woolf in "The Hours"
für einen Oskar nominierte und von "Ich-bin-nicht-schwul" Tom Cruise
schnöde verlassene australische Schauspielerin ist die Säulenheilige der
Presse in Sydney. So war es kein Wunder, dass die Zeitungen am nächsten Tag
ihre Mardi-Gras-Berichterstattung mit Fotos der Pappnasen aufmachten. Sicher zum
Ärger mancher Drag Queens in schrillen Fummeln, die sich in der Hoffnung auf
flüchtigen Ruhm schamlos vor jede Kamera warfen.
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