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Bisweilen entwickelt
der Mensch ganz absonderliche Hobbies, wenn es darum geht, sein westlich-aufgeklärtes
Schuldbewusstsein gegenüber seiner vernachlässigten Seele zu kompensieren.
Dann springt er mit liebenswerter Putzigkeit auf den nächsten Esozug auf und
freut sich darüber dass er nun sich selbst, Kalle von der Tanke und die einmal
im Monat besuchte S/M-Abstraferin davon überzeugen kann, er sei nun ein geläuterter,
weil wieder in den Einklang mit den kosmischen Gesetzen gebrachter Idealmensch.
Ein besonders trendiges Beispiel für diese Konsequenz menschlichen Identitätszwangs
ist Feng Shui. Das ist eine dem Taoismus entsprungene Methode, sein Eigenheim in
ein energetisch fliessendes Elysium zu verwandeln. Manche nennen es auch spritistisches
Möbelrücken für Neureiche. Die hierzulande beliebteste Tradition dieser
Lehre ist die der Eso-Hausfrau, die in ihrer zwanghaften Art, Nippes zu sammeln,
die Porzellanpuppen und Fabergé-Eier gegen Windspiele und Panflöten austauscht
und von da an auf der Welle ihrer geistigen Ausgeglichenheit an ihren partnerschaftlichen
Pflichten vorbeischwebt.
Dieser Art des Feng Shui zufolge gilt es, vier Dinge zu erreichen:
Gesundheit, materiellen Wohlstand, ausgeglichene Partnerschaft und Harmonie mit der
Natur. Was sich westlich etwa so anhört: Akzeptabler Cholesterinspiegel, nen
Sechser im Lotto, Poppen bis der Arzt kommt und ab und zu ein Joint zur K. D. Lang-Scheibe.
Da der intelligenzresistente deutsche Kleinbürger von Taoismus auch etwa soviel
versteht wie Hella von Faltenröcken, ist es wesentlich einfacher, die Schule
der energetischen Selbstreparatur auf Dinge zu reduzieren, die die westliche Matschbirne
verarbeiten kann.
Weswegen eine Feng Shui Beratung hierzulande meist in folgende Tipps ausartet:
1. Hängen Sie möglichst viele Spiegel in Ihre Wohnung. Damit potenziert
sich die positive Energie, so oft sie sich spiegelt. Die Folge ist natürlich,
dass man nicht mal mehr den Weg zum Kühlschrank findet, weil man sich im heimischen
Spiegellabyrinth den Hals bricht.
2. Runden Sie alle Ecken ab, denn spitze Formen ziehen negative Energie, das sogenannte
Sha, an. Was nicht unwesentlich dazu beiträgt, dass das Wohnzimmer etwas gummizellenartiges
ausstrahlt. Ist aber optimal, falls Sie sich mal besaufen und stürzen, denn
an runden Ecken hat sich noch niemand das Hirn zu Brei geschlagen.
3. Schliessen Sie den Toilettendeckel. Gute Energien verflüchtigen sich sonst
durch die geöffnete Toilette und negative Energien aus dem Abort dringen in
Ihre Wohnung. Was sich auch einfacher sagen liesse: Deckel drauf sonst stinkts. Bimmelnde
Deckenglöckchen, Ikea-Deckenfluter und blubbernde Stubenbrunnen täuschen
wohl kaum darüber hinweg, dass wir von asiatischer Spiritualität so weit
entfernt sind wie die Eingetragene Partnerschaft davon, eine Ehe zu sein.
Belassen wirs doch einfach dabei: Westliche Dekadenz steht uns am besten, und deswegen
spirituellen Leuten ihr Oevre wegzunehmen, ist irgendwie unfein.
obsidia |
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